• 23.07.2001 11:21

  • von Fabian Hust

Ross Brawn im Interview

Ross Brawn über die Geschichte von Ferrari, Ästhetik beim Design, die bisherige Saison und die kommenden Rennen

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Sonntag nahm sich Ross Brawn, der Technische Direktor des Ferrari-Teams die Zeit, das Ferrari-Festival in Brands Hatch zu besuchen. Bei Ferrari ist der Brite dafür verantwortlich, dass jedes Jahr ein hochmodernes und konkurrenzfähiges Auto auf die Beine gestellt wird, mit dem man in der Formel 1 um den WM-Titel fahren kann. Anlässlich des Festivals erinnert sich Brawn aber auch an die rund 50 Jahre, in denen Ferrari bereits im Motorsport mitwirkt: "Ferrari birgt viel Geschichte in sich, das merkt man sofort, wenn man nach Maranello kommt. Überall gibt es kleine Dinge, die einen daran erinnern, was Ferrari vor langer und noch nicht so langer Zeit erreicht hat. Man muss immer daran denken, dass ich gerade mit Leuten zusammenarbeite, die geholfen haben, drei WM-Titel in die Geschichtsbücher von Ferrari einzuschreiben - das ist etwas, das man nicht vergessen kann."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher und Ross Brawn

Brawn glaubt, dass Schumacher Häkkinen sehr hoch einstuft

Während sich Brawn einige der älteren Autos anschaut, die an der historischen Ferrari-Maserati Challenge teilnehmen, spricht Brawn über die Entwicklung von Rennautos, von dem funktionellen aber dennoch hübschen Design der frühen Einsitzer über den 1990er-Prost bis zum 1999er-Ferrari von Michael Schumacher, der ein paar Demonstrationsrunden dreht: "Wenn wir ein Auto entwerfen, dann versuchen wir, einen Sinn für Ästhetik im Hinterkopf zu behalten. Als man in den 70er-Jahren die Aerodynamik zu verstehen begann, dann veränderten sich die Autos stark, weil man ein Auto komplett im Hinblick auf die Aerodynamik designte. Die Autos wurden dadurch sehr eckig, weil es so viele Einschränkungen im Design gab. Aber wir versuchen, die Autos so schön wie möglich aussehen zu lassen, denn wir sind Enthusiasten, die gerne ein schönes Auto haben möchten. Das ist aber schwierig, denn schlussendlich zählt nur die Funktion und die bestimmt die Form vor dem Aussehen."

Der F2001 spaltete da zu Saisonbeginn bereits die Gemüter. Die einen fanden die "Hakennase" abscheulich, andere wiederum fanden die Front des neuen Autos mit dem geschwungenen Frontflügel fast schon freundlich anmutend: "Bisher hatten wir eine fantastische Saison. Michael ist in jedem Rennen außer Imola Erster oder Zweiter geworden. Wir haben in diesem Jahr ein sehr gutes Auto und es gibt keine Rennen, vor denen wir Angst haben müssen. Silverstone war schwierig, weil wir dort nicht sehr oft testen und ich denke, dass dies unser schwierigstes Rennen im Jahr war und das haben wir jetzt hinter uns. Wir freuen uns auf den Rest der Saison - sind aber vorsichtig."

Denn siegessicher kann man auf keinen Fall sein: "Über den verbleibenden sechs Rennen hängt immer noch ein Fragezeichen - sie entsprechen 60 Punkten in der Fahrermeisterschaft und so lange es noch nicht geschafft ist, können wir es uns nicht leisten, zu entspannen. Wenn wir unsere Gegner beurteilen, dann ist Williams auf Hochgeschwindigkeitskursen sehr stark. Wir haben gerade den Monza-Test beendet und Williams war dort ganz klar am schnellsten und ich bin mir sicher, dass sie in Hockenheim sehr stark sein werden. Leider hatte Michael am ersten Tag einen Unfall, aber mit Rubens denke ich, dass wir in guter Form sein sollten. Wenn Williams Punkte holt, dann ist das kein Grund zur Sorge für uns, da sie dann McLaren Punkte wegnehmen."

Und vielleicht nimmt sogar Mika Häkkinen seinem Teamkollegen David Coulthard den einen oder anderen Punkt weg: "Mika hatte bisher eine katastrophale Saison. Bis Silverstone hatte Mika Häkkinen nur neun Punkte und für einen Weltmeister ist es lächerlich, so weit in der Saison so wenig Punkte zu haben. Man kann sehen, wie ihn das beeinflusst. Es gab einige Rennen, da war er lustlos, aber dann hat er in Silverstone gezeigt, was für ein fantastischer Fahrer er ist. Ich denke, dass er im Moment der einzige Fahrer im Formel-1-Feld ist, den Michael als gleichwertig betrachtet."

Man darf wohl fest davon ausgehen, dass es in den nächsten Rennen wieder zum Duell Michael gegen Ralf Schumacher kommen wird: "Ich denke, dass sie durch ihre Beziehung manchmal in gewisser Weise abwägen. Ich kann ehrlich gesagt nicht sagen, wie sie das beeinflusst, aber wenn man mit seinem Bruder in einer Kurve um eine Position kämpft, dann muss das einen beeinflussen. Sie fuhren gegeneinander bisher immer sehr hart, ich denke nicht, dass einer der beiden etwas Dummes tun wird, aber ich bin mir sicher, dass wir viele Duelle zwischen den beiden vor uns haben!"

Für Ross Brawn war das Ferrari-Festival an diesem Wochenende gleich doppelt bedeutend, fand es doch anlässlich des 75. Geburtstags von Brands Hatch auf der selbigen Strecke statt: "Meine Karriere begann 1976, als Brands Hatch und Silverstone sich abwechselten und ich dort an einem Race of Champions teilnahm. Eine der Dinge, an die ich mich besonders erinnern kann war die Tatsache, dass ich auf dem Weg zurück nach Hause in London im Stau festhing - es war noch schlimmer als in Silverstone! Auf Brands habe ich mich gefreut - es war eine sehr harte Strecke, was das Setup des Autos angeht. Ich würde die Strecke als dreidimensionale Piste mit der 'Paddock' [blinde Rechtskurve am Ende der Geraden; d. Red.] und den Bergauf- und Bergababschnitten bezeichnen. Im Vergleich zu anderen Strecken wurde man hier mit verschiedenen Problemen konfrontiert, aus diesem Grund war es eine Herausforderung, das Auto richtig abzustimmen. Deshalb war ich glücklich, erneut mit dieser Strecke Bekanntschaft machen zu dürfen!"