powered by Motorsport.com

Shell freut sich auf 2014: "Können Ferrari Vorteil verleihen"

Warum Ferraris Sprit- und Schmierstoff-Lieferant Shell das neue Motorenreglement 2014 als große Chance sieht und wieviel der bessere Sprit ausmachen kann

(Motorsport-Total.com) - Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeiten Shell und Ferrari eng zusammen. Inzwischen liefert der weltweit agierende Mineralöl-Konzern weit mehr als nur Sprit an das italienische Traditionsteam: Man rüstet den Rennstall von Fernando Alonso und Felipe Massa auch mit Schmierstoffen sowie der Flüssigkeit aus, die zur Kühlung des Energie-Rückgewinnungssystems KERS benötigt wird. Übrigens: Neben Ferrari zählen auch die Motorenpartner Toro Rosso und Sauber zu den Shell-Kunden - allerdings müssen sie auf das exklusive Ferrari-Service des Konzerns verzichten.

Titel-Bild zur News: Cara Tredget, Shell

Shells Technologie-Managerin Cara Tredget feilt am Sprit für 2014

Wie in vielen Bereichen der Formel 1 gibt es auch beim Sprit enorme Restriktionen durch die FIA: Während früher teils sogar Raketenbenzin benutzt wurde, um die Boliden anzutreiben, handelt es sich beim aktuellen Formel-1-Sprit zu 99 Prozent um Benzin von der Tankstelle. Und dennoch werden keine Kosten und Mühen gescheut, um die Performance um eine Spur zu verbessern. Zumal mit der neuen, ab 2014 gültigen Motorenformel eine enorme Herausforderung bevorsteht.

"Der Motor wird sich stark unterscheiden - er ist viel kleiner, hat einen Turbolader", beschreibt Cara Tredget, Technologie-Managerin bei Shell, die neuen 1,6-Liter-Turbomotoren, die die 2,4-Liter-Sauger ablösen werden. "Wir glauben, dass diese Motoren recht unterschiedliche Bedürfnisse haben werden, was Sprit und Schmierstoffe anbelangt."

Der weite Weg zum neuen Sprit für 2014

Diesbezüglich arbeitet nicht nur Ferraris Motorenabteilung auf Hochtouren - auch im Shell-Technology-Center in Chester tüftelt man längst am perfekten Sprit-Cocktail. "Im Vorjahr haben wir Ferrari mit Proben von Sprit und Schmierstoffen ausgestattet, um sie in Maranello zu testen", verrät Tredget. "Erst vor zwei Wochen waren zwei Ferrari-Ingenieure in unseren Forschungs- und Entwicklungs-Einrichtungen, um die Fortschritte für 2014 zu besprechen und die nächsten Schritte zu planen."

In Chester und in Maranello ist die Aufbruchsstimmung spürbar. "Als Motoreningenieure sind wir über die neue Motorenformel sehr glücklich, denn sie stellt eine neue technische Herausforderung dar", sagt Matteo Binotto, Shell-Einsatzleiter bei Ferrari im Motoren- und KERS-Bereich. Nachsatz: "Eine, die wirklich herausfordernd ist."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Spanien


Seine britische Kollegin schlägt in die gleiche Kerbe. Auch sie sieht es positiv, dass man bei Shell nicht nur an Details feilen darf, sondern den Sprit aufgrund des neuen Motors grundlegend überarbeiten muss. Das bedeutet auch größeres Potenzial für Performancesprünge. "Wir glauben, dass wir in diesem Bereich signifikante Fortschritte machen können", bestätigt sie. "Wir können Ferrari mit unseren Produkten einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verleihen. Gleichzeitig gewinnen auch wir durch die Arbeit mit dem Motor für 2014 Kenntnisse über Sprit und Schmierstoffe."

Auch KERS-Kühlprodukte werden überarbeitet

Auch KERS wird 2014 in anderer Form eingesetzt werden - die Energiegewinnung wird dann nicht mehr nur auf den Bremsvorgang limitiert sein, wodurch auch das K (Kinetic) im Namen verschwindet. Die neuen ERS-Systeme werden auf Knopfdruck bis zu viermal so viel Zusatzleistung abrufen können wie die aktuellen Systeme.

Doch inwiefern wird sich dann die Kühlung des Energierückgewinnungs-Systems ändern? "Derzeit überarbeiten wir alle Sprit- und Schmierstoff-Produkte für den 2014er-Motor - das beinhaltet auch die KERS-Produkte", erklärt Technologiemanagerin Tredget - und bittet um etwas Geduld: "Wir befinden uns mitten in einem Entwicklungsprogramm, und daher ist es unmöglich zu sagen, inwiefern sich alles unterscheiden wird. Dieser Bereich wird gerade untersucht."

Wie die Zusammenarbeit zwischen Chester und Maranello läuft

Wer glaubt, dass Shell wegen des seit Jahren eingefrorenen Motorenreglements nun alle Kapazitäten auf die Entwicklung von Sprit und Schmierstoffen für 2014 konzentriert, der irrt. Gerade in Spanien feiert ein neues Spritgemisch bei Ferrari seine Premiere, auf das man offenbar besonders stolz ist. Kein Wunder, denn bis dahin musste man einen weiten Weg gehen. "Den Sprit, den wir hier einführen, entwickeln wir seit Monaten", gibt Binotto Einblicke. "Jetzt haben wir es geschafft. Es handelt sich nicht um eine geradlinige Arbeit, es ist ziemlich komplex und schwierig."

Doch welche Schritte sind bei der Entwicklung eines neuen Spritgemisches notwendig, bis es an der Rennstrecke in die Boliden getankt werden kann? Der Italiener erklärt den Arbeitsprozess: "Der Sprit wird bei Shell in Großbritannien im Labor erforscht und entwickelt - dann steht noch sehr viel Arbeit in Maranello auf dem Prüfstand bevor. Wir erhalten einige Varianten, die wir auf ihre wahre Performance und Effizienz testen müssen - wir müssen sie an unsere Anforderungen in Sachen Effizienz anpassen."

Fernando Alonso, Felipe Massa

In Spanien sollen die Ferrari-Boliden mit neuem Sprit besser laufen Zoom

Auch die FIA ist in den Prozess eingebunden, denn Unregelmäßigkeiten beim Sprit würden eine Disqualifikation nach sich ziehen. "Der Sprit durchläuft einen langwierigen Homologierungsprozess", so Binotto, "ehe er auf der Rennstrecke eingesetzt werden kann."

Eingefrorene Motoren: Sprit als Performance-Chance

Da das Motorenreglement eingefroren ist, und beim Auggregat bloß in Sachen Zuverlässigkeit und beim Einbau ins Chassis nachgebessert werden darf, kommt dem Sprit eine größere Bedeutung zu, obwohl man in diesem Bereich ebenfalls keine großen Sprünge machen kann.

"Innerhalb des Reglements liegt es an uns, die Performance des Motors zu maximieren", bestätigt Tredget. "Der Sprit besteht aus einer komplizierten Mischung aus hunderten von Komponenten. Wir können das Verhältnis ändern. Der Sprit muss aber als Ganzes optimiert werden - man kann die Komponenten nicht isoliert optimieren."

In der aktuellen Formel 1, wo die Leistungsdichte so groß ist wie selten zuvor, können Details den Unterschied machen. "Für uns ist es daher wichtig, uns um ein paar Prozent zu verbessern", erklärt Binotto die Entwicklungsstrategie. "Es handelt sich um kleine Verbesserungen - ein bis zwei Prozent. Es ist am Ende eine Detailfrage, und die Summe an Details macht dann den Unterschied im Vergleich zu den anderen."

Enorme Kosten und Mühen für eine Startposition

Doch welche Zeitgewinne auf der Rennstrecke ermöglicht ein besserer Sprit? "Es ist immer schwierig, den Vorteil in Zahlen auszudrücken", meint der italienische Shell-Mitarbeiter. "Ich glaube auch nicht, dass das notwendig ist. Sicher ist aber, dass es eine Frage der Optimierung ist, der Verbesserung des Basisprodukts, das uns zur Verfügung steht - und zwar, um einen sauberen Brennvorgang und den richtigen Output bei der Leistung zu gewährleisten."

Für ihn ist allein die Tatsache, dass man in einem aufwändigen Prozess weder Mühen noch Kosten scheut, um Vorteile zu erlangen, Beweis genug, dass ein "signifikanter Vorteil" erreicht wird: "Wir haben natürlich einen Vorteil bei der Rundenzeit. Hoffentlich ist der Vorteil groß genug, um in der Startaufstellung einen Platz weiter vorne zu stehen."