Stuck: "Bei Heidfeld fehlt mir irgendetwas"
Stuck analysiert im Interview die Ferrari-"Gegner" und fragt sich, ob Heidfeld der richtige Mann für Williams ist
(Motorsport-Total.com) - Ferrari und Michael Schumacher drehen an der Spitze der Formel 1 einsam ihre Kreise. Viele Teams haben sich im Vergleich zum Vorjahr steigern können, einen ernstzunehmenden Herausforderer für die Scuderia gibt es 2004 dennoch nicht. Im Interview mit 'F1Total.com' spricht der ehemalige Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck über die Gründe für die rote Dominanz. Außerdem lobt er die Fortschritte von McLaren-Mercedes und erklärt, warum Nick Heidfeld aus seiner Sicht kein geeigneter Kandidat für eines der beiden Williams-Cockpits ist.

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Stuck glaubt, dass McLaren-Mercedes noch stärker werden wird
Frage: " Ferrari ist das einzige Top-Team, das in diesem Jahr konstante Leistungen zeigt. Warum gibt es keine klare Nummer zwei?"
Hans-Joachim Stuck: "Das hat sich im vergangenen Jahr bereits angedeutet. Alle Teams haben gewusst, in welche Richtung sie entwickeln müssen. Gleich mehrere sind ja auch näher an Ferrari herangekommen. Keiner hat jedoch damit gerechnet, dass auch Ferrari noch einmal einen so großen Schritt machen würde. Hinten ist es sehr viel enger geworden. Hätte Ferrari nicht einen solchen Sprung gemacht, dann hätten wir eine spannende Saison erlebt."#w1#
Viele Verfolger, aber keiner ist nahe genug dran
Frage: "Überrascht sie die Leistung der Verfolger?"
Stuck: "Nein. Der Aufschwung von Renault war schon 2003 abzusehen, und es war auch klar, dass David Richards BAR-Honda mittelfristig nach vorn bringen würde. Dass sich McLaren-Mercedes wieder ins vordere Feld zurückgekämpft hat, belegt das große Potenzial, das in diesem Team liegt. Es gibt also eine ganze Schar von Verfolgern - aber keiner kommt bisher an die Scuderia heran."
Frage: "Woran liegt das?"
Stuck: "Zum einen funktionieren die Bridgestone-Reifen mittlerweile bei allen Bedingungen gut. Da muss man den Japanern ein großes Kompliment machen. Zum anderen zeigt dann, wenn es vorne enger wird, das eingespielte Team bei den Roten seine volle Wirkung. Es herrscht eine perfekte Harmonie, und die strategischen Kniffe von Ross Brawn suchen ihresgleichen. Das müssen die anderen erst noch lernen. Es ist möglich, Ferrari näher zu kommen. Aber auch vorbeizuziehen, das ist schon eine ganz andere Sache."
Ferrari muss bereits am Limit operieren
Frage: "Die anderen holen also mühsam auf, Ferrari spielt die Trumpfkarte Ross Brawn und alles war umsonst?"
Stuck: "Es wird immer knapper, auch wenn es nach außen oftmals leicht aussieht. In Silverstone habe ich mit Ross gesprochen und ihn gefragt, wie viel Benzin Michael Schumacher nach der Safety-Car-Phase noch im Tank hatte. 'Gerade genug', hat er mir geantwortet. Wenn das Safety Car nicht gekommen wäre, hätte es richtig eng werden können."
Frage: "Wer hat die größten Chancen, Michael Schumacher noch in diesem Jahr zu besiegen?"
Stuck: "Eindeutig Kimi Räikkönen. Er ist für mich der Schumacher-Jäger Nummer eins. Dahinter kommt die ganze Meute aus Jenson Button, Takuma Sato, Fernando Alonso und Jarno Trulli. Auch Juan-Pablo Montoya zählt noch zum erweiterten Kreis."
McLaren-Mercedes wittert Morgenluft
Frage: "Die Leistungssteigerung von McLaren-Mercedes ist beeindruckend..."
Stuck: "Auch für mich, keine Frage. Ich bin sogar überzeugt: Die werden noch besser. Das Team wittert jetzt Morgenluft und wird die ausstehenden Rennen mit einer Extra-Motivation angehen."
Frage: "Hat Juan-Pablo Montoya also mit seinem Wechsel zu Silber für 2005 alles richtig gemacht?"
Stuck: "Montoya ja, aber ich weiß nicht, ob das Team mit ihm glücklich wird. Bislang herrschte mit Räikkönen und Coulthard große Harmonie. Die ersten Rennen 2005 werden zeigen, wie die Hackordnung zwischen Räikkönen und Montoya aussehen wird."
Pizzonia in den Augen von Stuck nicht besser als Gené
Frage: "BMW und Williams wären froh, wenn sie ein solches Fahrerduo für nächstes Jahr unter Vertrag hätten. In Hockenheim fährt nun Antonio Pizzonia. Ist das eine gute Entscheidung?"
Stuck: "Ich glaube nicht, dass er besser abschneiden wird als zuvor Marc Gené. Es ist klar, dass man im Augenblick nicht die Piloten fahren lassen kann, die man gerne hätte. Mein Wunschpilot für Hockenheim wäre Jacques Villeneuve gewesen. Aber er wollte gleich einen Vertrag für 2005, da kann ich Frank Williams schon verstehen, dass er sich darauf nicht einlässt. Insofern ist es schon in Ordnung, einen Testfahrer einzusetzen. Dann wäre es aber sinnvoller, Kontinuität an den Tag zu legen."
"Jordan ist keine Fahrerbank"
Frage: "Nick Heidfeld war ebenfalls im Gespräch. Teamchef Eddie Jordan machte ihm aber mit hohen Forderungen einen Strich durch die Rechnung. Verstehen Sie Jordans Verhalten?"
Stuck: "Ja. Während der laufenden Saison kann man nicht beliebig Fahrer aus einem Team herausnehmen. Da habe ich volles Verständnis für Eddie. Jordan ist doch keine Fahrerbank."
Frage: "Wäre Heidfeld eine Alternative für BMW-Williams im kommenden Jahr?"
Stuck: "Aus meiner Sicht nicht. Nick ist schon sehr lange im Geschäft, hat es aber bisher versäumt, ein Highlight zu setzen. Irgendetwas fehlt mir bei ihm. Es wäre gut, wenn er bei einem Test seinen Speed beweisen könnte. Ungesehen würde ich ihm an Williams Stelle aber keinen Vertrag anbieten."

