• 25.07.2013 21:34

  • von Rencken, Fischer & Nimmervoll

Sicherheitswahn Boxengasse: Aktionismus oder echte Hilfe?

Zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen wurden in den drei Wochen nach dem Nürburgring getätigt - nicht immer zum Verständnis aller Fahrer

(Motorsport-Total.com) - Das Boxengassenunglück vom Nürburgring hat das Sicherheitsdenken in der Formel 1 wieder in einen neuen Bereich gelenkt. Jetzt, wo mal ein etwas größeres Problem bei einem Boxenstopp aufgetaucht ist, sieht man Grund zum Handeln. Manche Ideen erscheinen sinnvoll, andere wie purer Aktionismus - und manche sind einfach etwas zwischendrin. Am heutigen Tag wurden noch einige zusätzliche Maßnahmen diskutiert. Einige wurden angenommen - zum Beispiel eine Strafversetzung bei losen Rädern - andere wurden hingegen abgelehnt.

Titel-Bild zur News: Boxen-Ampel

Die Boxenstopp-Ampel soll jetzt doch nicht erst nach einer Mindestzeit auf grün gehen Zoom

So wie das vieldiskutierte Thema einer festgeschriebenen Mindestzeit beim Boxenstopp. Als Argument galt dabei Fernando Alonsos loses Rad in Ungarn 2009 - damals hatten die Mechaniker durch das Nachtanken nämlich auch noch mehr Zeit zur Verfügung. Zudem würde eine erzwungene Langsamkeit nicht in die Königsklasse passen. "Ich sehe es etwas kritisch, wenn man die Boxenstopp-Zeiten vorschreiben würde", sagt beispielsweise Sebastian Vettel. "Es gehört mit zu der Faszination, die der Sport heute hat. Die Boxenstopps wurden eingeführt, dass mal etwas passiert."

Und auch für Jenson Button gehören die Boxenstopps, die nahe an der Zwei-Sekunden-Grenze rangieren, mittlerweile einfach zur Formel 1 dazu: "Es ist ein spannender Aspekt an diesem Sport", meint der Brite und sagt den Satz, der fast obligatorisch dazugehört: "Motorsport ist gefährlich. Das wissen wir alle." Eine Lösung für das Problem hätte er auch parat: "Ich würde sagen: Lasst uns wieder nachtanken, damit ist das Problem gelöst. Das hat viel mehr Spaß gemacht. Ich bin mir sicher, dass man auch das Nachtanken sicherer gestalten kann."

Doch wie immer gibt es auch Gegenmeinungen. Besonders bei Ferrari ist man von einer Zeitbegrenzung der Reifenwechsel begeistert - natürlich wegen der Sicherheit, und nicht, weil man Red Bull in diesem Fall hinterherhinkt. "Bei Boxenstopps um zwei Sekunden ist das Risiko eines Fehlers größer als zuvor", meint Felipe Massa und Teamkollege Fernando Alonso schließt sich an: "Wenn es eine Lösung gibt, um die Boxenstopp-Zeit zugunsten der Sicherheit zu verlängern, dann ist es für alle Teams gleich, und niemand wird dagegen sein."


Fotos: Großer Preis von Ungarn, Pre-Events


Doch scheinbar hat sich der Ferrari-Star da getäuscht, denn die Mehrheit lehnte diesen Beschluss nämlich wie erwähnt ab. Dafür hat der Automobilweltverband FIA andere Vorgaben durchgedrückt: Ab sofort darf auch in der Qualifikation und im Rennen die Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h (statt 100 km/h) in der Boxengasse nicht mehr überschritten werden. Das wiederum kann Massa nicht verstehen. "Ob das Auto nun mit 80 km/h oder 100 km/h herausfährt: Der Reifen ist sowieso schnell, wenn er vom Auto fliegt", sieht der Brasilianer darin keine Patentlösung.

Und auch Sauber-Pilot Nico Hülkenberg glaubt nicht, dass dieser Vorschlag den Unterschied macht. "Für uns im Auto macht das gar keinen Unterschied, außer dass es ein Vorteil ist, dass wir den Boxeneingang im Training besser trainieren können, weil die Geschwindigkeit jetzt in Training und Rennen gleich ist", zuckt er mit den Schultern. "Für die Strategen verschieben sich ein paar Sachen, denn 100 ist schon ein bisschen schneller." Das war es in diesem Fall aber auch schon.

Dafür macht die Regel für Sebastian Vettel wieder Sinn - anders als das Zeitlimit beim Boxenstopp: "Ich glaube, das stand ohnehin auf dem Plan. Es wurde auch schon öfter besprochen. Jetzt wurde es umgesetzt. Ich denke, das war die richtige Entscheidung", meint der Heppenheimer und findet Unterstützung bei Fernando Alonso. "Ich denke, dass es nicht schlecht sein kann, wenn die Geschwindigkeit verringert wird, denn es ist für alle Teams gleich, und für die Mechaniker ist das Risiko geringer", stimmt der Spanier seinem deutschen Rivalen zu.

Mark Webber

Künftig zieht ein loses Rad wie bei Mark Webber eine Strafversetzung nach sich Zoom

Und was sagen die Fahrer eigentlich dazu, dass Medienvertreter die Boxengasse während der Sessions verlassen müssen? Auch hier herrscht Uneinigkeit: Denn während Alonso zustimmt, dass manchmal zu viele von ihnen in der Boxengasse herumirren, winkt Massa ob der Maßnahme ab: "Wenn der Reifen nicht auf den Kameramann geknallt wäre, hätte er vielleicht einen Mechaniker erwischt." Die Probleme ließen sich dadurch noch lange nicht beheben.

Scheinbar kann man zu keinem Thema hundertprozentige Zustimmung erhalten, weshalb der Weltverband den Teams diese Regeln aufoktroyieren muss. Das scheint wohl der richtige Weg zu sein. "Ich vertraue der FIA, dass sie die richtigen Maßnahmen ergreift. Was sie bisher getan haben, ist schon ein Schritt vorwärts", lobt Nico Rosberg die Bemühungen der FIA und überlegt selbst, welche Aktionen man tätigen könnte. "Ich bin nicht sicher, ob etwas getan werden kann, um sicherzustellen, dass die Reifen nicht von den Autos fliegen..."

Vorerst lässt sich keine technische Lösung dafür finden, dafür schwingt die FIA wieder mit der psychologischen Keule: Jedem Team, das einen Fahrer mit einem nicht ordnungsgemäß befestigten Rad aus der Box losfahren lässt, winkt eine Strafversetzung um zehn Startplätze. Auch wenn der Fahrer nichts dafür kann, wird er dank des Teamfehlers bestraft. Ob das die Sicherheit letztendlich erhöht, darf auch bezweifelt werden. Doch ein Zeichen ist schon einmal gesetzt: Man hat die Sicherheitsprobleme im Visier. Mal schauen, welcher Bereich als nächstes in den Genuss neuer Regeln kommen darf...

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