• 08.06.2011 18:40

Renault: Was Montreal für die Motoren einzigartig macht

Renault-Motoreningenieur Remi Taffin erklärt, wieso die Aggregate in Kanada ganz besonderen Anforderungen entsprechen müssen und zieht eine erste Bilanz

(Motorsport-Total.com) - Von einem Extrem ins andere: Nach dem Großen Preis von Monaco, dem Rennen mit der niedrigsten Durchschnittsgeschwindigkeit im Formel 1-Kalender, steht mit dem Grand Prix von Kanada am kommenden Wochenende einer der schnellsten Events auf dem Programm. Der 4,361 Kilometer lange Circuit Gilles Villeneuve auf der Ile de Notre Dame in Montreal kombiniert lange Geraden mit engen Kurven und Haarnadeln. Die Formel 1-Piloten brauchen durchschnittlich nur 75 Sekunden, um den Kurs einmal zu umrunden - die schnellste Rundenzeit der gesamten Saison.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Nick Heidfeld

Nach Monaco wartet die nächste Herausforderung auf die Renault-Teams

Die langen Geraden des Kurses verlangen nach einem effizienten Aerodynamikpaket mit niedrigen Abtriebswerten und einem leistungsstarken Motor. In den Haarnadel-Kurven und engen Ecken ist ein hohes Maß an Bremsstabilität und gute Traktion beim Herausbeschleunigen gefragt. Die Triebwerke arbeiten rund 55 Prozent einer Runde unter Volllast.

Kanada: Der Motor als Allrounder

"Die Strecke von Montreal stellt die Ingenieure vor eine einzigartige Herausforderung", weiß Remi Taffin, Einsatzleiter der Renault-Motorenabteilung. "Zwar gibt es im Formel-1-Kalender weitere Strecken, auf denen wir mit geringem Abtrieb fahren - Spa-Francorchamps und Monza sind hierfür die besten Beispiele. Aber nirgendwo ist die Kombination aus langen Geraden und engen Kurven so extrem."

Das stellt das Aggregat auf eine besondere Probe: "Die Motoren werden über den gesamten Drehzahlbereich gefordert. Herausragende Beschleunigung und maximale Leistung bei Höchstdrehzahl genießen eine ebenso große Bedeutung wie eine gute Fahrbarkeit bei niedrigeren Touren, um ideal aus den langsamen Ecken herauszukommen."

Der Kurs aus Motorensicht

Die besonderen Anforderungen für die Motoren sind Anlass genug, um den Circuit Gilles Villeneuve aus Motorensicht etwas genauer unter die Lupe zu nehmen: Der erste Sektor beginnt mit der kurzen Start-Ziel-Geraden. Während des Rennens befindet sich hier die erste von zwei Aktivierungszonen der DRS-Heckflügelverstellung. Kurz vor dem Ende der Geraden erreichen die Fahrer Geschwindigkeiten von rund 300 km/h, verzögern anschließend bis in den dritten Gang und durchfahren die folgende Linkskurve mit Tempo 120.

Es folgt eine lang gezogene Rechtskurve in "Löffelform", in der die Motoren etwa fünf Sekunden lang mit konstant 11.000 Touren drehen, der längste Aufenthalt im niedrigen Drehzahlbereich auf der gesamten Runde. Am Kurvenausgang beginnt ein kurzer Sprint Richtung der mittelschnellen Rechts-Links-Schikane, die im dritten Gang genommen wird. Vor Turn 6, einer 90-Grad-Links, schalten die Piloten bis in den zweiten Gang zurück.

Zwischen dem Ausgang von Turn 6 und der Einfahrt in Turn 7, einer rechtwinkligen Rechtskurve, beginnt der zweite Sektor. Eine kurze Gerade bringt die Piloten zur nächsten Schikane, eine Rechts-Links-Kombination, vor der wieder bis in den zweiten Gang heruntergeschaltet wird, um unmittelbar danach hart auf die nächste Gerade in Richtung Haarnadel zu beschleunigen. In diesem Bereich kommt es besonders auf das Ansprechverhalten des Motors beim Anbremsen und Herausbeschleunigen an. Der zweite Sektor hat den größten Anteil an der Rundenzeit, die Fahrer können hier also viele Zehntel gewinnen - oder auch verlieren.

Auf der Gegengeraden zählt die Motorleistung

Der finale Rundenabschnitt beginnt unmittelbar vor L'Epingle, der Haarnadel-Kurve. Die Fahrer bremsen ihre Rennwagen hier bis auf 58 km/h herunter und beschleunigen dann hinaus auf die Droit-du-Casino-Gerade. Das Mapping der Motoren sollte so gewählt sein, dass die Triebwerke bei der Einfahrt in die Haarnadel-Kurve gute Traktion und direktes Ansprechverhalten zeigen, bei der Ausfahrt optimale Beschleunigung garantieren. Denn es folgt die mit 1.064 Metern längste Gerade.

Zudem befindet sich auf ihr die zweite DRS-Aktivierungszone. Im Qualifying erreichen die Fahrer am Ende der Droit du Casino Geschwindigkeiten von rund 320 km/h, im Rennen sind es zirka 305 km/h. Aus diesem Tempo bremsen sie die "Wall of Champions"-Schikane an, die zurück auf die Start-Ziel-Gerade führt. Mit einer guten Bremsstabilität und hoher Motorbremskraft sowie einem direkten Ansprechverhalten bei der Ausfahrt können weitere wertvolle Zehntelsekunden gewonnen werden.

Taffins bisherige Bilanz

Taffin ist sich sicher, "dass der Renault RS27-V8 diese gegensätzlichen Anforderungen erfüllen wird." Dies begründet er folgendermaßen: "In Monaco, dem ultimativen Test für die Fahrbarkeit, befanden sich die Renault-Piloten in punkto Rundenzeiten konstant unter den Top-10. In China wiederum, auf dem Kurs mit der längsten Geraden in der Formel 1, markierten Witaly Petrov und Nick Heidfeld die absoluten Bestwerte in der Höchstgeschwindigkeits-Messung."

Der Franzose zeigt sich auch mit dem bisherigen Saisonverlauf sehr zufrieden, schließlich rüstet man neben dem Renault-Rennstall auch noch das Weltmeister-Team Red Bull und Lotus aus: "Unsere Renault-Motoren haben insgesamt 272 WM-Punkte eingefahren. Aber wir ruhen uns nicht auf diesen Erfolgen aus. Beim Grand Prix von Monaco konnte jeder sehen, dass die Leistungsdichte in der Formel 1 momentan extrem hoch ist. Jedes Team arbeitet hart und entwickelt sich in allen Bereichen weiter. Deswegen müssen wir genauso hart arbeiten, um unseren Partnern das zu geben, was sie in dieser so wichtigen Saisonphase für eine positive Entwicklung benötigen."