• 02.07.2015 16:04

  • von Dominik Sharaf

Silverstone vor 38 Jahren: Die Geburtsstunde des Turbomotors

1977 ging Renault mit Jean-Pierre Jabouille als erstes Team überhaupt mit einem Turbomotor in ein Formel-1-Rennen - Die Erwartungen waren riesig, die Defekte auch

(Motorsport-Total.com) - Der Großbritannien-Grand-Prix 1977 war ein Meilenstein der Formel-1-Geschichte: Es war nicht nur das erste Rennen eines Renault-Werksautos, sondern auch das erste für einen Turbomotor. Jean-Pierre Menrath, ehemaliger Chef des Motorenprüfstandes der Sport-Abteilung des französischen Herstellers, war maßgeblich daran beteiligt, den RS01 in Silverstone zum Laufen zu bekommen. Er erinnert sich daran, dass damals nur 70 bis 80 Leute in Viry-Chatillon arbeiteten, und zwar an allerhand Projekten.

Titel-Bild zur News: Jean-Pierre Jabouille

Jean-Pierre Jabouille kam im Rennen nicht weit, dennoch war sein Debüt prominent Zoom

Es entstanden Motoren für den 24-Stunden-Klassiker in Le Mans, die Formel 2, die Formel 3 und schließlich auch für das Formel-1-Projekt. "Es war eine sehr stressige Zeit und ehe Le Mans über die Bühne war hatten wir nur rund 15 Leute", meint Menrath. "Das Auto war Anfang Juni fertig, rechtzeitig für Tests in Paul Ricard, Dijon und dann noch einen Silverstone zwei Wochen vor dem Rennen. Wir spulten 2.000 Kilometer ab, was damals zufriedenstellend war. Alles lief einigermaßen gut."

Menrath berichtet dennoch von einigen kleineren Problemen, die bei keiner Ausfahrt fehlten. Das verhagelte eine Rennpremiere in Frankreich: "Es gab einfach ein paar Risiken zu viel und der Druck war beim Heimrennen zu groß. Auch Großbritannien war ein ehrgeiziges Ziel, denn alles war neu: Wir hatten einen Turbomotor, den zuvor niemand an den Start gebracht hatte, ein neues Chassis, ein Team ohne Formel-1-Erfahrung, mit Jean-Pierre Jabouille einen neuen Fahrer und die neuen Michelin-Reifen."


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Sich in der Qualifikation einen Startplatz für den Grand Prix zu erkämpfen bedeutete, sich in einem Feld mit mehr als 30 Konkurrenten zu behaupten, um zu den 26 Glücklichen zu gehören. "Aber dankenswerterweise hatte uns Bernie (Formel-1-Boss Ecclestone; Anm. d. Red.) erlaubt, das Vor-Qualifying zu überspringen, weil es für Renault so wichtig war, das Rennen zumindest in Angriff zu nehmen", sagt Menrath, der am Freitag alle Hände voll zu tun hatte: Zwei Turbos gaben sofort den Geist auf.

Vorarbeit für Dominanz mit Williams

Immerhin lief am Samstag alles glatt, jedoch hatte die Angst vor Michelin als Neueinsteiger solche Wellen geschlagen, dass Konkurrent Goodyear eigens mit speziellen Qualifying-Reifen angerückt war. "Wir qualifizierten uns auf Rang 21 und hatten 1,3 Sekunden Rückstand auf die Pole-Position, was in Einklang mit dem stand, was wir angesichts unserer Laufleistung und Formel-1-Erfahrung erwartet hatten. Der Rennstart war in Ordnung, weil wir befürchtet hatten, dass der Motor stottert und wir von einem anderen Auto getroffen werden. Wir verloren aber nur einen Platz", blickt Menrath zurück.

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Jean-Pierre Jabouille fand zu seinem Rhythmus, aber dann zwang in ein defekter Einsatz im Kühler, der normalerweise die Luft sammelt und leitet, an die Box. "Wir haben den Wechsel schnell hinbekommen, aber dann verließ uns der Turbo. Später wurden sie viel besser, aber damals waren sie noch dafür bekannt, große Schwierigkeiten im Rennbetrieb zu verursachen. Wir waren bitter enttäuscht, weil wir fest von einer Zielankunft ausgegangen waren", hadert Menrath noch 38 Jahre danach.

Renault überarbeitete die Kühler und führte Modifikationen auch am Turbo durch. "Das stellte sich als simpel heraus", mit der frühere Prfüstand-Chef. "Wir haben gar nicht so viel am Motor gemacht. Die tiefen Einschnitte kamen später, als das Auto technologisch etwas aufwendiger wurde. In die Formel 1 einzusteigen war damals genauso hart wie heute, aber im Paddock wurden wir ernst genommen. Rückblickend waren wir zu grün hinter den Ohren, alles entwickelte sich so schnell und wir haben geglaubt, dass jede Neuerung uns sofort siegfähig machen würde. Tatsächlich wussten wir überhaupt nicht, welches Niveau es benötigte, um zu gewinnen. Als wir in den Neunzigerjahren mit Williams zurückkamen, kannten wir es genau."