Renault und die Tücken der Strategie
So lief das Rennen in Silverstone, in dem Alonso vor allem Räikkönen hinter sich halten wollte und das er doch fast gewonnen hätte
(Motorsport-Total.com) - Als das Renault-F1-Team vor einer Woche in Silverstone eintraf, hielt sich die Euphorie in Grenzen. Zu deutlich hatte McLaren-Mercedes die Testfahrten auf dem britischen Grand-Prix-Kurs dominiert, als dass sich die WM-Führenden hier viele Chancen ausrechnen konnten. Alles, was die Mannschaft um Chefingenieur Pat Symonds tun konnte, war, so gut wie möglich zu agieren.

© Renault
Für Fernando Alonso wäre der Sieg in Silverstone durchaus möglich gewesen
Erneut kümmerte sich das gelb-blaue Werksteam in den Trainingssitzungen am Freitag weder um die Rundenzeiten noch die Programme der Gegner, sondern arbeitete methodisch wie gewohnt. Trotz einer nicht optimalen Balance lief das Training ermutigend, und nach harter Analyse am Freitagabend lösten Fahrer und Ingenieure auch das Handling-Problem. Am Samstagmorgen fühlte sich das Auto gut an - und wirkte schnell. Die Bestätigung im Qualifying: Pole Position für Fernando Alonso und Startplatz sechs für Giancarlo Fisichella. Juan-Pablo Montoya stellte den ersten McLaren-Mercedes auf Startplatz drei, während sein Teamkollege Kimi Räikkönen nach der zweitschnellsten Zeit wegen eines Motorwechsels auf Platz zwölf verbannt wurde. Ein Sachverhalt, der Alonsos Leben deutlich erleichterte.#w1#
Gleich beim Start fiel dann eine wichtige Vorentscheidung: Montoya setzte sich in einem spektakulären Manöver neben den Renault R25 und kam als Erster aus der 'Becketts'-Passage heraus. Auch nach den ersten Boxenstopps lag der Kolumbianer weiterhin vorn. Fernando blieb zwar länger draußen als der McLaren-Pilot - doch als er eigentlich freie Fahrt hätte haben sollen, hielten Überrundungen den 23-Jährigen auf. So kam er nach seinem Tankstopp nicht vor, sondern neben Montoya auf die Strecke zurück und reihte sich als Zweiter ein.
Trulli war das Zünglein an der Waage
Bei Kimi Räikkönen ging es weiter hinten im Feld dagegen wieder um Schadensbegrenzung. Der Finne machte bereits in der ersten Runde vier Positionen gut und fuhr wie in Frankreich eine Woche zuvor den längsten ersten Stint des Feldes. Damit passierte er weitere Gegner, während diese zum Nachtanken in der Box standen. Erst am Ende der 26. Runde tauchte auch Kimi bei seiner Mannschaft auf. Da er schnellere Zeiten fuhr als die beiden Führenden, gelang es ihm kurz vor dem Stopp sogar, Alonso zu überholen - auch dank seines Teamkollegen, der in Umlauf 25 und 26 seine langsamsten Runden des Tages drehte, um Räikkönen aufschließen zu lassen. Das Zwischenspiel kostete Alonso mindestens sechs Sekunden. Der Beweis: Nach seinem Stopp war der Rückstand von Räikkönen auf Alonso von 32 auf 22 Sekunden geschmolzen.
Um Kimi - der sich offenbar wieder auf einem langen Stint befand - von nun an sicher auf Distanz zu halten und eventuell sogar Montoya am Ende des zweiten Renndrittels anzugreifen, befüllte das Team Alonsos Renault R25 mit einer schweren Spritladung. Da der führende McLaren-Mercedes auf der Strecke kaum zu überholen sein dürfte, eröffneten die Strategen durch den späteren letzten Stopp die Chance, bei etwa fünf Runden freier Fahrt im Vergleich zu Montoya die entscheidenden Sekunden wettzumachen.
Um ein Haar wäre der Plan aufgegangen. Doch in Runde 45 lief Alonso auf seinen früheren Teamgefährten Jarno Trulli auf. Die Streckenposten zeigten dem Italiener keine blauen Flaggen, sodass er zwei Sekunden einbüßte. Montoya lag nach seinem zweiten Stopp 17 Sekunden hinter Alonso - als dieser zum Tanken abbog, waren es sogar 19. Doch die Trulli-Episode hatte die entscheidende Zeit gekostet: Fernando kehrte 1,8 Sekunden hinter dem McLaren von seinem Boxenhalt auf die Strecke zurück.
Renaults Rückstand war nicht gewaltig
Giancarlo Fisichella erlebte eine Duplizität der Ereignisse zu Frankreich und musste sich nach starker Fahrt die Hoffnungen auf einen Podestplatz erneut abschminken. Nach Rundenzeiten auf dem Niveau der Spitze schien er Platz drei - den er 21 Runden lang hielt - sicher zu haben. Doch dann ging beim letzten Boxenstopp beim Anfahren der Motor im Renault R25 aus und musste neu gestartet werden. "Fisico" verlor die Position ausgerechnet an Räikkönen.
Die Silberpfeile bestätigten ihre gute Form im Rennen: Räikkönens schnellste Runde betrug 1.20.502 Minuten, für Montoya stand ein Bestwert von 1.20.700 Minuten zu Buche. Alonso lag sieben Zehntelsekunden dahinter, was ihn im Ernstfall nicht daran gehindert hatte, das Rennen zu gewinnen. Denn da der Verkehr der Überrundeten eine ausnehmend große Rolle spielte, sagen die schnellsten Rennrunden wenig über die tatsächliche Geschwindigkeit eines Autos aus.
Mehr Aufschluss geben die "idealen Runden". Bei Räikkönen war diese aus den besten Sektorzeiten zusammengesetzte Zeit identisch mit seiner besten Rennrunde. Die seines Teamkollegen liegt um 0,104 Sekunden darüber. Beide Renault sind bei dieser Sichtweise nicht so weit weg, wie es im Rennen teils den Anschein hatte: 0,290 Sekunden Rückstand für Fernando, 0,475 für "Fisico".

