Sieg von "Hülk": Alonso, Vettel und Co. wollen nach Le Mans

Der Sieg von Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg bei den 24 Stunden von Le Mans bringt zahlreiche seiner Kollegen auf den Geschmack: Alonso beinahe schon 2015 am Start

(Motorsport-Total.com) - Mark Webber wechselte im Winter 2013/2014 aus der Formel 1 in die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC). Eineinhalb Jahre später startete Nico Hülkenberg parallel zu seinem Formel-1-Engagement beim Saisonhöhepunkt der WEC, den legendären 24 Stunden von Le Mans. Mehr noch: Hülkenberg fuhr bei seinem ersten Start beim Langstreckenklassiker an der Sarthe auf Anhieb zum Sieg. Zusammen mit Earl Bamber und Nick Tandy gewann er Le Mans im dritten LMP1-Porsche quasi aus dem Stand.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg

Findet Nico Hülkenbergs Le-Mans-Märchen schon bald Nachahmer? Zoom

Webber kann sich gut vorstellen, dass es naher Zukunft weitere Fahrer gibt, die entweder seinem eigenen Beispiel folgen und aus der Formel 1 in die WEC wechseln oder aber dem Beispiel von Hülkenberg folgen und beim WEC-Saisonhöhepunkt in Le Mans antreten. "Ich denke, die Fragen werden kommen, erst Recht in Richtung Nico, der ja noch aktiv ist", malt Webber ein Bild der aktuellen Stimmung im Formel-1-Fahrerlager.

Der Australier weiß, wovon er spricht. Schließlich hat sich Kumpel Fernando Alonso schon mehrfach bei ihm erkundigt, wie es denn in der WEC und speziell in Le Mans so zugeht. "Fernando, Jenson, Daniel Ricciardo... Sie alle fragen, wie es ist. Sie sehen sich die Rennen im Fernsehen an und stellen fest, wie sexy die Autos sind und wie schnell die Rennen sind. Das können sie einfach nicht ignorieren", betont Webber.

Alonso stand kurz vor Le-Mans-Teilnahme

"Ja, die Formel 1 mag noch immer die vermeintliche Königsklasse sein. Das ist auch in Ordnung, aber dem Langstreckensport wird inzwischen etwas mehr Interesse entgegengebracht", bemerkt Webber, langjähriger Formel-1-Pilot in Diensten von Red Bull und aktueller Porsche-Werksfahrer, der die 24 Stunden von Le Mans am vergangenen Wochenende gemeinsam mit Timo Bernhard und Brendon Hartley auf Platz zwei hinter dem siegreichen Trio Hülkenberg/Bamber/Tandy beendete.

Fernando Alonso

Alonso hätte um ein Haar ein Cockpit für Le Mans 2015 bekommen - klappt es 2016? Zoom

Alonso, der sich nicht nur bei Webber, sondern auch bei Hülkenberg regelmäßig über den aktuellen Stand der Le-Mans-Dinge erkundigt, redet nicht lange um das Thema herum. In der FIA-PK zum Auftakt des Österreich-Wochenendes der Formel 1 sprach Alonso davon, "sehr nah" an einem Le-Mans-Start 2015 dran gewesen zu sein. "Ich zog es in Erwägung, in Le Mans zu fahren. In Zukunft könnte ich das tun. Wann, weiß ich noch nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich in diesem Jahr sehr nah dran war. Vielleicht klappt es nächstes Jahr", so der Spanier.

Vettel bekundet Interesse: 24 Stunden lang Vollgas

Der viermalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel, der die Triumphfahrt von Hülkenberg/Bamber/Tandy am vergangenen Sonntag "sehr nah verfolgt" hat, ist allein beim Verfolgen der Live-Übertragung im Fernsehen auf den Geschmack gekommen. "Jeder glaubt, dass es die Leute in einem 24-Stunden-Rennen ruhig angehen lassen, weil das Rennen so lange dauert. Es ist aber toll zu sehen, dass die Jungs von der ersten Runde an über die gesamte Distanz Vollgas fahren."

Nico Hülkenberg, Sebastian Vettel

Vettel ist durch Hülkenbergs Triumphfahrt auf den Geschmack gekommen Zoom

"Als Rennfahrer sehnen wir uns doch genau danach, über einen langen Zeitraum Runde für Runde voll anzugreifen", spricht Vettel das aus, was er an der modernen Formel 1 zuweilen vermisst. So kommt der Ferrari-Pilot bezüglich der 24 Stunden von Le Mans zum Schluss: "Das wäre schon etwas, worüber man sich in Zukunft Gedanken machen könnte."

Ricciardo glaubt: Hülkenberg-Sieg öffnet Türen

"Ich glaube schon, dass mir das Spaß machen würde", sagt auch Daniel Ricciardo und offenbart: "Ich habe vom diesjährigen Rennen rund 18 Stunden gesehen, also eine ganze Menge. Das war wirklich cool. Klar, war es schön, mal ein Wochenende frei zu haben. Als ich aber die Jungs habe fahren sehen, dachte ich mir, dass es doch cool wäre, selbst zu fahren."

"Wenn wir doch einfach, wie die Fahrer früher, häufiger zwischen den einzelnen Kategorien hin- und herwechseln könnten", wünscht sich Ricciardo eine Lockerung der strikten Verträge, die motorsportliche Aktivitäten abseits der Formel 1 nur in den seltensten Fällen zulassen. Force India ist in diesem Fall eine Ausnahme.

"Glücklicherweise hat uns Nico richtig gut aussehen lassen. Jetzt scheint es für viele von uns möglich." Daniel Ricciardo

So glaubt Ricciardo an einen positiven Effekt des Hülkenberg-Triumphs. "Glücklicherweise hat uns Nico richtig gut aussehen lassen. Jetzt scheint es für viele von uns möglich. Vielleicht bekommen wir ja die Zusage von unseren Teams, es in Zukunft selbst einmal zu probieren", hofft der Australier in Red-Bull-Diensten.

Formel 1 und Le Mans parallel? Grosjean winkt ab

"Mit seinem Erfolg hat Nico vielleicht die Tür für andere Fahrer geöffnet", kann sich auch Romain Grosjean in den kommenden Jahren Le-Mans-Starts von Formel-1-Piloten vorstellen. Dass er selbst in absehbarer Zeit wieder an der Sarthe antritt, glaubt der zweifache Familienvater aber nicht: "Ich bin schon neidisch auf Nico. Er hat Le Mans gewonnen und damit das erreicht, wovon ich immer geträumt habe. Es war ein fantastisches Rennen von ihm, von seinen Teamkollegen und von Porsche. Ich selbst habe im Moment aber mit der Formel 1 und unserem Baby genug zu tun. Da werde ich nicht parallel auch noch in Le Mans antreten."

Anders als die meisten seiner Formel-1-Kollegen hat Grosjean bereits eine Le-Mans-Teilnahme hinter sich: 2010 saß er in einem in der GT-Klasse gemeldeten Matech-Ford. Das Debüt verlief bei weitem nicht so erfolgreich wie das von Hülkenberg. Grosjean und seine Kollegen Thomas Mutsch und Jonathan Hirschi fielen aus.

Felipe Massa kann sich einen Le-Mans-Start gut vorstellen, allerdings nicht unbedingt parallel zum Engagement im Grand-Prix-Sport. "Nach der Formel 1 haben sie dort die beste Kategorie mit den besten Autos. Die Autos sind ehrlich gesagt großartig, fast wie in der Formel 1", sagt der Brasilianer über die LMP1-Boliden aus der WEC und mutmaßt: "Vielleicht hat sich Hülkenberg so entschieden, weil er in der Formel 1 ein paar Schwierigkeiten hatte. Ich weiß es nicht. Wenn ich wechsle, dann wechsle ich vielleicht komplett und fahre die gesamte WEC-Saison."


Fotostrecke: Top 10: Formel-1-Piloten in Le Mans

Von einer kompletten WEC-Saison spricht Pastor Maldonado nicht. Gegen einen Start in Le Mans hätte aber auch der Venezolaner nichts einzuwenden. "Warum nicht? Wenn sich die Chance bietet, dann nehme ich sie gern an. Es ist eine tolle Strecke und ein interessantes Rennen. Speziell in diesem Jahr war das Level unglaublich hoch", schwärmt Maldonado.

Max Verstappens Traum: Vater-Sohn-Team in Le Mans

Max Verstappen geht noch einen Schritt weiter. Er würde die 24 Stunden von Le Mans am liebsten gemeinsam mit Vater Jos Verstappen in Angriff nehmen. "Ich würde in Le Mans gerne eines Tages mit meinem Vater fahren - in einem gemeinsamen Team. Das würde mir gefallen und ich denke, dass auch er es genießen würde." Der 17-jährige Niederländer hat somit den gleichen Traum wie Kevin Magnussen, muss aber eingestehen: "Derzeit ist das nicht mein Fokus. Für mich ist der Erfolg in der Formel 1 am wichtigsten."

Dass sich der junge Verstappen aber schon jetzt intensiv mit den Themen Le Mans und WEC beschäftigt, macht er mit folgender Aussage deutlich: "Ich glaube, es ist nicht so schwierig, in ein LMP2-Auto zu springen, aber im Grunde will man doch wie Nico LMP1 fahren. Derzeit ist es aber nicht der richtige Zeitpunkt für mich, das zu machen."

Max Verstappen, Jos Verstappen

"Double Dutch": Max Verstappen will Le Mans mit Vater Jos bestreiten Zoom

Kimi Räikkönen, der vor Jahren einen LMP1-Boliden von Peugeot testete, kann sich ebenfalls vorstellen, das berühmte 24-Stunden-Rennen einmal in Angriff zu nehmen. "Ich habe schon viele verschiedene Dinge ausprobiert und ich bin daran interessiert, es vielleicht in Zukunft einmal auszuprobieren. Dafür müssen aber einige Dinge richtig laufen. Zuerst einmal muss man in einem guten Team mit einem guten Auto sein, um überhaupt eine Chance zu haben. Ich habe mit Toni (GTE-Pilot Vilander; Anm. d. Red.) darüber gesprochen, aber ich möchte in den besten Kategorien fahren. Ich will aber nicht bei einem anderen Team fahren. Wenn Ferrari in Zukunft ein (LMP1-)Auto baut, dann mal sehen."

Kein Le-Mans-Interesse bei den Mercedes-Piloten

Während zahlreiche Formel-1-Piloten ihr Interesse an den 24 Stunden von Le Mans bekunden, wollen die beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg (noch) nichts davon wissen. "Das ist nichts, worüber ich mir Gedanken gemacht habe - überhaupt nicht", winkt Rosberg ab und begründet: "Ich bin voll fokussiert auf Mercedes." Deshalb sei für ihn an einen Le-Mans-Start in absehbarer Zeit nicht zu denken. "Ich kann mir aber schon vorstellen, dass es gigantisch ist. Es ist so ein legendäres Rennen, ein Mega-Event", sagt der amtierende Formel-1-Vizeweltmeister.

Weltmeister Hamilton setzt noch einen drauf. "Ich habe das Rennen nicht gesehen. Ehrlich gesagt kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, Le Mans jemals verfolgt zu haben. Es interessiert mich einfach nicht sonderlich. Klar, ich liebe Autos, aber das ist nichts, was ich schon immer hätte tun wollen. Ich plane auch künftig nicht in diese Richtung."

"Ich kann mich nicht daran erinnern, Le Mans jemals verfolgt zu haben. Es interessiert mich einfach nicht sonderlich." Lewis Hamilton

"Ehrlich gesagt habe ich nie darüber nachgedacht", sagt auch Williams-Pilot Valtteri Bottas und erklärt: "Ich denke, dass ich erst einmal in der Formel 1 bleiben werde und versuche, hier das Beste herauszuholen. Ich habe keine anderen Pläne."

Button glaubt: Hamilton und Co. werden Meinung ändern

Jenson Button allerdings glaubt, dass Hamilton und Co. ihre Meinung in ein paar Jahren ändern werden: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Fahrer nicht irgendwann in seinem Leben mal nach Le Mans gehen würde, um dort um den Sieg zu kämpfen. Vielleicht sagen sie jetzt nein, aber in zehn Jahren verändert sich eine Menge. Es ist ein großartiges Spektakel und ein fantastischer Event."

"Die Teilnehmer haben uns wieder einmal nicht enttäuscht. Jede Kategorie scheint hart umkämpft zu sein, was toll ist", schwärmt Button von der 83. Auflage des französischen Langstreckenklassikers und empfindet das Ende der Siegesserie von Audi als willkommene Abwechslung: "Für ein Team lief es nicht wie gewünscht, aber sie haben einen guten Job gemacht, dass sie so häufig hintereinander gewonnen haben. Jetzt ist es schön, einen weiteren großen Hersteller zu haben, der mit ihnen kämpft."

Jenson Button

Routinier Jenson Button: "In zehn Jahren verändert sich eine Menge" Zoom

Dass sich das Modell von Porsche, aktive Formel-1-Piloten parallel zu einer vollen Grand-Prix-Saison in Le Mans fahren zu lassen, durchsetzt, glaubt Button nicht unbedingt. "Es ist passiert, aber ich denke nicht, dass es wirklich funktioniert oder funktionieren sollte. Nico hat natürlich einen großartigen Job gemacht, wie auch seine Teamkollegen, aber sie sind nicht als A-Auto ins Rennen gestartet. Es war das Backup-Auto, aber das hat man nicht ohne Grund. Das Feld ist so talentiert, dass man alles geben muss. Man kann es nicht halbherzig machen."

Nasr peilt weitere Starts bei den 24 Stunden von Daytona an

Während sich die Mehrzahl der Formel-1-Piloten, nicht zuletzt dank des Triumphs von Nico Hülkenberg, auf Le Mans konzentriert, plant Sauber-Pilot Felipe Nasr in Zukunft mit weiteren Starts bei den 24 Stunden von Daytona. In den Jahren 2012 und 2013 war der Brasilianer beim US-Langstreckenrennen am Start, wobei er sein Debüt auf Anhieb mit einem Podestplatz krönte: 2012 errang Nasr zusammen mit Michael McDowell, Gustavo Yacaman und Jorge Goncalvez am Steuer eines Riley-Ford von Michael Shank Racing den dritten Platz.

"Ich liebe Daytona und würde dieses Rennen gerne wieder für ein Topteam bestreiten", gesteht Nasr und führt an, dass die Chancen durchaus vorhanden seien: "Die Türen sind offen. Ich werde Jahr für Jahr eingeladen, wiederzukommen. Wenn es sich nicht mit Formel-1-Terminen überschneidet, ist es ein Rennen, dass ich gerne wieder bestreiten würde." Auch terminlich stehen die Chancen gut. Die 24 Stunden von Daytona gehen alljährlich Ende Januar über die Bühne.

Felipe Nasr bei den 24 Stunden von Daytona 2012

24 Stunden von Daytona 2012: Felipe Nasr und Kollegen fahren auf das Podium Zoom

"Die Formel 1 hat für mich Vorrang, keine Frage. Doch in den zwei Jahren, in denen ich am Rennen teilnahm, tat ich das, weil es keine Überschneidungen gab. Im Januar ist normalerweise kein Fahrer auf einer Rennstrecke unterwegs. Zu dieser Zeit im Rennauto zu sitzen, kann nicht schaden. So bleibt man frisch", begründet Nasr seine speziell aus Sicht eines Formel-1-Piloten geschilderte Vorliebe für die 24 Stunden von Daytona.

Was die 24 Stunden von Le Mans betrifft, könnte es womöglich schon im Juni 2016 den einen oder anderen Formel-1-Piloten mehr im Starterfeld geben.