Stepney wieder in Italien - Chronologie der Ereignisse
Der mutmaßliche Ferrari-Spion Nigel Stepney ist "überrascht" über die Anschuldigungen gegen ihn - Copyshop-Verkäufer deckte den Skandal auf
(Motorsport-Total.com) - Unglaublich, aber wahr: Die "externe Quelle", die Ferrari vorige Woche auf die mögliche Spionageverbindung zwischen Chefmechaniker Nigel Stepney und McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan aufmerksam gemacht hat, war laut Informationen der angesehenen Londoner 'Times' ein Copyshop-Verkäufer!
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Die Schlinge um den Hals von Nigel Stepney wird immer enger...
Zum bisher Bekannten: Am 30. April trafen sich Stepney und Coughlan, schon seit ihrer gemeinsamen Benetton-Zeit vor 17 Jahren alte Bekannte, bei Testfahrten in Barcelona. Dabei dürfte Stepney seinem Kollegen im Konkurrenzteam ein etwa 700 Seiten starkes Dossier mit Ferrari-Informationen ausgehändigt haben. Dieser Sachverhalt scheint inzwischen bestätigt zu sein, auch wenn natürlich für beide Beteiligten die Unschuldsvermutung gilt.#w1#
Verkäufer im Copyshop wurde stutzig
Coughlan machte dann jedoch Mitte Juni offenbar einen entscheidenden Fehler, als er die brisanten Dokumente in einem Copyshop kopieren wollte, denn dem Verkäufer fiel laut 'Times' der Vermerk "geheim" ebenso auf wie das berühmte Cavallino Rampante, das springende Ferrari-Pferd auf gelbem Grund. Diese Version kursiert momentan unter britischen Journalisten im Fahrerlager und wird von Ferrari zumindest nicht dementiert.
Indes berichtet die italienische Nachrichtenagentur 'ANSA', dass Stepney nun wie angekündigt wieder aus seinem Urlaub auf den Philippinen zurückgekehrt ist. Offenbar ist der 47-Jährige schon seit ein paar Tagen in Europa, dennoch war er bei der gestrigen zweiten Hausdurchsuchung durch die Polizei nicht anwesend. Stattdessen war seine Anwältin Sonia Bartolini dabei, als die italienischen Behörden einige belastende Dokumentenordner und Computerdaten sicherstellten.
Stepney, gegen den Ferrari bei der Staatsanwaltschaft Modena wegen des Diebstahls technischer Informationen und wegen Sabotage - weiterhin steht ja auch die Affäre um das weiße Pulver in den Ferrari-Tanks vor Monaco im Raum - Anzeige erstattet hat, zeigte sich in einer ersten Reaktion laut 'Reuters' überrascht über die Anschuldigungen. Außerdem betonte er noch einmal, er sei sich keiner illegalen Handlungen bewusst.
Peinlicher Fauxpas bei den Silberpfeilen
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Ron Dennis behauptet, sein Team habe mit der Spionageaffäre nichts zu tun Zoom
Bei McLaren-Mercedes war die Spionageaffäre indes das bestimmende Thema während der Einweihung des neuen Motorhomes, die Teamchef Ron Dennis dazu nutzte, um auf die Unschuld und Integrität seines Rennstalls zu verweisen. Der sichtlich berührte Brite musste dabei mit den Tränen kämpfen. Witziges Detail am Rande: Den Gästen wurde anschließend ein Wein mit dem Etikett "Spy Valley" ausgeschenkt - "Tal der Spionage"...
Ein paar Stunden zuvor hatte Superstar Lewis Hamilton seine Donnerstags-PK abgehalten, in der natürlich auch einige Fragen zur Casa Stepney/Coughlan gestellt wurden. Einen möglichen Punkteabzug befürchtet der WM-Leader aber nicht: "Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird", winkte er ab - genau wie zuvor schon Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, der glaubt, dass McLaren-Mercedes im allerschlimmsten Fall Konstrukteurspunkte verlieren könnte.
Ansonsten hat Hamilton von der Sache nicht viel mitbekommen: "Als ich eine halbe Stunde frei hatte, habe ich im Internet ein bisschen gelesen und ich habe mich bei Ron erkundigt, aber ich hatte so viel Stress, dass ich gar nicht darüber nachdenken konnte. Das beeinflusst meine Arbeit nicht. Unterm Strich muss ich hierher kommen, ins Auto steigen und fahren", so der Brite, der ferner betonte, er habe Coughlan "nicht gut" gekannt: "Wir sind ein so großes Team..."
Die Chronologie der Spionageaffäre:
Ende Oktober 2006:
Stepney erklärt nach dem Saisonfinale in Brasilien, dass er definitiv weiterhin bei Ferrari bleiben möchte. Man habe sich bereits über seine neue Position innerhalb des Teams unterhalten. Insgeheim spekuliert der Chefmechaniker mit der Nachfolge von Ross Brawn als Chefstratege am Kommandostand - und teilt dem Team auch mit, dass er ansonsten nicht mehr in Maranello bleiben möchte.
Ende Januar 2007:
Stepney gibt dem britischen Fachmagazin 'Autosport' ein aufsehenerregendes Interview, nachdem ihm von Ferrari mitgeteilt wurde, dass er doch nicht Brawns Nachfolge antreten darf. Der Brite erklärt, er sei enttäuscht von der Teamführung, werde 2007 eine Auszeit nehmen und sich dann einen neuen Arbeitgeber suchen.
23. Februar 2007:
Ferrari - nach dem Verdauen des ersten Ärgers über das 'Autosport'-Interview, über das Stepney die Presseabteilung des Teams nicht informiert hatte, wie es sonst in der Formel 1 Usus ist - versöhnt sich mit Stepney und schafft für ihn eine neue Position innerhalb des Teams, nämlich die des Leistungsentwicklungschefs. Vorteil: Weniger Präsenz bei den Rennen und damit weniger Reisestress.
30. April 2007:
Stepney, offenbar immer noch frustriert, und Coughlan treffen sich am Rande der Testfahrten in Barcelona. Dabei übergibt Stepney dem McLaren-Chefdesigner ein 700 Seiten starkes Dossier mit Informationen und Skizzen über den F2007, das Setup, die Rennstrategie, die Organisation in Maranello und vieles mehr.
Mai 2007:
Stepney gibt Gerüchten zufolge geheime Handynummern von Ferrari-Kollegen an einen Honda-Headhunter weiter. Auch Stepney selbst steht in Vertragsgesprächen mit Honda-Teamchef Nick Fry und verspricht, einige Kollegen aus Maranello mitzubringen.
21. Mai 2007:
Sechs Tage vor dem Grand Prix von Monaco wird in den Ferrari-Tanks ein mysteriöses weißes Pulver gefunden. Verdacht: Sabotage!
Mitte Juni 2007:
Coughlan kopiert seine Ferrari-Dokumente in einem Copyshop. Der Verkäufer wird wegen der Geheimvermerke wegen des Ferrari-Logos stutzig. Auf diese Weise erfährt Ferrari erstmals von der Spionageachse zwischen Stepney und Coughlan.
18. Juni 2007:
Ferrari erstattet bei der Staatsanwaltschaft in Modena Anzeige gegen Stepney.
22. Juni 2007
Stepneys Haus in Serramazzoni wird von den italienischen Behörden durchsucht. Dabei wird belastendes Material sichergestellt - unbestätigten Gerüchten zufolge auch einige Ferrari-Lenkräder, die er eigentlich nicht hätte aufbewahren dürfen.
23. Juni 2007:
Stepney lässt aus dem Urlaub auf den Philippinen verkünden, er sei sich keiner Schuld bewusst: "Das ist eine Verleumdungskampagne!"
3. Juli 2007:
Ferrari entlässt den bisher nur beurlaubten Stepney. Fast gleichzeitig erklärt McLaren via Presseaussendung, man habe davon erfahren, dass ein "hochrangiger Mitarbeiter des technischen Stabs" Ferrari-Informationen erhalten hat. Dieser wird sofort beurlaubt. Wenig später stellt sich heraus, dass damit Coughlan gemeint ist, bei dem daraufhin ebenfalls eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird. McLaren erklärt "volle Kooperationsbereitschaft" mit den Ermittlern, der FIA und Ferrari und betont, Coughlan habe auf eigene Faust gehandelt.
4. Juli 2007:
Bei Stepney, der inzwischen aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, wird eine zweite Hausdurchsuchung durchgeführt. Wieder stellen die Behörden belastendes Material sicher, diesmal Dokumentenordner und Computerdaten. Am Nachmittag erklärt McLaren-Teamchef Dennis bei der Einweihung seines neuen Motorhomes in Silverstone, den Tränen nahe: "Meine Integrität ist mir wichtig - und die des Teams noch wichtiger!" Es habe sich nie geistiges Ferrari-Eigentum auf einem Silberpfeil befunden.
5. Juli 2007:
Stepney lässt via 'ANSA' ausrichten, er sei "überrascht" über die Anschuldigungen gegen ihn, pocht weiterhin auf seine Unschuld.