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Renaults Dreijahresprogramm: "2018 müssen Podestränge her"

Warum Renault zunächst konservativ agieren will, wieso der Durchbruch beim Motor bevorsteht und wo derzeit in Enstone und Viry die größten Baustellen liegen

(Motorsport-Total.com) - Renault hat in letzter Sekunde sein Programm für das Werks-Comeback zusammengestellt. 2016 hat man daher von Vornherein als Übergangsjahr abgestempelt. In drei Jahren soll es aber so weit sein, dass man tatsächlich um Podestpätze kämpft. Nehmen sich die Franzosen zu viel Zeit? "Red Bull hat fünf Jahre gebraucht, Mercedes auch", wirft Sportchef Cyril Abiteboul ein, dass die dominanten Rennställe der vergangenen Jahre auf Basis eines Fünfjahresplans agierten.

Titel-Bild zur News: Jolyon Palmer, Esteban Ocon, Kevin Magnussen

Gesichter des Erfolges? Renault will in drei Jahren an die Spitze Zoom

"Alles, was wir in diesem Jahr tun, ist ein Aufbauprogramm für 2017 und 2018. Aber 2018 müssen Podiumsplätze möglich sein", bestätigt der ehemalige Caterham-Teamchef gegenüber 'auto motor und sport' den Plan von Renault. 2016 geht das französische "Nationalteam", das in den vergangenen Jahren unter dem Namen Lotus am Start war, mit den Piloten Kevin Magnussen und Jolyon Palmer an den Start. Das unerfahrene Duo hat zwar bereits Talent gezeigt, doch sind sie die richtigen, um ein Werksteam zu stemmen?

"Wir haben dieses Programm erst spät abgesegnet. Da können wir nicht erwarten, dass uns die absoluten Top-Fahrer zur Verfügung stehen", rechtfertigt sich Abiteboul. Auch in anderen Bereichen hält er den Ball flach. 2016 soll ausschließlich im Zeichen des Aufbaus stehen.

Abiteboul setzt auf konservativen Start

Das in Paris präsentierte Auto mit der schwarzen Lackierung ist laut dem neuen starken Mann in der Renault-Motorsportabteilung ausschließlich ein "Showcar". Den neuen Boliden werde man erst in Spanien bei den Tests sehen. Große Überraschungen schließt er aber schon jetzt aus. Zudem wird man darunter leiden, dass das Chassis vom Vorgänger Mercedes erst auf die Renault-Antriebseinheit umgerüstet werden muss.

Abiteboul habe die Ingenieure in Enstone gebeten, zunächst "konservativ vorzugehen", damit die Zuverlässigkeit passt. Das gleiche gilt für die Motorenabteilung in Viry-Chatillon. Man wolle nichts überstürzen, denn vorerst gehe es darum, Kilometer zu sammeln.

Motorenabteilung nach Horrorjahren vor dem Durchbruch?

In allen Abteilungen gibt es derzeit Schwächen, macht der Renault-Sportchef keinen Hehl aus der aktuellen Lage. "Wir sind mit der Motorentwicklung hinterher", sagt er. Dennoch ist Abiteboul zuversichtlich, dass der Durchbruch nach zwei schmerzhaften Jahren mit der V6-Turbo-Antriebseinheit unmittelbar bevorsteht.

"Jetzt sind ein paar richtig gute Dinge in der Entwicklung", verspricht er. "Zum ersten Mal wissen wir, was wir zu tun haben, um Fortschritte zuverlässig in den Motor zu implementieren. Ich bin da extrem zuversichtlich. Für uns ist das der größte Schritt, den wir gemacht haben, seit es das Hybrid-Reglement gibt." Nachsatz: "Es wird nicht alles in diesem Jahr passieren. Das wird Zeit brauchen."

Cyril Abiteboul

Cyril Abiteboul gibt beim neuen Renault-Projekt die Richtung vor Zoom

Laut Abiteboul war Renaults Antriebsdesaster in den vergangenen Jahren vor allem darauf zurückzuführen, dass man vor sieben Jahren das Personal radikaler als die Konkurrenz gekürzt hatte: "Unser Problem war, dass wir viele Leute freigestellt hatten, als 2009 die Motorenentwicklung eingefroren wurde."

Warum nur wenige Top-Leute nach Viry wollen

Bislang gelang es den Franzosen auch nur spärlich, Top-Leute von der Konkurrenz abzuwerben. Zu instabil wirkte die Situation in Viry-Chatillon, ein kompletter Ausstieg war bis zum Kauf von Lotus eine ernsthafte Option. Und um bei den Rivalen zu wildern, "musst du erst einmal selbst attraktiv sein", versteht Abiteboul die Skepsis vieler Ingenieure.

Immerhin einen Stich hat man aber gemacht: Mit dem Deutschen Axel Wendorff wirkt seit September ein Mann als Berater in Viry-Chatillon, der gemeinsam mit Andy Cowell einer der Architekten des Mercedes-Motorenwunders in Brixworth war. Und auch Motorenlegende Mario Illien wird in Zukunft immer wieder Input für die Entwicklung der Renault-Antriebseinheit liefern.

Renault R.S.16, Carlos Ghosn

Renault-Boss Carlos Ghosn und das Renault-Showcar im neuen Design Zoom

Der Plan ist es, den Schweizer, der eigentlich auf Geheiß von Red Bull engagiert wurde, bei Renault voll zu integrieren, damit niemand das Gefühl hat, vor den Kopf gestoßen zu werden. "Ich möchte davon wegkommen, dass wir sagen: Das hat Ilmor gemacht, das Renault", bestätigt Abiteboul. "Es ist ein gemeinsames Projekt. Es gibt keine Wände zwischen uns. Deshalb wird es am Ende schwer sein zu sagen, aus welcher Ecke eine Entwicklung kommt."

Renault will effizienter als Mercedes sein

Während also die Qualität der Ingenieure in Viry noch verbessert werden muss, passt die Quantität, glaubt Abiteboul. "Auch wenn Red Bull immer behauptet hat, es wäre nicht genug", kann er sich eine Spitze gegen den ehemaligen Hauptpartner nicht verkneifen.

Das Team in Enstone möchte man aber erweitern: "Unser Plan ist es, dass wir in Enstone von 490 auf 650 Leute bis Ende 2017 wachsen", gibt Abiteboul die Marschrichtung vor. Und will Renault als Meister der Effizienz positionieren: Während Mercedes auf 800 Leute in der Chassisabteilung setzt, glaubt der Franzose, "dass wir mit 650 konkurrenzfähig sein können".


Fotostrecke: Renault-Meilensteine in der Formel 1

Briatore glaubt an sein Ex-Team

Doch wie sieht dies der Mann, unter dessen Leitung die bislang letzten Renault-Erfolge eingefahren wurden? Ex-Teamchef Flavio Briatore traut den Franzosen den Schritt zurück an die Spitze zu, allerdings erst in einigen Jahren. "Es wird schwer für sie, Siege einzufahren", meint der Italiener gegenüber der Presseagentur 'Adnkronos'. "Zu Beginn ist das unwahrscheinlich, aber in Zukunft ist alles möglich. Das Team muss jedoch wissen, dass dafür viel Arbeit notwendig sein wird."

Kann sogar der WM-Titel gelingen? Briatore hält nichts für ausgeschlossen: "Warum nicht? Sie haben es vor zehn Jahren geschafft. Das könnte ihnen wieder gelingen."