Saisonanalyse Teil 31: Toyota
Lesen Sie im 31. Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr des Toyota-Teams
(Motorsport-Total.com) - Als Toyota 2002 in die Formel 1 eingestiegen ist, war die Philosophie des Projekts eine bescheidene: Mit Mika Salo und Allan McNish verpflichtete Teamchef Ove Andersson zwei doch relativ unbekannte Namen, und Gustav Brunner als Leiter der Technikabteilung wurde nicht etwa von Ferrari, McLaren oder Williams geholt, sondern von Minardi.

© Toyota
Jarno Trulli war schneller als "Schumi II", landete in der WM aber knapp hinter ihm
Nach zwei Aufbaujahren stellte sich im Sommer 2004 jedoch ein Umdenken im Hauptquartier im Kölner Stadtteil Marsdorf ein, sodass eine umfangreiche Umstrukturierung in die Wege geleitet wurde - erst musste Teammanager Ange Pasquali gehen, dann kündigte der in die Chassisabteilung versetzte Motorenmann Norbert Kreyer und schließlich wurde ab Shanghai auch noch Fahrer Cristiano da Matta zurück in die USA geschickt.#w1#
Gascoyne brachte nach Renault auch Toyota auf Vordermann
Mike Gascoyne, seit Dezember 2003 Technischer Direktor bei Toyota, formte das Ingenieursteam in Köln ganz gemäß des ihm vorauseilenden Rufs einer knallharten Bulldogge nach seinem Geschmack - und brachte die japanisch-deutsche Truppe damit endlich auf die Erfolgsspur. Dabei dürfte ihm entgegengekommen sein, dass der Windkanal, der als einer der modernsten in der Formel 1 gilt, endlich auch präzise Resultate auszuspucken begann.
Toyota griff nach drei sieglosen Jahren für 2005 tief in die Geldtasche, nahm neben Gascoyne - angeblich der mit Abstand teuerste Ingenieur des Grand-Prix-Sports - auch noch Jarno Trulli für sieben und Ralf Schumacher für geschätzte 14 Millionen Euro Jahresgage unter Vertrag. Zwar schaufelt man in Köln das Geld nicht unbedingt zum Fenster raus, doch der Vorstand in Japan lässt sich die Formel 1 mehr kosten als jeder andere Automobilhersteller.
Die Entwicklung des TF105, der bei der offiziellen Präsentation in einem spanischen Bahnhof noch nicht in seiner vollen aerodynamischen Pracht enthüllt wurde, setzte technisch auf den TF104B auf, der ab Saisonmitte 2004 viel versprechende Resultate eingebracht hatte. Rechtzeitig zum Saisonauftakt in Melbourne wurden dem neuen Auto dann obendrein noch ein modifizierter Frontflügel und ein verbessertes Bodywork verpasst.
Team ließ sich von enttäuschendem Auftakt nicht entmutigen
Dennoch setzte es zunächst eine Enttäuschung: Zwar qualifizierte sich Trulli im verregneten Albert Park mit Wetterglück für die erste Startreihe, doch im Rennen verpasste er als Neunter ebenso die Punkteränge wie Schumacher als Zwölfter. Das Team ließ sich davon nicht verunsichern und pochte auf die grundsätzliche Konkurrenzfähigkeit des Gesamtpakets, doch mit 0,8 (Schumacher) und 1,4 (Trulli) Sekunden Rückstand in den schnellsten Rennrunden war dafür einiges an Fantasie nötig...
Den Skeptikern wurde dennoch schon bei den Überseerennen das Maul gestopft, denn Trulli und Schumacher qualifizierten sich in Malaysia und Bahrain jeweils für die ersten drei Startreihen. Trulli setzte diese Performances auch im Rennen um, fuhr zweimal auf das Podium und etablierte sich somit als erster Verfolger von Renault und McLaren-Mercedes. Im teaminternen Duell hatte er zu jenem Zeitpunkt alles sicher im Griff, wenngleich Schumacher ebenfalls zweimal punkten konnte.
Nach einem eher unglücklichen Auftritt in Imola, als Trulli nach einem starken Qualifying wieder einmal seinem Ruf als Lokomotive gerecht wurde und mit langsamer Rennpace das halbe Feld hinter sich herzog, folgte rechtzeitig vor Barcelona das nächste aerodynamische Update: Mit neuem Unterboden war Schumacher erstmals schneller als sein Teamkollege, und im Rennen bestätigte er seinen Leistungsanstieg als Vierter. Dennoch kam Trulli wieder knapp vor ihm ins Ziel.
Trulli fuhr mit leeren Tanks eine "Show-Pole" in Indy heraus
Nach dem überragenden ersten Saisonviertel fiel die Performance der japanisch-deutschen Truppe langsam, aber stetig ab, wobei es nach wie vor regelmäßig für solide Resultate in den Punkten reichte. Beim Skandalrennen in Indianapolis, wo Schumachers Crash im Freitagstraining der Anstoß der Michelin-Affäre war, gab es sogar eine Pole Position, von der man allerdings noch heute munkelt, dass sie mit leeren Tanks erzielt wurde, weil Trulli sowieso nicht am Rennen hätte teilnehmen können.

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Erlösung in Ungarn: Endlich schaffte auch Schumacher den Sprung auf das Podium Zoom
Vor dem Grand Prix von Frankreich wurde nach langer Windkanalarbeit der Auspuffkamin freigelegt, um eine bessere Anströmung der Heckpartie zu gewährleisten, was dazu führte, dass 56 Tage nach Barcelona endlich wieder beide Toyota-Fahrer gleichzeitig Punkte sammeln konnten - Trulli als Fünfter, Schumacher als Siebenter. In Silverstone und Hockenheim sahen die rot-weißen Boliden anschließend freilich wieder nicht allzu gut aus.
Starker Auftritt und erstes Podium von Schumacher in Ungarn
Nachdem er zuvor viel Kritik eingesteckt hatte, konnte sich Schumacher am Hungaroring mit seinem ersten Podestplatz endlich ein wenig vom medialen Druck befreien - und Trulli steuerte als Vierter fünf Zähler zu insgesamt elf an jenem Wochenende bei. Mit sieben weiteren Zählern auf der völlig gegensätzlichen Hochgeschwindigkeitsstrecke in Monza robbte sich Toyota in der Konstrukteurs-WM sogar langsam an Ferrari heran.
Beim Regenrennen von Spa-Francorchamps profitierte Schumacher von einem glücklichen Händchen beim Timing seines ersten Boxenstopps, denn durch eine Safety-Car-Phase wurde er mitten in den Kampf um den Sieg gespült. Im Bestreben, endlich mal aufs Ganze zu gehen, zerplatzten seine Hoffnungen jedoch, als er zu früh den Wechsel auf Trockenreifen riskierte und dafür vom Wettergott gnadenlos bestraft wurde.
Immerhin erzielte der 30-Jährige in der Schlussphase die schnellste Runde im Rennen, wenngleich die zwei Punkte nicht einmal ein echter Trostpreis waren. Umso größer war im Nachhinein sein Ärger über die missratene Strategie, sodass er an die Presse ging und das Team öffentlich beschuldigte, die Entscheidung gegen seinen Willen getroffen zu haben. Seitens Toyota wurde dies natürlich als Lappalie heruntergespielt.
TF105B kam Schumacher eher entgegen als Trulli
Quasi als Versöhnungsangebot - wobei das eine mit dem anderen in Wahrheit natürlich nichts zu tun hatte - wurde rechtzeitig für die beiden letzten Grands Prix des Jahres in Suzuka und Shanghai eine B-Version des TF105 eingeführt, die eigentlich als konzeptionelle Vorgabe für den TF106 gedacht war. Der TF105B beinhaltete als wichtigstes Element eine komplett neue Vorderradaufhängung, mit der man Schumachers Fahrstil entgegenkommen wollte.
Die Rechnung ging auf: Der Deutsche fuhr in Suzuka mit Dreistoppstrategie auf die Pole Position und hätte auch im Rennen auf dem Podium landen können, hatte jedoch Pech mit der frühen ersten Safety-Car-Phase, die seinen Anfangsstint zunichte machte. Unterm Strich war daher nicht mehr möglich als Platz acht. Dafür schaffte er beim Saisonfinale in Shanghai mit einer cleveren Strategie als Dritter einen zweiten Podestplatz.
Trulli war mit dem TF105B schon bei den Testfahrten weniger glücklich, fühlte sich im Auto nicht mehr wohl, ließ sich aber von den Ingenieuren dazu überreden, es dennoch einzusetzen. Prompt landete er im Suzuka-Qualifying im Kiesbett, noch ehe er im Rennen von Takuma Sato abgeschossen wurde, und auch eine Woche später kam er über Startplatz elf nicht hinaus. Sonntags spielte er beim China-Grand-Prix überhaupt keine Rolle mehr.
Ohne Indy wäre Toyota 2005 drittbester Konstrukteur gewesen
Den dritten Platz bei den Konstrukteuren verfehlte Toyota schlussendlich um zwölf Punkte - und wenn man bedenkt, dass Ferrari in Indianapolis deren 18 geschenkt bekam, wäre wohl mehr möglich gewesen. Andererseits sollte ein solches Resultat für das Team mit dem größten Budget ohnehin Mindestanspruch sein. Immerhin wurde eine solide Basis für 2006 gelegt, denn nächstes Jahr wollen Trulli und vor allem Schumacher auf den WM-Titel losgehen.
Erwähnenswert ist übrigens auch, dass Toyota in der zurückliegenden Saison immerhin auf 16 Führungsrunden kam und mit einer Ausfallsrate von nur sieben Prozent das klar zuverlässigste Team war. Wenn der Technikteufel zuschlug, dann allerdings immer nur bei Trulli: In Montréal beendete ein Bremsdefekt seinen Sonntagnachmittag, während in Interlagos die Hydraulik den Dienst quittierte. Alle anderen Ausfälle waren selbst verschuldet.
Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

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Zum Vergrößern anklicken: TF105 vs. TF105B mit neuer Vorderradaufhängung Zoom
Marc Surer: "Der Toyota ist für mich der Ferrari der Zukunft! Das Auto, das vorne fährt, wird auch in den kommenden Jahren rot sein, aber eben ein Toyota, nicht mehr ein Ferrari. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie endlich gewinnen, denn sie haben das nötige Budget und sie haben auch einen Fortschritt gemacht. Natürlich wird es schwierig, auch den letzten Schritt noch zu machen, wie man zum Beispiel bei Renault gesehen hat, aber sie sind auf dem besten Weg und haben gute Voraussetzungen."
Hans-Joachim Stuck: "Von Toyota haben alle einen Grand-Prix-Sieg erwartet, den wir leider nicht gesehen haben, aber dank Ralf Schumacher und Trulli haben sie große Schritte nach vorne gemacht. Nur: Jetzt gibt es bald wirklich keine Ausreden mehr - 2006 muss der erste Sieg her! Dass sie auf Bridgestone gewechselt haben, macht für mich keinen Sinn. Mal sehen, was dabei herauskommt."
Statistiken zur Saison des Toyota-Teams:
Teamwertung: 4. mit 88 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 18 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Siege: 0 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 2 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 4,9 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 1 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 1.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Gefahrene Führungsrunden: 16 (Gesamtübersicht)
Ausfallsrate: 7,0 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 60 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 41.049 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 6 (Gesamtübersicht)

