• 01.09.2005 19:32

Schumacher: "Habe im Prinzip alle Freiheiten"

Der Weltmeister spricht über seine Zukunft, die momentane Situation bei Ferrari, das Besondere in Monza und den Kampf um den WM-Titel

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Durch die Wechselgerüchte warst du zuletzt wieder vermehrt in den Schlagzeilen. Hat dich das eher genervt oder amüsiert?"
Michael Schumacher: "Eher amüsiert."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher hat keine Eile, über seine Zukunft zu entscheiden

Frage: "Beschäftigt man sich viel damit, oder wird das recht schnell abgehakt?"
Schumacher: "Das gehört zum Business dazu und es ist ja nicht so, dass ich alles zu hundert Prozent und eins zu eins mitbekomme. Ich lasse mich oft informieren, teilweise, weil ich selbst nicht die Zeit habe, mir die Zeitungen zu kaufen oder sie zu lesen oder was auch immer, aber es ist teilweise sicherlich amüsant mitzubekommen, was so für Gedankenspiele angestellt werden."#w1#

Frage: "Wie hast du darauf reagiert, als du die Gerüchte gehört hast?"
Schumacher: "Es gibt eigentlich nicht wirklich etwas, worauf man drauf reagieren müsste. Fakt ist, ich habe einen Vertrag bis Ende 2006. Und ich habe mir über Ferrari die Möglichkeit gegeben, zu entscheiden, ob ich bleiben möchte und wie lange ich bleiben möchte. Ich habe im Prinzip alle Freiheiten, die ich mir nur denken kann, und möchte sie natürlich auch in gewisser Hinsicht ein bisschen nutzen und möchte den richtigen Zeitpunkt treffen und abwarten, um mich für die Zukunft zu entscheiden, wie lange ich mit Ferrari weitermache, um das noch klar zu sagen. Und dann schauen wir mal, aber alles andere ist sicherlich weißes Papier, das gefüllt werden muss."

"Wir wissen, dass wir uns verbessern können"

Frage: "Also ist deine derzeitige Situation im Grund ganz einfach?"
Schumacher: "Ja, sehr einfach. Ich bin ein Ferrari-Fahrer und glücklich damit. Ich habe schon viele Male gesagt, dass ich im nächsten Jahr über eine Verlängerung entscheiden werde."

Frage: "Was treibt dich nach fünf Titelgewinnen in Folge an, wenn es einmal nicht so gut läuft?"
Schumacher: "Man muss das Auf und Ab beobachten, das wir in diesem Jahr hatten. Die jüngsten Ereignisse sind natürlich am prägendsten, das geht auch mir so. Wenn ich an die Türkei denke, dann war ich dort überhaupt nicht zufrieden. Wenn ich aber das gesamte Jahr anschaue, dann bin ich Dritter in der Fahrerwertung und Ferrari ist Dritter in der Herstellerwertung. Wir sind nicht dort, wo wir hinwollen, aber wir hatten unsere Aufs und Abs, und wir wissen, dass wir uns verbessern können. Wir wissen nur nicht, wann wir uns verbessern können, aber wir werden einfach weiterhin kämpfen. Andere waren über Jahre in der Situation, in der wir nun stecken, und sie sind dennoch motiviert."

Frage: "Bist du der Überzeugung, dass du im nächsten Jahr wieder an der Spitze fahren kannst?"
Schumacher: "Natürlich. Bridgestone ist hoch motiviert. Sie hatten in diesem Jahr Probleme, auch mit dem Druck, der auf ihnen lastete, aber ich bin sicher, dass sie einen Weg finden werden. Es dauert länger, als wir es uns gewünscht hätten, aber manchmal braucht das eben etwas Zeit. Aber ich bin zuversichtlich. Vom Auto her sind wir zwar nicht auf Augenhöhe mit McLaren, aber auch nicht weit dahinter."

Frage: "Wenn du so an Ferrari hängst, was macht diese Mannschaft für dich aus?"
Schumacher: "Sicherlich eine tiefe Freundschaft, die zu vielen Teammitgliedern und Mechanikern besteht. Dann die Atmosphäre, die Einzigartigkeit von Ferrari. Das sind sicherlich Dinge, die man anderswo nicht finden wird. Wir haben miteinander gelitten und haben miteinander gewonnen und haben uns zu jederzeit gegenseitig unterstützt."

Tifosi stehen auch weiterhin fest hinter Ferrari

Frage: "Kommen wir zu den Fakten: Mit der 'Deutschen Vermögensberatung' geht es vier Jahre weiter. Man könnte daraus schließen, dass du Lust hast, vier weitere Jahre in der Formel 1 zu fahren. Ist das so in Zusammenhang zu bringen?"
Schumacher: "Das kann unter Umständen in Zusammenhang gebracht werden, aber das Schöne ist, dass zur 'DV AG' eine tiefe Freundschaft besteht, zur ganzen Familie, wir uns auch immer wieder zwischendurch privat treffen und das Ganze auch über die Formel 1 hinaus sehen. Das heißt, die 'DV AG' und ich werden auch nach der Formel 1 weiterhin Partner bleiben und Aktivitäten zusammen führen. Also das kann man sehen wie man möchte, aber das ist sicherlich nicht nur auf die Formel 1 beschränkt."

"Ich habe nicht das Gefühl, dass wir im Stich gelassen werden" Michael Schumacher

Frage: "Gute Partner scheint es auch in Italien zu geben. Tut es gut, hier die Begeisterung der Tifosi zu erleben?"
Schumacher: "Das ist sicherlich schön, wobei ich das nicht unbedingt angezweifelt habe. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir im Stich gelassen werden, außer von unserer Konkurrenzfähigkeit, aber das liegt ja in unseren eigenen Händen."

Frage: "Gerade mit den Fans war heute viel los, auch in der Innenstadt von Mailand. Du bist mit dem Fahrrad über den Domplatz gefahren. Wie ist es, vor den eigenen Fans aufzutreten, wenn der Erfolg nicht mehr so groß ist?"
Schumacher: "Es wäre schade festzustellen, dass die Mehrheit der Fans nach so vielen erfolgreichen Jahren und einem Jahr des Nichterfolges nicht mehr hinter uns stehen würde. Auf der anderen Seite haben wir die Erfahrung schon gemacht, Ferrari hat 21 Jahre lang keinen Erfolg gehabt. Einige Jahre davon habe ich selbst miterlebt. Aber die Fans standen trotzdem hinter uns und haben uns den Rücken gestärkt und mit uns dann dennoch die Highlights gefeiert. Wir hoffen natürlich, dass wir an die wieder anknüpfen können - dieses Jahr sicherlich nicht, aber es gibt ja auch noch die Zukunft."

Frage: "In Italien wird die Strecke hier 'Pista Magica' genannt. Was macht diese Piste so magisch?"
Schumacher: "Die Atmosphäre und die Fans, die Hochgeschwindigkeit, das Rumpeln über die Schikane, die Kerbs, die Tradition."

Leise Kritik an der Strecke im Königlichen Park von Monza

Frage: "Hier gab es bei den Testfahrten wieder neue Geschwindigkeitsrekorde. Wird es hier langsam zu schnell?"
Schumacher: "Also die Formel 1 wird sicherlich ständig schneller, das ist einer normaler Prozess. Der wird sicher im nächsten Jahr so eingebremst, dass man schon ziemlich große Klimmzüge anstellen müsste, um da wieder schneller zu werden. Nächstes Jahr wird es sicherlich einen Schritt geben, nach dem wir mehrere Jahre brauchen, um da wieder an alte Resultate anknüpfen zu können - wenn überhaupt -, und insofern ist das eigentlich okay."

Frage: "Ist die 'Variante Roggia', die zweite Schikane, sicher genug?"
Schumacher: "Wir Fahrer kritisieren sie sicherlich schon etwas länger, kritisieren sie auch weiterhin und hoffen, dass sich irgendwann etwas tut. Die Ideallösung ist mit der ersten Schikane erreicht worden. Der Grund ist der, dass, wenn wir ein Bremsversagen, einen Reifenschaden oder sonst irgendeinen Defekt haben, der uns bei diesen Geschwindigkeiten nicht mehr zum Stehen kommen lässt, dann ist die erste Schikane schon sehr hilfreich für uns, weil wir nirgendwo einschlagen außer rechts und links in die Leitplanken. Im Prinzip aber fahren wir gerade aus, wobei uns in der zweiten Schikane irgendwann die Leitplanke vor der Nase steht und ich habe schon des Öfteren Bekanntschaft mit ihr gemacht. Ich bin der Meinung, dass es Möglichkeiten gibt, das zu ändern. Es ist schon viel darüber diskutiert worden, es ist uns auch schon zugesagt worden, dass man es tun würde - man hat nur vergessen, das Jahr dabei zu nennen."

Frage: "Hier in Monza kannst du auch die mathematische Chance auf den Titel verlieren. Wie bitter ist es, dass dies gerade hier in Monza passieren kann?"
Schumacher: "Das ist ja nur eine Bestätigung der Dinge, die wir seit ein, zwei Rennen wissen. Vorher war immer noch die Absicht da, das vielleicht irgendwie selber in die Hand nehmen zu können, aber wir schaffen es im Moment nicht, also ist die Konsequenz nun einmal das, was nun stattfindet, ob hier oder woanders ist dann Nebensache."

Frage: "In der Türkei warst du nicht konkurrenzfähig, vor diesem Rennen habt ihr hier getestet. Sind die Erwartungen etwas besser?"
Schumacher: "Ja, sicherlich etwas besser, es ist nicht ganz so schlimm wie in der Türkei. Aber auch nicht wirklich so, dass wir euphorisch werden können. Wir haben mit Sicherheit etwas verbessert, keine Frage. Wir haben die Aerodynamik angepasst, andere Reifen, aber das ist sicher nicht das, was wir brauchen."

Frage: "Wie verliefen die Testfahrten?"
Schumacher: "Ich habe irgendwo sehr schnelle Zeiten gesehen, die wir gefahren sein sollen. Aber das sind wir nicht. Wir waren einfach zu langsam und sahen nicht sehr konkurrenzfähig aus."

Frage: "Könnte sich das für das Rennen wieder ändern?"
Schumacher: "Wenn es keinen Regen gibt, dann nicht."

Frage: "Wie ist es, hier in Monza auf dem einzigen Kurs zu fahren, der nach wenig Abtrieb verlangt?"
Schumacher: "Letztlich benehmen sich die Autos besser als in der Vergangenheit. Sie sind wesentlich unkritischer zu fahren. Es scheint mehr Grip zu geben, das Handling des Autos ist gut. Man hat das Gefühl, man hätte ein besseres Auto."

Frage: "Waren die Autos in der Vergangenheit nervöser?"
Schumacher: "Ja, sehr nervös. Man war die gesamte Zeit über an der Grenze. Heute vergeben sie einem mehr."

Frage: "Wer wird in diesem Jahr Weltmeister? Ist der Kampf noch offen?"
Schumacher: "Es wird schwierig, das Fernando (Alonso) streitig zu machen."

Schumacher über Rossi: "Ich kenne seine Absichten nicht"

Frage: "Vielleicht noch eine Frage zu Juan-Pablo Montoya, der im WM-Kampf das Zünglein an der Waage spielen kann. Was macht dieser Mann falsch?"
Schumacher: "Im Moment hat er eigentlich eher blau-gelbe Farben an, oder? Was er falsch macht, das muss er selber rausfinden, da braucht man ihm keine Tipps geben."

"Es ist schon ein Unterschied, ob man bei Sauber oder bei Ferrari fährt" Michael Schumacher

Frage: "Mit Ferrari wird immer wieder MotoGP-Champion Valentino Rossi in Verbindung gebracht. Für wie wahrscheinlich hälst du es, dass er einmal dein Kollege oder Nachfolger werden wird?"
Schumacher: "Ich weiß nicht, ich kenne seine Absichten nicht. Ferrari ist in der Hinsicht absolut zuvorkommend, man bietet ihm an, wenn er Lust hat zu fahren und ein bisschen Spaß zu haben. Allerdings ist es nichts Ernstes, ich weiß aber nicht, inwiefern es für ihn einmal ein ernsthaftes Thema werden könnte."

Frage: "Wie schätzt du Felipe Massa, deinen nächstjährigen Teamkollegen, ein?"
Schumacher: "Wir kennen Felipe ja schon etwas länger. Er ist für uns einige Tests gefahren und ist seit Jahren bei Sauber unter Vertrag. Wenn man sich ansieht, wo er gestartet ist und wo er jetzt ist, dann war es eine ständige Verbesserungskurve. Ich denke, er leistet eine sehr gute Arbeit. Wo er genau steht, das müssen wir noch herausfinden, aber ich schätze ihn sehr hoch ein, er hat schon einige tolle Qualifyings und Rennen bestritten. Es mag sein, dass dies nicht offensichtlich war, denn er fuhr bei Sauber. Wenn man aber seine Details beobachtet, dann sieht man, wie gut er sein kann. Es ist schon ein Unterschied, ob man bei Sauber oder bei Ferrari fährt, aber er wird viel Unterstützung von uns bekommen, damit er das Beste geben kann. Das ist ja auch in unserem Interesse."

Frage: "Wärst du damit einverstanden, wenn dein Sohn eine Rennfahrerkarriere beginnen würde?"
Schumacher: "Es ist schwer vorstellbar, dass er in meine Fußstapfen treten wird. Wenn man sich vorstellt, welche Fragen ihm dann gestellt werden würden, oder der Druck, der auf ihm lastet, um aus meinem Schatten zu kommen. Es wäre eine schwere Last, ich würde ihn nicht dazu drängen, wenn er es nicht selbst möchte."

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt