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  • 05.11.2018 09:45

  • von Erwin Jaeggi

Stoffel Vandoorne will 2019 noch als Formel-1-Testfahrer unterkommen

Interview mit einem gescheiterten Hoffnungsträger: Wieso er sein McLaren-Aus weggesteckt hat und Fernando Alonsos Schimpftiraden in Ordnung findet

(Motorsport-Total.com) - Der scheidende McLaren-Fahrer Stoffel Vandoorne galt noch vor einigen Jahren als eines der größten Talente im internationalen Motorsport. Ende 2018 verlässt er die Formel 1 als entzauberter Hoffnungsträger und geschlagener Mann in Richtung. Dennoch hat der 26-Jährige mit der Königsklasse nicht abgeschlossen und hofft, für das kommenden Jahr noch als Testfahrer unterzukommen.

Titel-Bild zur News: Stoffel Vandoorne

Stoffel Vandoorne scheint sein Formel-1-Aus einigermaßen weggesteckt zu haben Zoom

Frage: "Herr Vandoorne, es fühlt sich an, als hätten man sich gerade noch im GP2-Fahrerlager getroffen. Jetzt reden wir über die Zeit bei McLaren. Alles vergeht wie im Flug."
Stoffel Vandoorne: "Es fühlt sich an, als verginge die Zeit sehr schnell. Es ist schwierig, darüber nachzudenken, was man erlebt. Die vergangenen zwei Jahre sind sehr schnell an mir vorbeigezogen. Es waren vielleicht nicht die besten zwei Jahre meiner Karriere. Ich hätte mir gewünscht, in einem wettbewerbsfähigen Auto zu sitzen und um bessere Resultate zu kämpfen. So ist die Formel 1 aber. Ich war bereit, aber vielleicht hatte ich mit dem Timing Pech."

Frage: "War die Formel 1 für Sie eine Enttäuschung?"
Vandoorne: Ich sehe die Zeit als positive Erfahrung. Es ist und bleibt die Formel 1, eine der schwierigsten Serien der Welt. Ich hatte mit Freunden eine gute Zeit. Ich danke McLaren für die Chance, in der Formel 1 zu fahren. Das Team hatte mich schon in der GP2 und der Super Formula unterstützt. Es hat in meiner Karriere eine große Rolle gespielt. Am Ende der Saison wird diese Zeit vorbei sein."

"Ich denke, dass meine Beziehung zu McLaren immer gut war. Jetzt freue ich mich darauf, etwas Neues zu erleben. Ich kann deshalb nicht sagen, dass ich enttäuscht wäre. Ich hatte eine Ahnung davon, wie es in der Formel 1 zugeht, weil ich viel Zeit bei McLaren im Fahrerlager verbracht habe. Es ist nur frustrierend, dass ich nie die Chance hatte, an der Spitze mitzuhalten."

Frage: "Was waren Ihre besten Momente in der Formel 1?"
Vandoorne: "Meine besseren Rennen im vergangenen Jahr waren Singapur und Malaysia. Ich denke, dass ich in diesem Jahr bessere Grands Prix gefahren habe, aber das ist kaum zu erkennen, weil wir nicht nah genug an den Punkten dran waren. Bahrain war ein gutes Rennen. Ich war nach der ersten Kurve Letzter, bin aber auf Platz neun ins Ziel gekommen. Frankreich und Ungarn waren auch gut. Ich bin in diesem Jahr stärker gewesen. Ich wurde dafür nur nicht belohnt."

Frage: "Gibt es Rennen, wo Sie etwas haben liegen lassen?"
Vandoorne: "Nach jedem Rennen hatte ich das Gefühl, dass ich mehr hätte geben können. Das ist aber normal und das erlebt jeder so. Selbst wenn du ein gutes Rennen gezeigt hast, gibt es Dinge, die du besser hättest machen können. Insgesamt war ich dieses Jahr besser. Das liegt auch daran, dass ich mehr Erfahrung habe. Ich weiß jetzt, wie ich ein Wochenende angehen muss."


Fotostrecke: Top 10: Supertalente ohne Formel-1-Chance

Frage: "Sie sind 2013 als Junior bei McLaren untergekommen. 2012 hatte das Team noch Rennen gewonnen und war Dritter in der Konstrukteurs-WM geworden. Sie hätten also nicht vorhersehen können, dass es danach bergab gehen würde. Ist es schwierig für einen jungen Fahrer, eine Formel-1-Karriere aufzubauen?"
Vandoorne: "Ja, es ist schwierig. Im Jahr 2012 hatte ich keine andere Wahl außer McLaren. Für mich war es ein großer Erfolg. Als Belgier und ohne große finanzielle Mittel bei McLaren unterzukommen, war eine große Errungenschaft. Danach wurde es immer ernster. Ich wurde immer mehr in das Formel-1-Team involviert. Es ging los mit Arbeit im Simulator, dann wurde ich Reservefahrer, weshalb die ersten Tests anstanden. Es ist schade, dass ich nicht zu einer besseren Zeit für McLaren ins Steuer greifen durfte. In den vergangenen zwei Jahren haben wir nicht um Siege gekämpft. Deshalb weiß ich leider nicht, wie es sich anfühlt, mit einem Formel-1-Team zu siegen."

Frage: Wie schwierig ist es, gegen die großen Stars in der Formel 1 zu fahren, aber nicht mithalten zu können?"
Vandoorne: "Formel-1-Teams durchleben immer bestimmte Phasen. Es gibt Jahre, in denen du wettbewerbsfähig bist und es gibt Jahre, die schwierig sind. Dasselbe gilt für McLaren. Das Team ist aktuell nicht wettbewerbsfähig genug, aber es hat genügend Potenzial, um es wieder zu werden. Wann das geschehen wird, ist schwierig vorherzusehen. Es ist schade, dass es nicht soweit war, als ich im Team war."

Frage: "Waren 2012 noch andere Formel-1-Teams an Ihnen interessiert? Hätten Sie ein anderes Nachwuchsprogramm wählen können?"
Vandoorne: "Nein, ich war mit keinem anderen Team in Kontakt. Es gab einen Punkt, da wurde über Red Bull gesprochen, aber da hatte ich den Vertrag bei McLaren bereits unterzeichnet. Es gab also keine andere Option. Ich glaube noch immer, dass es der richtige Weg war, mit McLaren zu arbeiten."

Frage: "Ihr Teamkollege Fernando Alonso hat sich über Sie immer sehr positiv geäußert. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?"
Vandoorne: I"ch habe in den vergangenen zwei Jahren sehr eng mit ihm zusammengearbeitet und wir hatten immer einer gute Beziehung. Wegen der Bedingungen im Team war es aber vielleicht nicht schwierig, das Verhältnis zu managen. Ich hätte es lieber gehabt, dass wir beide um Podiumsplätze und Siege gekämpft hätten. Dann wäre es sicher etwas schwieriger zwischen uns gewesen."

Stoffel Vandoorne

Meist zu langsam für die Formel 1: Vandoorne hatte zwei schlechte Jahre Zoom

Frage: Haben Sie etwas Besonderes von Alonso gelernt?"
Vandoorne: "Ich habe eine Menge von Fernando gelernt. Er gehört zu den erfolgreichsten Formel-1-Fahrern und größten Talent im Fahrerfeld. Ich habe von ihm anfangs gelernt, ein Rennwochenende richtig anzugehen und mich auf die Freien Trainings vorzubereiten, um am Sonntag das Maximum herauszuholen."

Frage: "Viele Leute unterschätzen, wie wichtig es ist, das Wochenende richtig aufzubauen und bis zum Rennen alles richtig vorzubereiten."
Vandoorne: "Ich habe anfangs auch nicht kapiert, wie wichtig es ist, viel zu fahren, Longruns zu absolvieren und verschiedene Set-ups zu testen. Es ging darum, für Sonntag eine Vorstellung davon zu haben, wie es laufen wird. Im Rennen ist es wichtig, keine Fehler zu machen und das Wissen in ein gutes Resultat umzumünzen."

Frage: Ist es schwierig, als Rookie neben einen zweimalige Weltmeister zu starten?"
Vandoorne: "Nein, nicht wirklich. Ich wusste, dass Fernando eine der höchsten Messlatten sein wird, die man sich wünschen kann. Um ihn zu schlagen oder genauso gut zu sein, muss alles perfekt laufen. Wenn man jemanden wie Fernando neben sich hat, weiß man das. Es war eine tolle Erfahrung für mich, ihn als Teamkollegen gehabt zu haben."

Frage: "Alonso hat vergangenes Jahr viel Negatives über die Honda-Motoren gesagt. Hat Sie das gestört?"
Vandoorne: "Ich denke, es ist normal, weil wir an verschiedenen Punkten in unseren Karrieren waren. Ich habe an meiner ersten Saison gearbeitet und Fernandos Karriere ging langsam auf das Ende zu. Wir waren also an zwei völlig verschiedenen Punkten."

Frage: "Haben Sie ähnliche Momente erlebt wie Alonso? Hatten Sie auch irgendwann genug?"
Vandoorne: "Es gab frustrierende Momente, aber so war die Situation eben. Ich kann mich lautstark beschweren, aber es ändert nichts. Ich bin eher jemand, der so etwas vergisst und nach vorne blickt."


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Frage: "Gil De Ferran sagt, es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, Sie nicht weiter zu beschäftigen. Was denken Sie? Was hätten Sie tun können, um das Cockpit bei McLaren zu behalten?"
Vandoorne: "Schwierig zu beantworten. McLaren musste letztendlich eine Entscheidung treffen. Das Team war in den vergangenen zwei Jahren nicht wettbewerbsfähig, das weiß jeder. Fernando und ich zusammen sind - meiner Meinung nach - eines der stärksten Duos in der Formel 1. Ein anderes Fahrerpaar hätte die Situation nicht verändert. So ist es aber. Manchmal braucht es Veränderungen, wenn man Fortschritte machen will. Leider ist das jetzt für mich kein Vorteil."

Frage: "McLaren erlebt eine turbulente Phase. Ein neues Management wurde installiert und das Team hat den Motorenlieferanten gewechselt. Haben Ihnen diese Veränderungen geschadet?"
Vandoorne: "Ideal war es sicher nicht. Stabilität ist manchmal besser, aber nur, wenn es perfekt läuft. Die Situation in den vergangenen zwei Jahren war alles andere als perfekt. Es musste ein großer Schritt vorwärts gemacht werden und das war ein Teil davon."

Frage: "Was es eine Option, wieder Reservefahrer zu werden, um noch einen Fuß in der Türe zur Formel 1 zu halten?"
Vandoorne: "Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Ich werde jetzt Formel E fahren und darauf werde ich mich nach der Formel-1-Saison konzentrieren. Wir werden sehen, welche Optionen es in Zukunft noch geben wird."

Frage: "Nächstes Jahr in der Formel 1 zu fahren, ist noch immer eine Option?"
Vandoorne: "Ja, es kann so kommen. Es ist noch nichts entschieden. Es gibt zurzeit keinen weiteren Plan. Ich möchte letztendlich im richtigen Umfeld landen."


Fotostrecke: Formel-1-Fahrer gestern und heute

Frage: "Suchen Sie nach einer weiteren Rennserie neben der Formel E?"
Vandoorne: "Die Formel E hat jetzt Priorität. Wenn sich Möglichkeiten auftun, die mich interessieren, werden wir sehen."

Frage: "Wird Ihr Start in der Formel E die Popularität der Serie in Belgien steigern?"
Vandoorne: "Viele meiner Fans werden sicher meine Erfolge in der Formel E verfolgen. Die Meisterschaft ist in den vergangenen vier bis fünf Jahren stark gewachsen. Viele Hersteller sind eingestiegen und deshalb ist es eine sehr interessante Serie."

Frage: "Werden Sie in Ihrer ersten Formel-E-Saison Erfolg feiern?"
Vandoorne: "Es ist schwierig, jetzt ein Ziel zu formulieren. Für mich und HWA ist es eine neue Herausforderung. Wir wissen nicht, was wir erwarten sollen. Zu Beginn wird es sicher eine steile Lernkurve geben. Es ist unvorhersehbar. Ich hoffe, dass ich positiv überrascht sein werde."

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