Senna: "Zu früh für konkrete Gespräche"

Bruno Senna im Interview: Wie er die Situation beim Nachzüglerteam HRT meistert, was er für die Zukunft plant und warum er gerne über seinen Onkel Ayrton spricht

(Motorsport-Total.com) - Mehr als 16 Jahre ist es her, dass "die Sonne vom Himmel gefallen ist", wie Gerhard Berger den Tod seines Freundes Ayrton Senna in Imola 1994 immer beschrieben hat. Der kleine Bruno, Ayrtons Neffe, war damals gerade mal zehn Jahre alt. Heute fährt er selbst Formel 1 und hält die Senna-Fahne in der Königsklasse des Motorsports hoch.

Titel-Bild zur News: Bruno Senna

Für Bruno Senna geht es darum, sich weiterhin in der Formel 1 zu halten

Doch bei HRT hat der Brasilianer nur selten Gelegenheit, sein Talent unter Beweis zu stellen, sodass er derzeit nicht um Podestplätze, Siege oder gar WM-Titel kämpft, sondern vielmehr ums nackte Überleben im Formel-1-Paddock. 'Motorsport-Total.com' traf Senna am Hungaroring zum Interview. In eben diesem erklärt er, warum er kein Problem damit hat, Fragen über Ayrton zu beantworten, und wie er sich noch viele Jahre in der Formel 1 halten will.#w1#

Große Chance in der Formel 1

Frage: "Bruno, meine erste Frage ist ganz einfach: Wie geht es dir?"
Bruno Senna: "Gut!"

Frage: "Ich hatte ehrlich gesagt auf eine etwas ausführlichere Antwort gehofft..."
Senna: "Im Ernst, es geht mir ganz gut. Es ist gut, in der Formel 1 zu sein."

"Ich glaube ehrlich gesagt, dass ich mich nicht so schlecht schlage." Bruno Senna

Frage: "Natürlich haben alle gewusst, dass es für die neuen Teams schwierig wird, aber hast du es so schwierig erwartet?"
Senna: "Ich habe dieses Jahr in der Startaufstellung eine andere Aussicht, als ich das aus der Vergangenheit kenne. Normalerweise stehe ich vorne, aber jetzt habe ich das Feld vor mir. Daran muss man sich gewöhnen. Aber ehrlich gesagt lerne ich viel und ich entwickle mich weiter - und darauf kommt es mir an. Ich muss das Beste aus der Chance machen, die mir gegeben wurde, und ich glaube ehrlich gesagt, dass ich mich nicht so schlecht schlage."

Frage: "Nach Ergebnissen zu streben, hätte in deiner Situation auch gar keinen Sinn. Konzentrierst du dich aus diesem Grund darauf, dich als Fahrer weiterzuentwickeln?"
Senna: "Natürlich versuche ich, die bestmöglichen Ergebnisse einzufahren, denn du weißt ja nie, was den anderen zustoßen wird. Einfach ins Rennen zu gehen und nicht alles zu geben, macht keinen Sinn. Man sollte immer mit Herz bei der Sache sein und alles geben, dann kann das vielleicht einmal zu einem guten Ergebnis führen. Okay, ein anderes Mal macht es womöglich keinen Unterschied, aber für mich und für das Team macht es sehr wohl einen Unterschied."

Keine Angst vor Herausforderungen

Frage: "Hättest du die Chance auch angenommen, wenn dir vor Saisonbeginn jemand prophezeit hätte, wie schwierig es wird, zum Beispiel auch mit dem Dallara-Chassis?"
Senna: "Absolut! Ich bin nicht hier, um eine leichte Zeit zu haben, denn in der Formel 1 ist es nie leicht. Also gibt es keinen Grund, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Man muss sie annehmen und daraus lernen."

Frage: "Ich schätze, das Gute an dieser Saison ist, dass du inzwischen nicht mehr so oft auf deinen verstorbenen Onkel Ayrton angesprochen wirst, nicht wahr?"
Senna: "Da täuschst du dich aber gewaltig!"

"Die Leute stellen immer noch Fragen über Ayrton, aber mit der Zeit wird das aufhören." Bruno Senna

Frage: "Wirklich?"
Senna: "Total. Alle fragen mich immer noch danach. Ich komme ja bei jedem Grand Prix zum ersten Mal in ein Land. Ich war schon mal hier in Ungarn und wurde auch schon interviewt, aber jetzt ist es ein anderes Szenario. Die Leute stellen immer noch Fragen über Ayrton, aber mit der Zeit wird das aufhören."

Frage: "Es muss doch eine surreale Situation sein, wenn alle über den Superstar Ayrton Senna reden und dich danach fragen, aber für dich ist oder war er ja ein Familienmitglied. Ist es nicht schwierig, darüber zu sprechen?"
Senna: "Eigentlich nicht. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Ayrton, sowohl professionell wie auch familiär. Für mich ist das ein angenehmes Thema. Klar, ich fahre jetzt Rennen, womit die Leute auch ihn identifizieren, aber gerade deswegen rede ich gerne darüber. Mich stört es nicht, Fragen über ihn zu beantworten."

Vertrag mit HRT nicht befristet

Frage: "Reden wir über nächstes Jahr. Hast du einen Vertrag?"
Senna: "Wie man's nimmt..."

Frage: "Ist dein HRT-Vertrag nur auf ein Jahr ausgelegt?"
Senna: "Der ist unbefristet. Ich kann dir nicht genau verraten, was drin steht. Ich habe einen Vertrag, aber es gibt keine genaue Definition."

¿pbvin|512|2996||0|1pb¿Frage: "Möchtest du gerne das Team wechseln, falls sich die Chance ergeben sollte?"
Senna: "Wenn man mir die Chance gibt, ein Weltmeisterauto zu fahren, warum sollte ich das ablehnen? Die Wahrheit ist aber, dass diese Cockpits nicht frei sind und dass ich noch viel Arbeit vor mir habe, bevor ich in ein solches Auto steigen und erfolgreich sein kann. Das Wichtigste ist im Moment, auf der Strecke gute Arbeit zu leisten und allen mein Potenzial zu zeigen - nicht zuletzt auch mir selbst. Dann schauen wir weiter, was in Zukunft möglich ist."

"Natürlich will ich für viele Jahre in der Formel 1 bleiben. Das ist mein Ziel. Die Schritte meiner Karriereplanung zielen darauf an, in immer konkurrenzfähigere Autos zu kommen. Wenn das bedeutet, dass ich bleiben sollte, dann werde ich bleiben. Wenn es bedeutet, dass ich woanders hingehen sollte, dann werde ich gehen. Da gibt es aber noch keine Entscheidung."

Schwieriger Poker um die Cockpits

Frage: "Sprichst du mit anderen Teams?"
Senna: "Es ist noch zu früh für konkrete Gespräche in Bezug auf 2011. Wie du weißt, sind viele Teams bereits zu. Es ist nicht so leicht, wie es vielleicht aussieht."

Colin Kolles und Bruno Senna

Mit dem als schwierig geltenden Colin Kolles kommt Bruno Senna gut aus Zoom

Frage: "Die Cockpits bei den vier Topteams sind bereits vergeben, bei Renault und Sauber stehen einige deutsche Fahrer Schlange. Es wird nicht einfach, aber das ist dir sicher klar, oder?"
Senna: "Stimmt, aber in der Formel 1 ist es nie einfach. Wenn du draußen bist, ist es noch schwieriger, aber auch innerhalb ist es schwierig, Optionen zu finden - es sei denn, du machst so einen überragenden Job, dass dich wirklich jeder will. Aber ich glaube, dass ich nächstes Jahr in der Formel 1 sein kann."

Frage: "Wie verstehst du dich mit Teamchef Colin Kolles?"
Senna: "Gut. Wir haben ein professionelles Verhältnis zueinander. Das erste Mal richtig getroffen haben wir uns erst am Jahresanfang, als er zum Team stieß. Ehrlich gesagt finde ich, dass er einen ziemlich guten Job gemacht hat, innerhalb so kurzer Zeit ein Team aufzubauen. Alle im Team kommen mit den Schwierigkeiten, die wir nun einmal haben, sehr gut zurecht. Zu beobachten, wie sich die Dinge in so einem Team entwickeln, finde ich ganz interessant."

Frage: "In Silverstone warst du im Rennen nicht am Start, dabei dachten am Donnerstagmorgen noch alle, dass du im Auto sitzen würdest. Wann hast du die Nachricht erhalten?"
Senna: "Das war am Donnerstag, ich glaube am Nachmittag."

Von der Pressesprecherin informiert

Frage: "Und wer hat dich informiert?"
Senna: "Ich habe von unserer Pressesprecherin eine E-Mail bekommen. Sie ist diejenige, die alle Informationen vom Team an die Fahrer ausschickt."

Bruno Senna

Zwei 16. Plätze waren bisher Bruno Sennas beste Formel-1-Ergebnisse Zoom

Frage: "Was war dein erster Gedanke, als du diese E-Mail gelesen hast?"
Senna: "Als Rennfahrer will ich natürlich jedes Mal im Auto sitzen, also war ich klarerweise unglücklich darüber, dass ich das Rennen nicht fahren durfte, denn deswegen bin ich schließlich hier. Aber es ist eine Teamentscheidung und manchmal ist man über Teamentscheidungen eben nicht glücklich. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Frage: "Es gibt Storys über eine E-Mail von dir. Möchtest du dazu etwas klarstellen?"
Senna: "Was das Team in der offiziellen Pressemitteilung gesagt hat, ist das, was passiert ist (verkneift sich ein Grinsen; Anm. d. Red.). Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Frage: "Steht es zu 100 Prozent fest, dass du alle restlichen Rennen fahren wirst?"
Senna: "Nichts ist hundertprozentig sicher. Wenn ich den Wecker überhöre, bin ich nicht an der Strecke, aber ja, ich glaube schon, dass ich für die restlichen Rennen einigermaßen sicher im Sattel sitze."

Kein Problem mit Yamamoto

Frage: "Kommst du gut mit deinen beiden Teamkollegen aus, insbesondere mit Sakon Yamamoto, der dir dein Cockpit weggenommen hat?"
Senna: "Ja. Im Sport ist es halt so, dass es Wettbewerb gibt. Wir kämpfen auf der Strecke gegeneinander, aber ich verstehe mich mit beiden sehr gut, besonders mit Karun, den ich schon lange kenne. Sakon ist in Ordnung. Wir kommen gut miteinander aus und es gibt keine Spannungen zwischen uns."

Frage: "Adrian Sutil hat mir einmal erzählt, dass er schon manchmal das Messer zwischen die Zähne genommen hat, wenn sein Auto nicht konkurrenzfähig war, um auf sich aufmerksam zu machen. Wenn es funktioniert, fein, wenn nicht, dann bist du zwar draußen, aber du verlierst bestenfalls einen 18., 19. oder 20. Platz. Siehst du das auch so?"
Senna: "Nicht wirklich. Ich fahre innerhalb meiner Grenzen."


Fotos: Bruno Senna, Großer Preis von Ungarn


"Klar, manchmal unterlaufen einem Fehler, wenn man über das Limit geht, aber ich versuche, so wenig Schaden wie möglich anzurichten und gleichzeitig die bestmögliche Leistung zu bringen. Normalerweise weißt du, wo dein Limit ist. Wenn du viele Unfälle baust, dann bist du wahrscheinlich über deinem Limit, was deinem Image in der Formel 1 überhaupt nicht hilft."

Frage: "In einem Team wie HRT ist es sehr schwierig, im Gespräch zu bleiben. Was unternimmst du, um den Teamchefs im Gedächtnis zu bleiben? Sprichst du regelmäßig mit manchen von ihnen, um ihnen deine Situation zu erklären?"
Senna: "Wir haben gute Kontakte zu vielen Leuten, was sehr hilfreich ist. Selbst bevor ich in die Formel 1 gekommen bin, kannten wir schon viele Leute im Paddock."

Gute Kontakte im Fahrerlager

"Zum Glück haben wir einen offenen Kanal, ein Netzwerk sozusagen, über das wir die Nachricht platzieren können, dass ich manchmal einen besseren Job mache, als man das von außen erkennen kann. Aber ehrlich gesagt ist es schon möglich, manchmal aufzufallen. Okay, man ist meistens hinter dem Rest, aber es ist nicht unmöglich, gute Leistungen zu bringen. Das ist mir zum Beispiel in Hockenheim gelungen - und ich hoffe, dass es mir dieses Jahr noch ein paar Mal gelingen wird."

Bruno Senna

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Frage: "Am meisten kannst du wahrscheinlich im Stallduell im Qualifying auffallen, oder?"
Senna: "Auch im Rennen. China war ein schwieriges Rennen, aber ich habe keine Fehler gemacht und war sehr schnell, besonders gegen Ende hin. Als ich in Hockenheim mit den Intermediates unterwegs war, waren meine Rundenzeiten ebenfalls stark. Du musst jede Chance nutzen, die sich dir bietet. Das ist schwierig, aber wann immer es möglich ist, musst du attackieren."

Frage: "Welche Pläne hast du für die Sommerpause?"
Senna: "Du hast vielleicht eine Pause, ich aber nicht! Ich fliege direkt nach Brasilien, wo ich viele Sponsoren- und Pressetermine habe. Von 13 Tagen sind zehn ausgebucht, also keine Pause."

Frage: "Wie viel Zeit verbringst du noch in eurem Strandhaus in Angra dos Reis?"
Senna: "Ich bin einmal im Jahr dort. Derzeit wird es gerade renoviert, daher fällt das dieses Jahr aus - leider, denn ich vermisse das Haus sehr!"

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