So knapp ist US F1 gescheitert

Ein Jahr nach dem Aus für US F1 erinnert sich Chad Hurleys Sonderbeauftragter Parris Mullins an seine gescheiterten Last-Minute-Rettungsaktionen

(Motorsport-Total.com) - Es ist etwas mehr als ein Jahr her, dass das US-F1-Team um Ken Anderson und Peter Windsor endgültig aufgegeben und seine Belegschaft in Charlotte entlassen hat. Eigentlich hätte der Rennstall 2010 neben HRT und Virgin in die Königsklasse einsteigen sollen, doch das Vorhaben scheiterte. Anschließend wurde US F1 gemeinhin als "Luftnummer" abgestempelt.

Titel-Bild zur News: Parris Mullins

Parris Mullins war jener Mann, der US F1 im Frühjahr 2010 noch retten wollte

Tatsächlich lief unter der Regie von Anderson und Windsor offenbar vieles schief, sodass sich im Frühjahr 2009 langsam ein Fiasko abzuzeichnen begann. Im August kam dann YouTube-Milliardär Chad Hurley als Investor an Bord, um das Ruder doch noch herumzureißen - schließlich hatten sich auch auf finanzieller Seite erste Abgründe aufgetan. Hurley benötigte erst einmal einige Monate, um den Ernst der Lage zu realisieren, und setzte dann seinen Freund Parris Mullins, einen leidenschaftlichen Autofan, als Sonderbeauftragten ein.

Dallara als letzter Ausweg

Mullins wurde schnell bewusst, dass mit Andersons und Windsors ursprünglich geplanter Struktur kein Blumentop zu gewinnen war. US F1 hatte wenige Monate vor dem ersten Grand Prix noch kein funktionstüchtiges Chassis, allerdings einen Motorenvertrag mit Cosworth. Also machte er sich auf, ein Chassis anzukaufen. Das gestaltete sich keineswegs einfach, doch mit Dallara schien sich eine Lösung abzuzeichnen. Der italienische Chassishersteller hatte vom ursprünglichen Auftraggeber Adrian Campos noch kein Geld gesehen.

Wie knapp US F1 damals dran war, jene Dallara-Boliden zu kaufen, die heute in den HRT-Farben unterwegs sind, verrät Mullins in einem Interview mit dem Blog 'F1 in America': "Ich war buchstäblich gerade in Parma, um mit Dallara über den Kauf der beiden Autos zu verhandeln, die Campos nicht bezahlt hatte, da beglich ihr Hauptinvestor Carabante die offenen Schulden und sicherte sich die Autos." Offenbar passierte dies just in dem Moment, in dem Mullins gemeinsam mit US-F1-Berater Günther Steiner im Dallara-Büro in Parma saß.

¿pbvin|512|3736||0|1pb¿"Mit Toyota konnte ich nichts machen, weil sie einen Vertrag mit Stefanovic hatten", fährt er fort. "Also zog ich eine Fusion mit einem der beiden in Betracht. Die Toyota-Option war sehr verlockend, denn wir wussten, dass das Auto nach aktuellem Formel-1-Standard, mit aktuellem Formel-1-Wissen und mit aktuellem Formel-1-Budget gebaut wurde - mit dem größten Budget in der Formel 1, um genau zu sein. Das konnte man von Dallara nicht behaupten. Wir wussten, dass das ein limitiertes Auto gewesen wäre, aber zumindest wären wir mal dabei gewesen."

"Die Toyota-Option, so verlockend sie auch war, war mit einigen Vorbehalten verbunden", erinnert sich Mullins. "Das meiste Equipment musste gemietet werden, weil es nicht zum Verkauf stand, und wir hatten zu dem Zeitpunkt schon eine Menge Geld für Motoren an Cosworth überwiesen. Sie waren nicht dazu bereit, uns das zurückzuzahlen. Den Toyota für Cosworth-Motoren umzubauen, war aber aus verschiedenen Gründen auch keine Option." Und weil ihm die Zeit davonlief, um diese Probleme zu lösen, musste US F1 schließlich zugesperrt werden.

Mullins' "absolut irre" Wochen

Für Mullins, davor Mitarbeiter eines Ferrari-Händlers in Silicon Valley (so hat er auch den Ferrari-Kunden Hurley kennengelernt), waren es "verrückte" Wochen, "absolut irre", wie er im Nachhinein lacht: "Die Situation änderte sich manchmal innerhalb einer Stunde und wir arbeiteten rund um die Uhr, um das Ding noch zu retten. Ich kann gar nicht sagen, in wie vielen Flugzeugen ich saß und ich wie vielen Zeitzonen ich innerhalb einer einzigen Woche war, geschweige denn innerhalb von mehreren Wochen..."

Chad Hurley

Chad Hurley engagierte Parris Mullins als Sonderbeauftragten für US F1 Zoom

Übrigens klagten Anderson und Windsor in jener Zeit oftmals über negative Kommentare von Bernie Ecclestone, die ihnen das Leben schwer machten. Dem Formel-1-Geschäftsführer war gedämmert, dass das US-F1-Projekt platzen könnte - und machte daraus auch in der Öffentlichkeit keinen Hehl. Die Drahtzieher vor Mullins sollen diese Aussagen dafür verantwortlich gemacht haben, dass wichtige Investoren abgesprungen sind. Mullins selbst betont jedoch, dass er mit dem 80-jährigen Briten nie ein Problem hatte.

"Die Leiter des Teams haben ihm nicht die Wahrheit über unser Team gesagt, also war er zurecht sauer", so Hurleys Vertrauter. "Meine Begegnungen mit ihm waren allesamt positiv und er hat sich immer Zeit genommen, sei es für ein Telefonat oder ein Meeting. Ich glaube, wenn die Leiter von US F1 früher auf ihn gehört hätten, dann wären wir jetzt vielleicht in der Formel 1 am Start, denn er hätte eine Lösung gefunden. Ob sie allen gefällt oder nicht, aber das ist es, was er am besten kann: Er findet eine Lösung."

Mullins selbst lebt inzwischen wieder in Kalifornien und hat derzeit eigenen Angaben nach mit keinem Formel-1-Projekt zu tun. Nach dem Ende von US F1 widmete er sich anscheinend den Plänen eines Geschäftskonsortiums, aus denen nicht mehr wurde als eine informelle Ankündigung. "Vergangenes Jahr habe ich mit einer Investorengruppe zusammengearbeitet, die ein existierendes Team übernehmen wollte", verrät er. "Das Timing hat aber nicht gestimmt, also haben sie den Abzug nicht gedrückt."