Stoddart: "Ferrari tut so, als gäbe es keine Regeln mehr"

Minardi-Boss Paul Stoddart übt herbe Kritik an Ferrari - Konkurrenzserie ist "absolut realistisch", erklärte er gegenüber 'F1Total.com'

(Motorsport-Total.com) - Minardi-Teamchef Paul Stoddart kann ohne den Sanktus seines Amtskollegen bei Ferrari, Jean Todt, am kommenden Wochenende in Melbourne nicht an den Start gehen, weil seine Fahrzeuge aus dem Vorjahr noch nicht dem neuen Reglement entsprechen. Dennoch nimmt er sich in sportpolitischen Fragen kein Blatt vor den Mund.

Titel-Bild zur News: Paul Stoddart

Übt wegen der Testbestimmungen scharfe Kritik an Ferrari: Paul Stoddart

Die Königsklasse ist momentan in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite stehen Ferrari und die FIA mit ihrem Präsidenten Max Mosley, den Stoddart als Hauptverantwortlichen für den Formel-1-Krieg sieht, auf der anderen Seite die restlichen neun Teams und vor allem die Automobilhersteller. Laut dem Minardi-Eigentümer liegt es nur an Ferrari und der FIA, dass diese Krise, die theoretisch sogar zur Spaltung in zwei Rennserien führen könnte, noch nicht ausgestanden ist.#w1#

Stoddart-Interview am Dienstag und Mittwoch bei 'F1Total.com'

"Es will einfach nicht in meinen Kopf, warum sich so ein erfolgreiches Team vom Rest absondert", erklärte Stoddart im Interview mit 'F1Total.com', das ab Dienstag in voller Länge veröffentlicht wird. Vor allem ärgert ihn, dass sich Ferrari über die freiwillige Testbeschränkung der anderen neun Rennställe hinwegsetzen will: "Vielleicht bekommt der Spruch, dass der Zweite der erste Verlierer ist, dieses Jahr eine neue Bedeutung. Vielleicht heißt es, dass der Zweite der erste Sieger ist, denn Ferrari testet unter anderen Bestimmungen als wir."

"Ich habe auch gehört, dass Ferrari sogar Tests auf Strecken gebucht hat, auf denen Testfahrten bisher nicht gestattet waren. Oder in der Woche vor einem Rennen, auch das scheinen sie vorzuhaben. Sie tun jetzt so, als gäbe es überhaupt keine Regeln mehr. Vielleicht haben sie damit ja sogar Recht. Aber ich frage mich, in welchem Licht das ihre Siege erscheinen lässt. Sie gewinnen ja sowieso, also warum gehen sie so ins Extreme? Solche Siege wären doch nur ein Witz", fügte er an.

In der Tat hat Ferrari angekündigt, schon diese Woche das Testprogramm mit dem F2005 aufnehmen zu wollen, was zumindest nach 2004er-Reglement nicht erlaubt gewesen wäre, weil in der Woche vor einem Grand Prix jedes Team nur maximal 50 Testkilometer absolvieren darf. Offenbar interpretiert man in Maranello die Situation neuerdings jedoch so, dass durch das Gentlemen's Agreement die bisher bestehenden Regeln außer Kraft gesetzt werden.

Brawn kündigte für diese Woche Tests mit dem F2005 an

Ferraris Technikchef Ross Brawn machte am Wochenende jedenfalls deutlich, wie Ferrari vorgehen will: "Unser zweites Chassis werden wir erst nach Malaysia testen, denn es wird momentan für die Crashtests der FIA verwendet", gab er zu Protokoll. "Sobald wir ein zweites Chassis zur Verfügung haben, können wir mehr testen. Um das neue Auto so früh wie möglich einsetzen zu können, müssen wir viele Daten sammeln. Luca Badoer wird den ersten Test nächste Woche absolvieren."

Daher rechnet Stoddart fix damit, dass Ferrari-Triumphe von den Medien aufgrund des Konflikts um die Testbestimmungen mit einem negativen Beigeschmack behaftet werden: "Sie machen sich selbst kaputt", schüttelte der 49-Jährige den Kopf. Und weiter: "Ich möchte das Wort Arroganz nicht verwenden, aber mir fällt nichts Besseres ein. Sie verhalten sich nicht wie Leute, die sich für einen Sport verantwortlich fühlen, der ihnen so viel gegeben hat. Sie haben dem Sport ja auch so viel gegeben. Das alles ist verrückt."

Angesichts der immer größer werdenden Distanz zwischen Ferrari und den restlichen Teams hält es der Australier für "absolut realistisch", dass es ab 2008 zwei Rennserien geben wird: "Auf der einen Seite gibt es Bernie, die Banken, Ferrari, die FIA und Max, und auf der anderen Seite stehen fünf der weltweit größten Automobilhersteller, die schwer verärgert darüber sind, wie die Regeländerungen eingeführt wurden. Wir reden hier von einer Gruppe von Herstellern, die es todernst meinen, ihre eigene Serie zu gründen", teilte Stoddart 'F1Total.com' mit.