Stoddart: Ferrari "muss einfach zustimmen"
Der Minardi-Teamchef im Interview über die Lage seines Rennstalls, den Ford-Rückzug und die Initiative zur Testreduzierung
(Motorsport-Total.com) - Paul Stoddart ist als Minardi-Teamchef der Überlebenskampf in der Formel 1 nicht fremd. Doch Gerüchte, wonach die Teilnahme an der Saison 2005 auf wackeligen Beinen steht, wies der Australier weit von sich. "Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass Minardi in Melbourne dabei sein wird", so sein optimistischer Tenor im 'F1Total.com'-Interview.

© Minardi
Minardi-Teamchef Paul Stoddart: Ford-Rückzug war ein Weckruf für alle
Frage: "Herr Stoddart, viel wird im Augenblick über die Zukunft von Jordan oder dem möglichen Jaguar-Nachfolger gesprochen. Jeder geht offenbar davon aus, dass Minardi 2005 definitiv in der Formel 1 am Start ist."
Paul Stoddart: "Ich kann Ihnen auch genau sagen, warum: Weil es so ist. Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass Minardi in Melbourne dabei sein wird. Wir haben in dieser Woche unsere Meldung für die Saison 2005 abgegeben. Es gibt also überhaupt keine Probleme."#w1#
Frage: "Werden Sie das einzige Privatteam neben Sauber sein?"
Stoddart: "Ich denke, dass es auch bei Jordan keine Schwierigkeiten geben wird und sie an unserer Seite stehen werden. Sie stehen kurz davor, mit Toyota eine Einigung über die Lieferung von Motoren zu erzielen. Das ist der entscheidende Punkt. Außerdem bin ich guter Dinge, dass es 2005 ein neues Jaguar-Team geben wird."
Drei Motoren-Möglichkeiten für Minardi
Frage: "Motoren sind in der Tat ein entscheidender Faktor. Was für Aggregate haben die Minardi-Fahrzeuge 2005 im Heck?"
Stoddart: "Die Sache gehen wir ganz beruhigt an. Es gibt drei Möglichkeiten: Es existiert ein geltender Vertrag mit Cosworth, der dann auch für die neuen Besitzer bindend wäre. Wir haben außerdem den Motor aus diesem Jahr und den Motor aus dem Jahr 2001 als Alternative. Alles ist also unter Kontrolle. Es muss uns theoretisch niemand beliefern. Die Frage ist für 2005 nur, welche der drei Möglichkeiten wir einsetzen werden."
Frage: "Wie bewerten Sie den Rückzug Fords aus der Formel 1?"
Stoddart: "Der Ausstieg hat die Formel 1 in einen Schockzustand versetzt. Ich nehme Ford die Gründe für den Ausstieg ab. Niemand kann ein solches Unternehmen zwingen, weiterzumachen. Aber vielleicht hat gerade diese Ankündigung dazu geführt, dass wir in Brasilien näher zusammengerückt sind."
Frage: "Sie spielen auf die Initiative der neun Teams zur Kostensenkung an. Hätte es die ohne den Rückzug Fords nicht gegeben?"
Stoddart: "Es war ein Weckruf für alle, dass sich einer der größten Automobilhersteller der Welt zurückzieht. Natürlich ist es bedauerlich, aber wie nach allen Katastrophen kann sich danach vielleicht etwas Gutes entwickeln."
Frage: "Sie haben zur Saisonmitte Ihren Hauptsponsor 'Wilux' verloren. Wie sehr hat Sie die Trennung finanziell getroffen?"
Stoddart: "Das kam für uns völlig unerwartet. Wir haben diese Einnahmequelle im weiteren Saisonverlauf nicht ersetzen können. Deshalb war es nicht gerade das Beste, was uns passieren konnte. Für Formel-1-Verhältnisse war der Deal allerdings vom Umfang sehr gering. Es ging um viel weniger Geld, als die meisten Leute annahmen."
Stoddart: Ferrari "muss" die Reformvorschläge annehmen
Frage: "Wie lässt sich die finanzielle Situation von Minardi beschreiben?"
Stoddart: "Es geht uns vielleicht sogar ein wenig besser als in den vergangenen Jahren. Die Sache ist prinzipiell aber ganz simpel: Wir operieren einfach mit einem sehr kleinen Budget. Darum müssen wir jeden Pfennig zwei Mal umdrehen."
Frage: "Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Initiative zur Testbeschränkung?"
Stoddart: "Es ist der absolut richtige Schritt, allerdings zur absolut falschen Zeit. Hätten wir diesen Vorschlag schon zur Saisonmitte gemacht, wäre die FIA nicht gezwungen gewesen, das Regelwerk zu verändern. Max Mosley musste es schließlich tun, weil sich die Teams nicht einigen konnten. Ich hoffe, die Initiative ist nur der Anfang. Es wird nächste Woche ein weiteres Meeting der Teamchefs geben, auf dem es weitergehen muss."
Frage: "Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Ferrari dem Vorschlag anschließen wird?"
Stoddart: "Sie müssen es einfach. Sehen Sie sich doch einmal um. In fast allen Bereichen ist eine 90-Prozent-Mehrheit bindend. Neun von zehn Teams, gemeinsam mit Bernie Ecclestone, sind der Auffassung, dass bei den Testfahrten die größten Einsparungen zu erzielen sind. Kontrolle über die Testfahrten bedeutet Kontrolle über die Kosten. Auf diese Weise wird es leichter möglich sein, in der Formel 1 Erfolg zu haben. Das dürfte auch die Anwesenheit der Hersteller sichern."
Frage: "Wir haben bereits über die Motoren für 2005 gesprochen, aber wie sieht es mit den Chassis aus? Werden wir schon in Australien einen neuen Minardi sehen?"
Stoddart: "Der Zeitpunkt wird davon abhängen, für welche Motoren-Möglichkeit wir uns letztlich entscheiden. Nutzen wir den diesjährigen Motor, dann bringen wir auch das diesjährige Chassis an den Start. Bei einem neuen Motor, muss auch das Chassis neu sein. Bei der 2001er-Variante würden wir ein modifiziertes Chassis einsetzen. Wir sitzen hier in der Zwickmühle und können erst weiterplanen, wenn eine Entscheidung bezüglich der Motoren gefallen ist. Es ist auf jeden Fall immer möglich, das alte Auto noch bei den ersten drei oder vier Rennen einzusetzen."
Minardi-Verkauf ist immer möglich
Frage: "Fürchten Sie keinen Einspruch der Konkurrenten, wenn Ihr Chassis nicht dem neuen Regelwerk entspricht?"
Stoddart: "Wir haben bereits um eine Ausnahmeregelung gebeten. Ich wäre sehr enttäuscht, wenn sie nicht auf Zustimmung trifft. Das wäre nicht im Sinne des Sports."
Frage: "2006 wollen gleich zwei neue Teams an den Start gehen. Werden es Dubai F1 und Midland F1 schwer haben?"
Stoddart: "Ich bin völlig überrascht, dass sich die Geldgeber hinter den neuen Teams entschieden haben, komplett neu einzusteigen und nicht einen bestehenden Rennstall zu kaufen. BAR hat eine Viertelmilliarde Dollar ausgegeben, um konkurrenzfähig zu sein. Sie hatten eine gute Mannschaft, den 97er Weltmeister im Cockpit und wollten schon ab dem ersten Rennen gewinnen. Daraus wurde nichts. Toyota fing mit einem Budget von einer Milliarde Dollar für ihr Debütjahr an - und lag am Saisonende 2002 hinter Minardi. Es geht nicht ums Geld, wenn ein neues Team aufgebaut wird. Man muss Erfahrungen sammeln. Der richtige Weg ist es, ein gut funktionierendes Team zu übernehmen. Als Ford Stewart kaufte, gab es keine Performance-Probleme, genauso wenig bei der Übernahme von Benetton durch Renault."
Frage: "Hätten Sie Ihr Team bei einer entsprechenden Anfrage verkauft?"
Stoddart: "Ich habe immer gesagt: Wenn jemand kommt, der Minardi weiter nach vorn bringen kann als ich, dann würde ich das Team abgeben."
Frage: "Es gab also keinen Kontakt zur Midland-Gruppe oder Vertretern aus Dubai?"
Stoddart: "Midland hat über eine dritte Partei kurzzeitig Verbindung zu mir aufgenommen. Aus Dubai kam keine Anfrage."
Baumgartners Punkt als "Motivation"
Frage: "Kommen wir zum Sportlichen. Was waren die Highlights für Ihr Team in der abgelaufenen Saison, was die Tiefpunkte?"
Stoddart: "Der Höhepunkt war natürlich Zsolt Baumgartners WM-Punkt in Indianapolis. Furchtbar war, als John Walton uns vor Silverstone verlassen hat."
Frage: "Wie sehr hat der plötzliche Tod Ihres Sportlichen Leiters das Team erschüttert?"
Stoddart: "Die Trauer war unbeschreiblich. Das war ja leider auch ein Grund für die Trennung von Wilux, nachdem wir uns entschlossen hatten, in Silverstone ohne Sponsoren-Aufkleber auf den Autos anzutreten. Wir vermissen John sehr."
Frage: "Was bedeutet der Gewinn eines WM-Zählers für Minardi?"
Stoddart: "Es ist nicht nur der finanzielle Aspekt, es geht vielmehr um Motivation. Die ganze Mannschaft hat dadurch einen großen Schub erhalten. Für uns ist ein Punkt so viel Wert wie für andere Teams ein Platz auf dem Podium oder ein Sieg. Es macht unglaublich viel Spaß, die Freude der Fans mitzuerleben, wenn Minardi einen Punkt gewinnt. Es jubeln sogar die Mitglieder der anderen Teams. Wenn Sie eine Umfrage machen würden, welches der beliebteste Rennstall hinter Ferrari ist, dann würden die Menschen sicher Minardi wählen."
Frage: "Mitte November versteigern Sie große Teile Ihrer Formel-1-Sammlung. Können Sie uns mehr über die Auktion erzählen?"
Stoddart: "Das wird wohl die größte Auktion in der Formel-1-Geschichte. Es stehen circa 6000 Artikel zum Verkauf, darunter komplette Formel-1-Autos, unzählige Motoren und viele Dinge mehr. Wir erwarten, zwischen fünf und zehn Millionen Dollar einzunehmen."
Frage: "Eine schöne Finanzspritze ..."
Stoddart: "Ja, das ist schon immens. Ich habe damals alle Reste von Tyrrell gekauft. BAR hatte sich nur das Startrecht in der Formel 1 gesichert, das eigentliche Team ging an mich. Außerdem werden wir auch fünf Arrows-Chassis, Tonnen von Ersatzteilen und das Copyright aus der Konkursmasse des Teams anbieten. Das wäre ganz sicher auch eine gute Grundlage für Midland oder Dubai F1."

