• 20.01.2009 19:41

  • von Dieter Rencken

Rosberg: "Eine bessere Chance bekommen wir nicht"

Nico Rosberg setzt zu Beginn des Jahres auf die Ingenieurs-Qualitäten von Williams: "Viele Punkte und ein paar Podestplätze wären super"

(Motorsport-Total.com) - Williams hat schon im April 2008 alles auf die Karte 2009 gesetzt. Nun muss sich zeigen, ob man im Poker der neuen Autos tatsächlich die besten Karten hat. Nach der Vorstellung des neuen Williams FW31 in Portugal durfte zunächst Testpilot Nico Hülkenberg die ersten Runden drehen, bevor Nico Rosberg den Wagen am Dienstag bei schwierigen Wetterbedingungen übernahm. Bei einer Presserunde beschrieb der Deutsche seine Eindrücke, Hoffnungen und Vorbehalte.

Titel-Bild zur News:

Nico Rosberg hofft auf einen großen Sprung für das Williams-Team

Frage: "Nico, alle sprechen zurzeit über KERS. Werden es am Ende auch alle nutzen?"
Rosberg: "Alle Teams arbeiten mit Hochdruck daran, aber es ist schon eine komplexe und schwierige Aufgabe. Auch wenn es einige gut hinbekommen und es funktioniert, so ist es dennoch schwierig, einen entscheidenden Vorteil daraus zu ziehen. Es bringt halt auch einige negative Seiten mit sich, zum Beispiel das Eigengewicht und die daraus resultierende Gewichtsverteilung. Es wird interessant sein, welches Team wirklich einen Vorteil daraus holt in Bezug auf die Rundenzeit. Wir müssen es mal abwarten. Ich denke, insgesamt ist das eine tolle Geschichte für die Formel 1, solche Technologien zu entwickeln."#w1#

KERS muss noch warten

Frage: "Wird Williams KERS einsetzen?"
Rosberg: "Wir arbeiten hart daran, aber bisher ist es noch nicht bereit. Wir müssen mal sehen, wie es sich in den kommenden Monaten entwickelt. Wir wollen es so früh wie möglich einsetzen."

Frage: "Was erwartest du grundsätzlich von der Saison 2009?"
Rosberg: "Das ist schwierig zu sagen. Alle starten mit den neuen Regeln bei Null, niemand kann es bisher einschätzen. Ich hoffe, dass ich eine gute Saison haben kann. Ein paar Podestplätze mehr wären nett und ich würde gerne häufiger in den Punkten landen. Das wäre schön."

Bei Regen durch Portugal: Die erste Ausfahrt im neuen Williams FW31 Zoom

Frage: "Wie ist es, wenn man so gar nichts einschätzen kann und man bei allen nur Fragezeichen sieht?"
Rosberg: "Das ist doch gut für den Sport. Das macht es interessant und das ist perfekt."

Frage: "Wie würdest du die neuen Autos rein optisch bewerten?"
Rosberg: "Ich sehe da nichts Negatives. Man muss sich vielleicht daran gewöhnen, aber die sehen doch ganz in Ordnung aus."

Regenreifen funktionieren nicht richtig

Frage: "Du hast jetzt die ersten Eindrücke im Auto sammeln können. Wie fällt deine Bilanz aus?"
Rosberg: "Generell bis ich vom Äußeren her mit unserem Auto sehr zufrieden, aber das bringt ja leider nichts für die Performance. Beim Fahren war es etwas schwierig. Es hat jetzt zwei Tage lang geregnet und es sind auf der Strecke gerade einmal zehn Grad. Die Bridgestone-Regenreifen sind eigentlich für Temperaturen von 25 oder 20 Grad gemacht. Die funktionieren bei diesen Temperaturen überhaupt nicht."

"Von daher ist es unglaublich rutschig, so etwas habe ich meiner Karriere fast noch gar nicht erlebt. Das ist wie mit Slicks im Regen zu fahren. Ich muss mal abwarten. Ich habe heute Morgen erst einmal ein paar Kilometer auf das Auto gemacht. Das ist bei einem neuen Auto am wichtigsten. Man muss Kilometer abspulen, um alle möglichen Probleme auszusortieren. Das lief heute Vormittag ganz gut."

Frage: "Kann man bezüglich Handling und Verhalten schon einen Vergleich zum letztjährigen Auto ziehen?"
Rosberg: "Das ist noch zu früh. Das kommt morgen erst, wenn es denn morgen wirklich trocken ist. Denn dann können wir richtig Vollgas geben und dann wird sich das erst bemerkbar machen, wie sehr das Handling sich verändert hat. Das ist natürlich auch immer für uns Fahrer besonders interessant, in eine solche neue Situation hineinzukommen und dann genau zu spüren, was noch besser werden kann und wo die Probleme liegen. Das ist eine sehr spannende Situation."


Fotos: Testfahrten in Portimão, Dienstag


Frage: "Abgesehen vom heftigen Regen: Wie gefällt dir diese neue Strecke?"
Rosberg: "Ich bin beeindruckt, es ist eine tolle Strecke. Sie macht Spaß, hat schöne Steigungen und Gefälle und ist herausfordernd. Wenn man den Hügel herunterkommt, drehen die Räder total durch. Man muss sogar nochmal kurz vom Gas. Das macht schon Spaß und ist aufregend. Ich freue mich, wenn ich zum ersten Mal im Trockenen fahren kann."

Spannung durch neue Regeln

Frage: "Spannend ist auch die Situation durch die vielen Regeländerungen. Wie beurteilst du das generell?"
Rosberg: "Das ist toll für die Formel 1. Das mischt alles nochmal durcheinander. Alle fangen bei Null an und es ist wirklich für alle Teams sehr, sehr schwierig. Man hat keine Erfahrungswerte, aber es ist erstaunlich wie die Teams - zumindest weiß ich das von uns - es schaffen, dass dieses Auto jede Woche schneller wird. Das kann in einer guten Woche ein paar Zehntel ausmachen. Das ist schon schockierend. Das ist wahnsinnig interessant auch zu sehen, wie die anderen Teams Fortschritte machen. Also ich freue mich auf Melbourne, denn dort sieht man dann erst, wo man steht."

Frage: "Siehst du genau darin die große Chance für dich und Williams, in der Hackordnung nach oben zu rutschen?"
Rosberg: "Das ist garantiert unsere große Chance. Wir müssen das Beste daraus machen, denn eine bessere Chance bekommen wir nicht. Ich kann nur hoffen, dass wir gute Arbeit gemacht haben und wir nun ein bisschen weiter vorne sind."

"ch kann nur hoffen, dass wir gute Arbeit gemacht haben und wir nun ein bisschen weiter vorne sind." Nico Rosberg

Frage: "Was sollte am Ende der Saion für dich herausgekommen sein?"
Rosberg: "Ich bin nach wie vor hoch motiviert und will für mich und mein Team die besten Ergebnisse herausholen. Ich möchte einfach eine stabile Saison haben, nicht so wie im vergangenen Jahr, als es hoch und runter ging. Gute Punkteplatzierungen bei jedem Rennen und ein paar Podiumsplätze wären super."

Frage: "Hat dich die Achterbahnfahrt genervt? Konntest du dich dann manchmal selbst nicht einschätzen?"
Rosberg: "Nein, das Einschätzen war nicht das Problem. Wenn das Auto halbwegs gut lief, dann war ich auch da, wo ich sein musste - also recht weit vorne. Aber nervig war das schon. Man kam zu einer Rennstrecke und es war überhaupt nicht klar, wo wir stehen würden. Auf einmal kommt man dann zum Rennen und ist 16. in der Startaufstellung und beim nächsten Rennen bist du dann Fünfter. Das ist dann ein bisschen komisch und es wäre schön, wenn das etwas konstanter würde."

Wirtschaftskrise als Chance für Williams?

Frage: "Werden die neuen Regeln in der neuen Saison für eine gute Show sorgen?"
Rosberg: "Ich finde es toll, was sie gemacht haben. Sie haben sich viele Dinge ausgedacht, um einfach der Show zu helfen. Sie haben die Aerodynamik beschnitten, wodurch ich einem anderen Auto besser folgen kann und dann auf der nächsten Gerade eine Überholchance habe. Man hat die verstellbaren Flügel eingeführt. Damit kannst du das Untersteuern minimieren, wenn du einem anderen Auto folgst. Du drückst den Knopf und es haut den Flügel hoch, dann wird die Balance viel besser und du kannst noch näher dranfahren. Damit wird die Überholchance noch besser."

"Das sind einfach Sachen, die gut durchdacht sind und gut sein werden für die Show. Es wird für uns Fahrer auch schwieriger. Wir müssen taktisch spielen, zum Beispiel mit KERS. Du darfst das nur einmal pro Runde verwenden und musst es im richtigen Moment machen. Nicht, dass du deinen Boost schon weg hast und von hinten kommt einer und drückt den Knopf und zieht vorbei. Das wird den Sport sicherlich interessanter machen."

Frage: "Wie siehst du die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise?"
Rosberg: "Mich betrifft das auf den ersten Blick nicht persönlich. Aber es betrifft natürlich die gesamte Formel 1. Daher haben sich die Teams auf Sparmaßnahmen geeinigt. Es gibt zum Beispiel die Testverbote während der Saison. Das verschafft mir mehr Freizeit, die ich aber wohl kaum auf dem Sofa verbringen werde. Durch die ganzen Änderungen verändert sich der Sport schon deutlich."


Fotos: Präsentation des Williams-Toyota FW31


Frage: "Wie schwierig ist es für Williams, als privates Team unter solchen Bedingungen zu bestehen?"
Rosberg: "Das hat uns im Grunde sogar alles geholfen. Wir haben vor der Krise Geld verdient und die Sparmaßnahmen helfen uns jetzt. Wir hatten ohnehin einen viel kleineren Etat als die Topteams und von daher hilft uns das Sparpaket mehr als anderen."

Die mit den Knöpfen spielen

Frage: "Von den drei großen Änderungen Slicks, KERS und Aerodynamik: Welche Veränderung ist die größte Herausforderung für euch Piloten?"
Rosberg: "(überlegt) KERS würde ich sagen. Die Aerodynamik macht sich wenig bemerkbar, weil der Griplevel in etwa gleich ist. Wir haben bei der Aerodynamik rund 20 Prozent verloren und 17 Prozent durch die Reifen zurückbekommen. Das macht also kaum einen Unterschied."

Frage: "Werden die vielen Knöpfe am Lenkrad zum Problem?"
Rosberg: "Das ist schon nicht ganz einfach. Wir haben schon reichlich Knöpfe, mit den wir arbeiten können. Aber es können es schöne Taktikspielchen entstehen mit dem Frontfügel und KERS. Das könnte aber für uns Fahrer etwas schwieriger werden."

"Es können es schöne Taktikspielchen entstehen mit dem Frontfügel und KERS." Nico Rosberg

Frage: "Wird das Fahren im Regen schwierig?"
Rosberg: "Ja, absolut. Die Regenreifen sind fast die gleichen, aber wir haben 20 Prozent weniger Abtrieb. Diese 20 Prozent habe ich erfunden, ich kenne den genauen Wert nicht. Regen wird wirklich zu einer großen Herausforderung."

Frage: "Muss man da vielleicht andere Reifen haben?"
Rosberg: "Das kann ich nicht beantworten. Aber wenn wir solche Bedingungen haben wie heute, dann kann es ein Desaster geben. Aber wir erwarten im Verlauf der Saison nicht solche Verhältnisse. Wenn es doch so kommt, dann haben wir ein großes Problem. Dann geht es gar nicht."