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  • 08.07.2010 11:40

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Weitere US-Gruppe will in die Formel 1

Exklusiv: Nach US F1 und Cypher sondiert nun ein neues US-Konsortium Möglichkeiten, wie man in die Formel 1 einsteigen könnte

(Motorsport-Total.com) - Fast so, als hätte das im Nachhinein betrachtet eher peinliche Scheitern von US F1 einen amerikanischen Formel-1-Hype ausgelöst, ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten in der Königsklasse des Motorsports derzeit so präsent wie schon lange nicht mehr. Denn nach US F1 bewirbt sich nun mit Cypher ein weiteres US-Team und ab 2012 soll in Austin ein US-Grand-Prix stattfinden.

Titel-Bild zur News: Parris Mullins

Parris Mullins sondiert Möglichkeiten für einen Formel-1-Einstieg

Doch damit nicht genug, hat 'Motorsport-Total.com' von einem weiteren US-Konsortium erfahren, das Möglichkeiten für einen Formel-1-Einstieg sondiert. Im Auftrag dieses Konsortiums stattete Parris Mullins dem Grand Prix von Kanada in Montréal einen Besuch ab. Mullins ist im Paddock kein Unbekannter, trat erstmals in Erscheinung, als er sich als rechte Hand von YouTube-Mitgründer Chad Hurley daran versuchte, US F1 in letzter Minute doch noch zu retten.#w1#

Hurley diesmal nicht involviert

Mullins vertritt diesmal jedoch seine eigenen Interessen und arbeitet zumindest im Moment ohne Hurley im Hintergrund: "Chad ist nicht involviert", erklärt er im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Ich bin für mich selbst hier, aber es stimmt, ich kann mir vorstellen, in Zukunft wieder mit ihm zusammenzuarbeiten, denn er hatte viele tolle Ideen. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Im Moment hat mein Besuch aber nichts mit ihm zu tun."

Der 27-Jährige ist schon seit seiner Kindheit glühender Motorsportfan: "Mein Vater war Streckenfotograf, daher verbrachte ich viel Zeit bei Rennen in Laguna Seca und Sears Point. Ich interessierte mich aber immer schon mehr für die Formel 1 als für NASCAR. Vor allem war ich schon als kleiner Junge ein Fan der Marke Ferrari, die auch eng mit der Formel 1 verbunden ist", gibt er mit leuchtenden Augen zu Protokoll.

Als Protegé des wohlhabenden Autosammlers Tom Price, der auch einige alte Formel-1-Boliden besitzt, stieg Mullins als 17-Jähriger ins Autogeschäft ein. Einige Jahre später traf er als Ferrari-Händler in Silicon Valley auf Hurley - eine Begegnung, die zu einer neuen Freundschaft und Geschäftsbeziehung führen sollte: "Er hat bei mir ein Auto gekauft und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, schließlich waren wir in etwa gleich alt."

Jetzt versucht er, mit einer neuen Finanzierung in die Formel 1 einzusteigen: "Die Rennen sind dieses Jahr sehr aufregend, so gesehen befindet sich der Sport in einem guten Zustand. Wir stehen allem offen gegenüber. Es muss keine Totalübernahme sein, solange wir die gleichen Ideen und Ziele haben. Das ist das Wichtigste", sagt Mullins und fügt an: "Solange nichts unterschrieben ist, möchte ich keine Teamnamen nennen."

Chad Hurley

Chad Hurley setzte Parris Mullins als seinen Formel-1-Beauftragten ein Zoom

Er stehe aber in Kontakt mit "mehr als einem Team" (Renault ist nicht darunter) und kann sich nicht vorstellen, sich bei der FIA um den 13. Startplatz zu bewerben. Wie schwierig es ist, ein komplett neues Team aufzubauen, hat Mullins während seiner Zeit bei US F1 gelernt, wo das Scheitern nicht an seinem Wirken lag, denn: "Mein Fokus im Team lag auf Fahrer- und Geschäftsentwicklung. Das waren nicht unsere Problembereiche, sondern das Problem war das Auto."

"Ich interessiere mich für alle Bereiche, also bin ich manchmal bis Mitternacht geblieben, einfach um den Jungs bei der Arbeit zuzuschauen. Manchmal habe ich sie zur Seite genommen und gefragt, wie es läuft. Ich sehe ja, wenn jemand den Kopf schüttelt", erinnert sich der Amerikaner und klärt auf, wie es zu den widersprüchlichen Medienberichten kommen konnte: "Intern wurde der Eindruck geschürt, dass alles halbwegs im Zeitplan ist, weil vieles an externe Zulieferer ausgelagert wurde."

"Aber als ich bei diesen externen Firmen nachgehakt habe, kam als Antwort nur: 'Wir können nichts tun, solange wir keine Pläne haben!' Da wurde mir klar, was die Realität ist. Das war Ende Dezember", so Mullins. "Ich habe ein Meeting mit Chad bei der CES in Vegas organisiert und ich habe ihm meine Sorgen anvertraut. Ich fädelte für ihn Treffen mit den Abteilungsleitern ein, sodass er sich selbst ein Bild machen konnte."

Geld wäre keine Lösung gewesen

Investor Hurley war klar, dass Ken Anderson und Peter Windsor ein Teil des Problems waren, aber die beiden rauszuschmeißen, stand nie zur Debatte und wäre gar nicht möglich gewesen. Außerdem: "Das Problem war, dass Chad sein gesamtes Vermögen reinstecken hätte können, aber das hätte auch nichts gebracht. Unser Problem war Zeit - und eine Zeitmaschine kannst du nicht kaufen. Denn zu jenem Zeitpunkt hätte auch ein Managementwechsel kein Auto mehr produziert", so Mullins.

Stattdessen sah er sich im Auftrag von Hurley nach Alternativen zum in Charlotte (nicht) gebauten Auto um: "Als ich von der Campos-Situation hörte, sah ich bei Dallara eine Möglichkeit", teilt er mit und bestätigt, dass Günther Steiner damals als unabhängiger Berater an Bord geholt wurde. Das Ziel war klar: "Wir haben versucht, nicht nur Chads Investment zu retten, sondern vor allem auch die 60 Angestellten."

"Aber Carabante folgte Bernies Rat, sein ganzes Geld in die Dallaras zu investieren, um sich diese zu sichern", erinnert sich Mullins. "Zu diesem Zeitpunkt waren wir auf eine Fusion aus. Zoran Stefanovic hatte mich vor meiner Reise zu Dallara kontaktiert und wollte fusionieren, denn er hatte keinen Startplatz. Dann kontaktierte mich plötzlich Carabante, der die Dallaras gekauft hatte, aber das machte einfach keinen Sinn. Er wollte, dass wir uns ins Team einkaufen, aber wir wollten eine Fusion."

US-F1-Fabrik in Charlotte

Das US-F1-Projekt ist inzwischen längst ein Relikt vergangener Tage Zoom

"Ja, er hatte Colin Kolles und Autos, aber wir hatten eine Fabrik, mit der wir zumindest Ersatzteile produzieren hätten können. Alles, was ich wollte, war die Erhaltung der Fabrik in Charlotte mit ihren Mitarbeitern sowie eine gewisse Kontrolle über Branding, Marketing und Merchandising", erläutert er. Nachdem diese Option vom Tisch war, kam Toyota ins Spiel: "Man hatte uns die Toyotas angeboten, bevor sie Stefanovic angeboten wurden."

Aber: "Mit Stefanovic unterschieden uns grundlegende Dinge, teilweise symbolischer Natur. Zum Beispiel wollte er unbedingt rote Autos haben. Nenn mich einen Traditionalisten, aber meiner Meinung nach sollte es nur zwei rote Autos geben, nämlich die beiden Ferraris. Er hatte einfach keine Richtung. Selbst wenn wir dieses Rettungspaket geschnürt hätten, wären wir vielleicht sogar schon heute gar nicht mehr hier. Du kannst halt nicht in den Sport kommen und die FIA verklagen..."

Mullins spielt damit auf das teilweise ungeschickte Verhalten von Stefanovic an, der sich quasi mit einer Klage gegen die FIA in der Formel 1 vorstellte, dann die Autos vom ungeliebten Toyota-Team kaufte und diese auch noch in der Farbe von Ferrari lackieren wollte. Zudem wollte Stefanovic unbedingt mit Hurley persönlich verhandeln, aber der schob Mullins vor. So wurde aus der im Raum stehenden Fusion zwischen Stefan und US F1 nie Realität.

Inzwischen ist US F1 längst auch offiziell gescheitert, die Überreste des Teams wurden kürzlich versteigert. Mullins ist aber bei allen negativen Erfahrungen, die er mit Anderson und Windsor gemacht hat, immer noch überzeugt: "Schade, dass es nicht funktioniert hat, denn es hätte funktionieren können", glaubt der 27-Jährige. Entscheidender Nachsatz: "Mit dem richtigen Management..."