• 03.03.2014 17:53

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

"Schwer vorhersehbar": Die neue Technik gibt Rätsel auf

Wenn zwölf Testtage nicht genug sind: Lotus-Technikchef Nick Chester spricht über die Vorbereitung auf die Saison 2014, die den Neuerungen nicht gerecht wird

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 gibt sich neue Regeln. Aber offenbar nicht genug Zeit, um sich ausreichend darauf vorzubereiten. Das ist ein Eindruck, den man am Rande der Winter-Testfahrten bekommen konnte. Denn selten standen die Fahrzeuge der Teams so lange in den Garagen und selten waren bei Probefahrten derart viele Defekte zu beklagen. Die neue Formel-1-Technik gibt eben noch viele Rätsel auf.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Sorgenfalten auf der Stirn von Romain Grosjean: Noch läuft's nicht ganz rund... Zoom

Das ist aber nicht darauf zurückzuführen, dass die Neuerungen eine Nummer zu groß für die Ingenieure wäre, wie Lotus-Technikchef Nick Chester erklärt: "Es ist nicht so, dass wir all dies nicht gut genug verstehen würden. Wir haben vielmehr einfach zu wenig Streckenzeit gehabt. Wir wissen, wie der Antriebsstrang funktioniert, brauchen aber noch viel mehr Kilometer. So einfach ist das."

Kilometer, die die Teams vor dem Saisonauftakt am 16. März 2014 in Melbourne nicht bekommen werden. Und was das bedeuten könnte, will Romain Grosjean schon jetzt wissen. "Man wird Rauch und Flammen sehen, Autos werden ausfallen", meint der Lotus-Fahrer. "Ich nehme an, den Fans wird das Gefallen. Es sind eben gewaltige Regeländerungen. Das ist schon ziemlich extrem", so Grosjean.

Lotus fährt noch nicht in jeder Runde voll

Entsprechend tief sind die Sorgenfalten bei den Ingenieuren. Und so geht Chester sogar so weit, die ersten Rennen als erweiterte Testfahrten zu deklarieren. "Der Auftakt dürfte richtig schwierig werden", sagt er und spricht dabei bewusst nicht nur von seinem eigenen Team. "Etwa beim dritten Rennen sollten wir uns dann aber allesamt schon in einer viel besseren Position befinden." Also abwarten.

Zumal die neuen Autos bei Weitem noch nicht ausgereift sind (zur Test-Datenbank!). Lotus hat den neuen Antriebsstrang zum Beispiel "nicht in jeder Runde" voll belastet, wie Chester verrät. Und das ist sicher kein Einzelfall in der Formel-1-Boxengasse. "Ich denke, alle Teams machen sich gewisse Sorgen, wenngleich jeder sein Ding macht." Er sei zweifelsfrei davon überzeugt: "Jedes Team würde gern noch mehr testen."

Auch, um ein noch besseres Verständnis der neuen Technologien zu erhalten. Denn aktuell müssen sich die Piloten, so Chester weiter, auf Überraschungen gefasst machen: "Der Knackpunkt ist, wie gut das Chassis mit dem Antriebsstrang harmoniert und wie gut das Energie-Rückgewinnungs-System (ERS) funktioniert. Da kann der Fahrer manchmal nicht vorhersehen, was in der nächsten Kurve passiert."


Fotostrecke: Der Bahrain-Test aus Pirelli-Sicht

Zuverlässigkeit ist Trumpf beim Saisonauftakt

"Das System", so der Technische Direktor von Lotus, "macht eben nicht jedes Mal genau das Gleiche. Das macht es schwierig." Abgesehen davon, dass die Sache so auch nicht ganz ungefährlich ist. "Es liegt also in jedem Fall noch einiges an Arbeit vor uns", betont Chester. "Die Tests waren nützlich, um Daten zu gewinnen. Dadurch haben wir einige Ideen an der Hand, mit denen wir nach Melbourne reisen."

"Dort werden wir Fortschritte erzielen", meint der Brite und bringt es auf einen einfachen Punkt: "Entscheidend ist, das Paket als Ganzes zum Laufen zu kriegen." Was angesichts der vielen Neuerungen so schwierig ist wie nie zuvor in der Formel 1. "Überall gibt es noch etwas, was man im Hinblick auf die Zuverlässigkeit verbessern kann", erklärt Chester. "Das gilt sicher für alle Hersteller."

Romain Grosjean

Romain Grosjean und der neue Lotus auf der Formel-1-Rennstrecke in Sachir Zoom

Dabei geht es auch um scheinbar ganz banale Dinge. Wie zum Beispiel Startübungen. Damit hat sich Lotus bisher nicht beschäftigt, will dies und mehr im Freien Training beim ersten Rennwochenende nachholen. Reichlich spät, aber besser spät als nie, könnte man sagen. Solange es beim ersten Grand Prix des Jahres funktioniert. Doch das ist angesichts der geringen Testzeit nicht garantiert...