Stoddart gegen Mosley geht in die nächste Runde

Minardi-Boss Paul Stoddart findet, dass die Teams übergangen worden sind, doch FIA-Präsident Max Mosley widerspricht dem energisch

(Motorsport-Total.com) - Der Briefwechsel zwischen Minardi-Teamchef Paul Stoddart und FIA-Präsident Max Mosley hat in den letzten Wochen die sportpolitischen Diskussionen in der Formel 1 einerseits angeheizt, andererseits auch immer recht gut auf den Punkt gebracht und aus Insidersicht beleuchtet. Die nächste Runde in diesem Verbalduell wurde heute geschlagen.

Titel-Bild zur News: Max Mosley und Paul Stoddart

Mosley und Stoddart benötigten weitere 18 Seiten für ihre Auseinandersetzung

Die FIA ist in der Angelegenheit offenbar recht selbstsicher und hat sich daher wieder dazu entschlossen, die gesamte Korrespondenz in voller Länge zu veröffentlichen. Nachzulesen gibt es diesmal einen fünfseitigen Brief von Stoddart, der am 4. Februar verschickt worden ist, und die Antwort von Mosley von heute, die samt Anhängen 13 Seiten umfasst. Wirklich Neues kam dabei jedoch nicht heraus.#w1#

Technische Arbeitsgruppe: Entscheidung oder nur Vorschlag?

Stoddart hängt sich zu Beginn seines Schreibens vor allem daran auf, dass Mosley bisher immer behauptet hat, die Notwendigkeit einer Umstellung des Motorenreglements sei einstimmig von der Technischen Arbeitsgruppe, in der die Technischen Direktoren aller zehn Teams sitzen, angestoßen worden: "Das ist nicht korrekt", so der Minardi-Teamchef, "und ich habe auch keine gültigen Aufzeichnungen über eine solche Entscheidung in den Protokollen der Technischen Arbeitsgruppe gesehen."

Der Australier wurde sogar noch deutlicher: "Ich kann versichern, dass Minardi zu keinem Zeitpunkt einen solchen Vorschlag unterstützt und sicher nicht dafür gestimmt hat." Anschließend verweist er darauf, dass das 2,4-Liter-V8-Motorenformat seiner Meinung nach nicht unter rechtlich korrekter Einhaltung aller im Concorde Agreement verankerten Prozeduren eingeführt worden ist. Laut Stoddart hätte ein solcher Schritt von den Unterzeichnern des derzeit gültigen Concorde Agreements abgesegnet werden müssen und nicht vom World Council der FIA.

Mosley wiederum, ein gelernter Jurist, antwortete auf Stoddarts Kritik, dass es in der Tat nie einen Beschluss der Technischen Arbeitsgruppe in Bezug auf das Motorenreglement gegeben hat, jedoch habe er dies auch nie behauptet: "Du zitierst mich - richtigerweise -, dass ich gesagt habe, dass der Vorschlag, die Motorenkapazität zu reduzieren, von der Technischen Arbeitsgruppe ausgegangen ist. Dann heißt es, es hat nie eine solche Entscheidung gegeben. Natürlich nicht, denn ein Vorschlag ist keine Entscheidung."

Mosleys Konter mit Sitzungsprotokollen

Darüber hinaus beruft er sich auf acht Meetings der Technischen Arbeitsgruppe zwischen 1. Februar 2002 und 23. Januar 2004, in denen in die Sitzungsprotokolle aufgenommen wurde, dass die Technische Arbeitsgruppe zumindest über einen Wechsel zum 2,4-Liter-V8-Format abstimmen möchte beziehungsweise entsprechende Diskussionen in diese Richtung anregt. Mosley sicherte seine Argumentation mit den zugehörigen Passagen aus den jeweiligen Sitzungen ab.

"Der Punkt ist", so der FIA-Präsident, "dass die Technischen Direktoren aller Teams wiederholt eine Reduktion der Leistung gefordert haben. Hätte die FIA dies ignoriert und hätte es einen schweren Unfall gegeben, so wäre die FIA in jeder folgenden rechtlichen Untersuchung in einer sehr schwierigen Position gewesen. Ganz eindeutig hätten 1.000 PS in einem System, das für 700 PS ausgelegt ist, einen erheblichen Risikofaktor dargestellt." Es wäre "verrückt" gewesen, hätte die FIA nicht reagiert, ergänzte er.

FIA konnte eigene Regeln für 2005 durchsetzen

Außerdem bezog sich der Wortwechsel auf Formalitäten im Prozess der Regelfindung für 2005, als die FIA der Technischen Arbeitsgruppe drei Varianten für ein technisches Reglement präsentiert hat, von der die Technische Arbeitsgruppe eines mit einer 80-Prozent-Mehrheit binnen 45 Tagen hätte absegnen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, folglich sah sich die FIA in der ihres Erachtens nach rechtlich abgesicherten Position, eigene Regeln im Interesse des Sports aufsetzen zu können.

Auch in dieser Angelegenheit versteht Mosley den Wirbel, den Stoddart schlägt, nicht: "Auf unsere Befragung hin folgten monatelange Diskussionen und Beratschlagungen mit der Technischen Arbeitsgruppe, eingeschlossen das Meeting am 6. September, als die Technische Arbeitsgruppe einstimmig die aerodynamischen und reifenseitigen Elemente eines unserer drei Pakete akzeptiert hat und mit sieben zu drei in Bezug auf die motorenseitigen Elemente. Wäre diese Abstimmung acht zu zwei ausgegangen, wäre es das gewesen."

Bezüglich der Idee eines Einheitsreifens, die von den Teams zuletzt als Allheilmittel dargestellt wurde, forderte Stoddart zu raschem Handeln auf. Seiner Meinung nach sind Einheitsreifen die einzige Möglichkeit, ohne zusätzliche Kosten für die Teams die Geschwindigkeiten zu reduzieren. In seiner Argumentation beruft er sich auf ein FIA-Dokument vom 21. Mai 1998, in dem die FIA - unter Berufung auf die damalige Situation mit den 1998 eingeführten Rillenreifen - die Pneus als effizienteste Möglichkeit zur Geschwindigkeitsregulierung bezeichnet.

Einheitsreifen wegen Ferrari nicht schon 2005?

Stoddart wärmte in diesem Zusammenhang neuerlich seine Verschwörungstheorien auf und zitierte aus einem Sitzungsprotokoll der Technischen Arbeitsgruppe, in dem sich Ross Brawn von Ferrari dezidiert gegen Einheitsreifen ausspricht. Darüber hinaus warf er Mosley vor, dass man sich mit Einheitsreifen das ganze Theater um die restlichen Regeln hätte sparen können, da man auf diesem Weg eine ausreichende Reduktion der Geschwindigkeiten erreicht hätte.

"Die Wahrheit ist", entgegnete Mosley, "dass die Einheitsreifen alleine ohne andere Maßnahmen nicht ausreichend gewesen wären, um die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge zu kontrollieren - und sei es nur wegen der Höchstgeschwindigkeiten, die ein Auto mit 1.000 PS erreichen kann. Die Technische Arbeitsgruppe war sich dessen immer bewusst." Diese Darstellung wird von den Anhängen aus Protokollen der Technischen Arbeitsgruppe in Mosleys Brief untermauert. Unabhängig davon wäre es wettbewerbsrechtlich schwierig gewesen, entweder Bridgestone oder Michelin ohne Einhaltung der einjährigen Kündigungsfrist quasi gewaltsam aus der Formel 1 zu schmeißen.

In Bezug auf die geplante Sitzung der Formel-1-Kommission am 9. Dezember vergangenen Jahres, die nie stattgefunden hat, teilte Stoddart mit, dass die Teams "enormes Interesse" an einer Teilnahme gehabt hätten, ehe die FIA abgesagt hat. Mosley wiederum konterte, dass es doch angesichts dieses angeblichen Interesses merkwürdig sei, dass kein einziges Team im Vorfeld einen Tagesordnungspunkt vorgeschlagen hat.

Kostenfrage für die Teams scheinbar nicht mehr so interessant

In seiner abschließenden Zusammenfassung unterstellte Mosley den Teams außerdem, dass sie möglicherweise nicht mehr so stark an der Kostenreduktion interessiert sind, seit Jaguar und Jordan durch die jeweiligen Verkäufe an externe Großkonzerne - 'Red Bull' beziehungsweise 'Midland' - finanziell abgesichert sind: "Das scheint mir der Grund dafür zu sein, dass sich die meisten Teams nicht mehr für die gegenwärtigen oder zukünftigen Kosten zu interessieren scheinen", schrieb der FIA-Präsident.

Und weiter: "Es gibt inzwischen Stimmen innerhalb der FIA, die hinterfragen, ob weitere Zeit und weitere Bemühungen in die Kostenreduktion in der Formel 1 investiert werden sollten. Diese Angelegenheit wird beim Meeting des World Councils im nächsten Monat besprochen, was durchaus dazu führen könnte, dass wir unser Bestreben solange auf Eis legen, bis sich die Formel 1 in einer so schweren Krise befindet, wie sie vergangenen Herbst schon unausweichlich schien."

In seinem Schlusssatz erklärt Mosley die schriftliche Konversation mit Stoddart für beendet, "weil ich nicht die Zeit habe, mich länger diesem Schriftverkehr zu widmen", wie er klarstellte. Dies ist insofern ein relativ harsches Vorgehen, als sich der Minardi-Teamchef in seinem vorangegangenen Schreiben ausdrücklich dafür bedankt hat, dass sich sein britisches Gegenüber dem Thema trotz aller Verpflichtungen so ausführlich angenommen hat.

"Pompöses Rechtsenglisch ist normalerweise nicht dein Stil"

Auch eine weitere Passage in Mosleys Schreiben deutet an, wie verhärtet die Fronten zum Teil sind: "Du bist in der glücklichen Position, Zeit für diese Konversation zu haben. Ehrlich gesagt vermute ich, dass du einen Ghostwriter einsetzt, denn ansatzweise pompöses Rechtsenglisch ist normalerweise nicht dein Stil. Ich muss im Gegensatz dazu selbst antworten und werde das dieses Mal auch machen, muss dann aber damit aufhören."

Dass der Schriftverkehr zwischen Mosley und Stoddart gravierende Auswirkungen auf die Zukunft der Formel 1 haben wird, ist unwahrscheinlich, zumal das Reglement für 2005 ohnehin längst beschlossen ist und die längerfristigen Vorschläge derzeit bei jenen Meetings diskutiert werden, die von allen Teams außer Ferrari boykottiert werden. Umgekehrt ignoriert Ferrari auch alle diesbezüglichen Bemühungen der restlichen Rennställe.

Fazit: Nach einem neuerlichen Ausflug in 18 Seiten voller Rechtsenglisch, Paragrafen und Formalitäten hat sich an den Standpunkten der beiden Diskutierenden im Endeffekt nichts verändert. Fest steht nur, dass der gelernte Jurist Mosley mit seiner Argumentation zumindest nach außen hin überzeugender wirkt und im Prinzip fast alle Anschuldigungen, die Stoddart aufgestellt hat, mit seinen Antworten entkräften konnte.