Schumachers ehemalige Teamkollegen erinnern sich
Was zeichnete Schumacher aus, wie war es um seine fahrerischen, technischen und menschlichen Qualitäten bestellt? Ehemalige Teamkollegen erinnern sich
(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher hat während seiner Formel-1-Karriere nicht nur die Königsklasse des Motorsports beherrscht sondern auch seine Teamkollegen. Sie alle standen schnell im Schatten des Deutschen, egal ob dies bei seinem Debüt war oder zu seinen erfolgreichsten Jahren bei Ferrari, wo er Eddie Irvine, Rubens Barrichello und Felipe Massa einzig die Hoffnung ließ, dass sie eines Tages auf Schumacher als Teamkollegen verzichten dürfen.

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Schumacher hat bei allen Teamkollegen einen bleibenden Eindruck hinterlassen
Nach seinem beeindruckenden Debüt 1991 im Jordan beim Großen Preis von Belgien wechselte das Nachwuchstalent zu Benetton, wo er Nelson Piquet in Rente schickte. Der Brasilianer erinnert sich an die damalige Zeit, als der Jungspund daher kam und neues Leben ins Team brachte.#w1#
Ein Jungspund schickt einen dreimaligen Champion in Rente
Piquet selbst hatte als dreimaliger Weltmeister das erreicht, was er in diesem Sport erreichen wollte, und wollte zudem sein Leben nicht mehr in Flugzeugen und Hotels verbringen.
Der heute 54-Jährige erinnert sich im Interview mit der 'motorsport aktuell' daran, dass der Kerpener schon damals "sehr schnell" gewesen ist. Er habe sofort gemerkt, dass nun für ihn die Zeit gekommen ist, in der ihn "die Jungen" überholen werden, weil diese "immer hungriger sind und mit viel mehr Ehrgeiz und Risikobereitschaft an ihre Aufgaben herangehen".
Ihn habe es anschließend "sehr beeindruckt" zu sehen, welche Karriere Michael Schumacher auf den Asphalt zaubern konnte. Der Brasilianer freut sich, dass er sowohl Schumachers erstes als auch sein letztes Formel-1-Rennen erleben durfte: "Michael hatte eine perfekte Karriere, sein Siegeswillen war enorm, dem hat er alles untergeordnet. Natürlich hat er dabei auch ab und zu Fehler gemacht, schließlich ist auch er nur ein Mensch."
Brundle wunderte sich über das "grenzenlose Selbstvertrauen"
Martin Brundle konnte 1992 als Teamkollege Schumachers vor allem in den Rennen achtbar mithalten. Als er dem Deutschen ein Jahr zuvor erstmals begegnet war, dachte er nicht daran, dass hier ein zukünftiger siebenmaliger Weltmeister am Werk ist.
Beeindruckt hat Brundle vor allem die Fitness, mit der Schumacher neue Maßstäbe setzte: "Er hatte schon damals dieses scheinbar grenzenlosen Selbstvertrauen, das dich als Stallgefährte mental beerdigen kann. Das ist nicht so aufgesetzt. Er ist wirklich so. Er hat das Glück, dass er kaum schwitzt, und so vermittelt er immer den Eindruck, als falle ihm alles ganz leicht."
Schumacher sei es entgegen gekommen, dass sich die Formel 1 zu dieser Zeit änderte, die Autos zuverlässiger wurden, in den Rennen somit von der ersten bis zur letzten Runde angegriffen werden konnte.
Mentale Duelle im Fitness-Raum
Als man gemeinsam in den Fitness-Raum zum Training ging, hatte Schumacher an allen Übungen seines britischen Teamkollegen etwas auszusetzen: "Das mentale Duell war bereits in vollem Gange. Zum Glück war ich bereits zu lange im Geschäft, um mich davon aus der Ruhe bringen zu lassen."
Doch es dauerte laut Brundle nicht lange, bis Schumacher das Team auf seiner Seite hatte. Allerdings hatte Schumacher Probleme, aufgrund seiner fehlenden Erfahrung das Auto so gut abzustimmen wie sein Teamkollege, zudem seien seine Starts schlechter gewesen, sodass ihn Brundle meist auf den ersten Metern überholte: "Das machte ihm ganz offensichtlich Probleme."
Die Dreistigkeiten des Rookies
Dies führte dazu, dass er seinen Teamkollegen in Budapest beinahe von der Bahn abdrängte, als er nach einem besseren Start vor ihm lag. Auch in Montreal, so erinnert sich Brundle, hatte er das schnellere Auto, dennoch blockierte Schumacher ihn Runde für Runde. Einige Jahre später entschuldigte sich Schumacher hierfür bei Brundle: "Man spürte, dass er das ehrlich meinte."
Seine stärkste Erinnerung an Schumacher ist aber jene an eine Besprechung im Team, als Schumacher einen Standpunkt vertrat, der falsch war, was er jedoch nicht einsah: "Ich traute meinen Ohren nicht, wie dieser Frischling die Dreistigkeit und das Selbstvertrauen hatte, gegen die gesammelten Argumente dieser Formel-1-Urgesteine anzutreten. Es zeigte mir, welch starken Charakter Michael hat."
Brundle stellte schnell fest, dass Schumacher "verflucht schnell" ist, auch wenn er in den ersten Rennen noch Fehler machte: "Mir wurde klar, dass es mir nicht leicht fallen würde, diesen Schritt ebenfalls zu tun. Michael ist intelligent und radierte einfach eine Schwäche nach der anderen aus."
Wie kurvt dieser Mann nur so schnell herum?
Bemerkenswert sei auch die Tatsache, wie oft Michael Schumacher mit den Einstellungen an seinem Auto spielt, so oft wie kein anderer Konkurrent. Bis heute rätselt Brundle über die Fähigkeit Schumachers, in den schnellen Kurven flotter unterwegs zu sein als er: "Ich musste gestehen, wenn ich das versuche, segle ich von der Bahn. Er hatte die Fähigkeit, sein Auto in gewissen Kurven haften zu lassen, die wir, ganz egal mit wie vielen Reifensätzen, nicht in so einem Tempo geschafft hätten."
Barrichello und sein Wasserträger-Schicksal
Rubens Barrichello war von 2000 bis 2005 Teamkollege von Michael Schumacher gewesen, "die Basis für innige Freundschaft war nie da", wie sich der Brasilianer erinnert. Seitdem man nicht mehr Teamkollege ist, sei der Kontakt beinahe komplett abgebrochen. Es sei nicht Schumachers Schuld gewesen, dass er sich im Team nicht mehr wohl fühlte.
Auch die Tatsache, dass die Saison sich in jedem Jahr zu Schumachers Gunsten entwickelte und er den Wasserträger spielen musste, sei nicht der Grund für seine Trennung gewesen: "Und dass er die Situation zu seinen Gunsten nutzte, um Rennen und Weltmeisterschaften zu gewinnen, das ist doch klar. In dem Geschäft macht keiner Geschenke."
Massa war der Schüler, der nun nicht mehr nachsitzen muss
Felipe Massa war in Schumachers letztem Jahr der "Wasserträger", hatte das Glück, dass er sein zweites Jahr als Stammfahrer bei Ferrari ohne Schumacher erleben kann, den er als "Genie der Rennstrecke" bezeichnet: "In meinen Augen ist er der kompletteste Fahrer. Er hatte einfach keine schwachen Seiten." Schumacher vereine alle Stärken, die andere Piloten nur auf einem Gebiet hätten.
Gelernt hatte der Brasilianer vor allem von der Übersicht, die Schumacher im Rennen behalten konnte. Schumacher habe genau gewusst, was im Rennen um ihn herum vor sich geht: "Das sind die Momente, wo er sich von anderen Piloten wohl am meisten abhebt - in schwierigen Situationen in den Rennen."
Der normale Mensch und Superstar
Menschlich sei Schumacher anders, als er oftmals nach außen hin dargestellt wird. Dies habe er zuletzt in Sao Paulo gemerkt, als ihn Schumacher nach seinem Sieg umarmte und gratulierte, obwohl der angehende "Früh-Rentner" sein letztes Rennen gern selbst gewonnen hätte: "Ich bin sicher, das war aufrichtig. Eigentlich war er das zu mir immer", so Massa gegenüber unseren Kollegen der 'motorsport aktuell'.
Beeindruckt hat Massa auch die Tatsache, dass Schumacher in Sao Paulo zu seiner Party kam, obwohl Schumacher selbst einige Freunde eingeladen hatte. Stattdessen schaute er samt Anhang vorbei und bedankte sich am nächsten Tag per Handy für die Einladung: "Das zeigt, dass er auf den Rennstrecken und in der weiten Welt zwar zum Superstar geworden, im Grunde aber ein ganz normaler, umgänglicher Mann geblieben ist."

