Umjubelte Heimsiege, spektakuläre Crashes und immer wieder Regen: Das Beste des Grand Prix von Großbritannien
Der allererste Grand Prix der allerersten Formel-1-Weltmeisterschaft wird am 13. Mai 1950 in Silverstone ausgetragen. Die Strecke wird nach dem Zweiten Weltkrieg auf einem ehemaligen Militär-Flughafen errichtet. Ehrenhalber wird dieser erste Event einer Formel-1-WM auch als Grand Prix von Europa bezeichnet und sogar die Königsfamilie ist zu Besuch da.
Die Würdenträger sehen zusammen mit 200.000 Fans, wie 21 Fahrer aus neun Ländern um den Sieg des ersten WM-Laufs kämpfen. Neun von ihnen kommen aus Großbritannien. Nur elf Piloten sehen die Zielflagge, unter anderen fällt Juan Manuel Fangio mit einem Motorschaden aus. Schließlich gewinnt Giuseppe Farina im Alfa Romeo vor Luigi Fagioli und Reg Parnell im gleichen Auto.
Schon ein Jahr später wird in Silverstone 1951 erneut Geschichte geschrieben, und zwar italienische. Denn mit Jose Froilan Gonzalez holt erstmals ein Ferrari-Fahrer den Sieg bei einem Weltmeisterschaftsrennen. Er gewinnt vor Juan Manuel Fangio im Alfa Romeo und Luigi Villoresi, der ebenfalls einen Ferrari fährt.
1955 wechselt der Grand Prix von Großbritannien erstmals nach Aintree in den Westen Englands und mit Stirling Moss gewinnt zum ersten Mal ein Brite seinen Heim-Grand-Prix. Da es zwischen ihm und Teamkollege Fangio allerdings dermaßen eng zugeht, wird hinterher diskutiert, ob der Argentinier den Sieg nicht mit Absicht verschenkt habe, da ihm auch der zweite Platz ausgereicht hätte, um sich seinen dritten WM-Titel zu sichern.
Auch 1957 wird in Aintree gefahren und auch diesen Grand Prix entscheidet Moss für sich. Allerdings in wortwörtlicher Teamarbeit. Moss selbst hat seinen Wagen nämlich schon vorzeitig abstellen müssen. Weil Teamkollege Tony Brooks aber noch im Rennen ist, tauschten die beiden kurzerhand das Cockpit. Moss kann sich so wichtige WM Punkte holen und mit dem Team Vanwall holt erstmals ein britisches Auto den Sieg beim Grand Prix von Großbritannien.
Bis 1962 wechseln sich Silverstone und Aintree bei der Austragung des Grand Prix von Großbritannien unregelmäßig ab. 1960 hat Silverstone einen Todesfall zu beklagen. Während der US-Amerikaner Harry Schell hier im Bild 1956 nur Zeuge eines schweren Unfalls von Tony Brooks ist, ereilt ihn vier Jahre später ein tödliches Unglück, als er im Training unter nassen Bedingungen von der Strecke abkommt.
Zwar wird Jim Clark 1967 nicht Weltmeister (das gelingt ihm 1963 und 1965), aber mit seinem Sieg in Silverstone in diesem Jahr stellt er den Rekord von fünf Siegen bei einem WM-Lauf in Großbritannien auf. Und das als Brite! Bis heute kommt nur Alain Prost an diese Marke heran.
1973 gibt es in Silverstone die bis dahin größte Massenkarambolage der Formel 1. Bereits in der ersten Runde dreht sich Jody Scheckter und verwickelt acht weitere Fahrer in seinen Unfall. Andrea de Adamich zieht sich dabei mehrere Knochenbrüche zu, der Rest bleibt allerdings unverletzt. Es kommt zum ersten Rennabbruch der Königsklassen-Geschichte, die Pause dauert ganze 90 Minuten. Als Sieger geht Peter Revson vor Ronnie Peterson und Denis Hulme hervor. Vierter wird James Hunt in seinem Hesketh, der lange um den zweiten Platz mitkämpft.
Ein heilloses Durcheinander gibt es in Silverstone auch 1975. Das Rennen soll 67 Runden gehen, in der 19. fängt es an zu regnen und allein in der 56. Runde fallen elf Piloten aus, woraufhin das Rennen schließlich abgebrochen wird. Die zuletzt Ausgefallenen werden daher noch gewertet. Der Sieg geht an Emerson Fittipaldi.
Clay Regazzonis Dreher in der ersten Runde des Rennens in Brands Hatch 1976 führt zu einem weiteren Chaos bei einem Grand Prix von Großbritannien und auch zu einer Rennunterbrechung. Sie ermöglicht es James Hunt, der seinen McLaren ebenfalls beschädigt hat, wieder an den Start zu gehen und das Rennen auch zu gewinnen. Da er nach seinem Unfall aber eine Abkürzung zu seiner Box benutzt, wäre er eigentlich nicht startberechtigt gewesen. Die Rennleitung drückt zunächst nur wegen der energischen Forderungen der britischen Fans ein Auge zu. Nach Beschwerde von Ferrari wird Hunt aber nachträglich disqualifiziert und Niki Lauda zum Sieger gekürt.
Ein Jahr später gelingt Hunt aber der rechtmäßige Sieg in Silverstone. Es ist der erste Triumph nach seinem Titelgewinn 1976.
Von 66 Grands Prix in Großbritannien werden fünf in Aintree ausgetragen, zwölf in Brands Hatch und bislang 49 in Silverstone. Den Abschied als Formel-1-Austragungsort feiert Brands Hatch mit einem weiteren Chaos-Rennen. Massen-Crash in der ersten Runde, Karriere-beendende Verletzungen bei Jacques Laffite und eine eineinhalbstündige Rennunterbrechung ereignen sich, bis Nigel Mansell schließlich seinen ersten Heimsieg holt.
Mit seinem vierten Sieg bei einem Grand Prix von Großbritannien löst Nigel Mansell wohl die größten Begeisterungstürme aus. Das Rennen dominiert er, nachdem er sich in der ersten Runde gegen seinen Teamkollegen Riccardo Patrese durchgesetzt hat. Nachdem er die Ziellinien überquert, bricht dann die "Mansellmania" aus und zahlreiche Fans stürmen ihrem Idol auf der Strecke entgegen.
Michael Schumachers legendärer Sieg in der Boxengasse ereignet sich 1998 in Silverstone. Das Regenchaos verursacht eine Safety-Car-Phase, die Mika Häkkinen damals seinen dominanten Vorsprung und in weiterer Folge auch die Führung kostet. Die übernimmt Schumacher, welcher allerdings Alex Wurz überrundet, noch bevor die Autos nach der Safety-Car-Phase die Ziellinie überquert haben. Dafür setzte es eine Zehn-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe, die er in der letzten Runde antritt. Dabei fährt er auf der anderen Seite der Boxenmauer über die Ziellinie und gewinnt. Kein Wunder, dass das Ergebnis für viel Verwirrung sorgt.
Auf den legendären Sieg folgt jedoch ein Jahr Später der tragische Unfall. Mit über 300 km/h verliert Schumacher in der Stowe-Kurve die Bremsgewalt und steuert durch die Auflaufzone nur unwesentlich abgebremst direkt in die Reifenstapel. Dabei bricht er sich Schien- und Wadenbein und ist nach eigenen Angaben sogar kurz bewusstlos. Er fällt für sechs Rennen aus und kann nur noch an den letzten beiden Grands Prix der Saison teilnehmen.
Silverstone-Gewinner Rubens Barrichello nimmt 2003 nur eine Nebenrolle ein. Einen Tick spannender als das durchaus unterhaltsame Rennen ist nämlich der gefährliche Zwischenfall mit einem Flitzer, der von einem Streckenposten von der Störung des Grand Prix' abgehalten werden kann.
Viel bleibt von dem Renault 2004 in Silverstone nicht übrig. Aber immerhin klettert Jarno Trulli, der wegen einer gebrochenen Radaufhängung mit 250 km/h in einen Reifenstapel prallt und sich noch überschlägt, unverletzt aus seinem Auto.
Regen gehört ja eigentlich zu Großbritannien wie die Eau Rouge nach Spa. Auch 2008 schüttet es wieder wie aus Eimern, was zu zahlreichen Rennunfällen führt. Fehlerfrei bleiben einzig Lewis Hamilton und Nick Heidfeld, die auch in dieser Reihenfolge ins Ziel kommen und zusammen mit Barrichello als Überraschungsdrittem auf dem Podium stehen. Vor allem Hamilton setzt mit seiner Leistung ein Ausrufezeichen und die Weichen für seinen Weltmeistertitel.
2009 stehen die Zeichen auf Abschied, denn der Grand Prix von Großbritannien soll auf die Strecke von Donington Park verlegt werden. Weil es dort jedoch finanzielle Schwierigkeiten gibt, handeln die Silverstone-Verantwortlichen kurzerhand einen neuen Vertrag aus und sichern sich das Formel-1-Spektakel auch weiterhin.
Der Sieger dieses vermeintlich letzten Silverstone-Rennens ist im Übrigen Sebastian Vettel. Es ist erst der dritte Sieg in seiner bis dahin noch relativen jungen Formel-1-Karriere, aber bekanntlich sollen noch viele folgen.
Und bekanntlich folgen auch noch viele Auseinandersetzungen mit Teamkollege Mark Webber. 2010 dreht sich der Streit in Silverstone um einen Ersatz-Frontflügel, den man Vettel gewährt, obwohl er eigentlich Webber zusteht. Der Australier ist darüber nicht gerade glücklich, setzt seine Wut aber in einen Sieg um. Daraufhin folgt der berühmte Funkspruch: "Nicht schlecht für einen Nummer-zwei-Fahrer"
Paul Hembery wird schon gewusst haben, warum er schon freitags bei der Pressekonferenz zum Silverstone-Rennen 2013 fernbleibt. Er muss geahnt haben, dass ein stressiges Wochenende auf ihn zukommt...
Denn der Grand Prix ist jetzt schon als das Reifendrama von Silverstone in die Geschichte eingegangen. Mit Hamilton, Massa, Vergne und Perez platzt gleich vier Fahrern der gleiche Reifen, woraufhin das Rennen beinahe abgebrochen wird. Die Zwischenfälle lösen eine große Sicherheits-Diskussion aus.
In folgenden Jahren ist das Rennen in Silverstone fest in der Hand von Lewis Hamilton. Der Brite gewinnt sein Heimspiel von 2014 bis 2017. Dreimal wird er am Ende des Jahres auch Weltmeister.
Umjubelte Heimsiege, spektakuläre Crashes und immer wieder Regen: Das Beste des Grand Prix von Großbritannien