• 27.07.2011 20:31

Renault-Motoren gefordert: "Einlenken und Drauftreten"

Renault-Einsatzleiter Remi Taffin über die besonderen Belastungen der Triebwerke im kommenden Grand Prix von Ungarn: Staub und Hitze

(Motorsport-Total.com) - Nur eine Woche nach dem spektakulären Auftritt der Formel 1 auf dem Nürburgring findet am kommenden Wochenende der Große Preis von Ungarn auf dem Hungaroring statt. Das Rennen vor den Toren der Hauptstadt Budapest ist der elfte von 19 Läufen zur Formel-1-Weltmeisterschaft 2011. Renault möchte mit seinen drei Partnerteams vor der vierwöchigen Sommerpause weitere Erfolge einfahren.

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Heißes Ungarn: Remi Taffin erwartet hohe Belastungen für die Motoren

Der 4,381 Kilometer lange Hungaroring zählt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 182 km/h zu den langsamsten WM-Läufen des Jahres - und mit Lufttemperaturen um die 26 Grad Celsius oft auch zu den heißesten. Die Motorentechniker stellt der Hungaroring damit vor zwei Herausforderungen: Erstens müssen die Triebwerke im unteren Drehzahlbereich kraftvoll zupacken, zweitens kommt der effizienten Motorkühlung noch größere Bedeutung zu als in Monaco, wo es während des Grand Prix in der Regel nicht so heiß ist wie in Budapest.

Der Hungaroring aus Motorensicht

Erster Sektor:
Die Distanz vom Start bis zur ersten Kurve ist relativ lang - hier wird ein gut funktionierendes Energierückgewinnungssystem (KERS) deutliche Vorteile bringen. Kurve eins ist eine Haarnadel-Rechts, vor der die Piloten von 288 auf 94 km/h verzögern. Hier kommt es auf eine effektive Motorbremse an. Ausgangs der ersten Kurve ändert sich die Neigung der Strecke. Das kurze Bergabstück hängt leicht nach außen, sodass die Autos hier zum Untersteuern neigen.

Kurve zwei ist die wohl kniffligste des ganzen Kurses. Durch das Gefälle ist es schwierig, den idealen Bremspunkt zu treffen. Nicht selten blockiert hier ein Rad oder die Piloten verfehlen den Scheitelpunkt. Solche Fehler rächen sich umgehend, denn sie kosten Schwung für das anschließende Geradeausstück. Mit einer Länge von 790 Metern ist dies die einzige wirkliche Gerade neben der Start- und Zielpassage. Und damit auch eine von nur zwei Möglichkeiten, auf der die Motoren einmal "durchatmen" können.

Zweiter Sektor:
Kurve vier wird im sechsten Gang mit 225 km/h genommen und ist damit die schnellste Kurve der Strecke. Sie weist im Bergaufstück eine kleine Bodenwelle auf. Der zweite Sektor ist der kurvigste Streckenteil. Die Autos werden meist im dritten Gang bewegt und erreichen an der schnellsten Stelle von Sektor zwei gerade einmal 245 km/h. Für die Piloten gehen die Dritte-Gang-Kurven fast nahtlos ineinander über. Kurve fünf ist eine 270-Grad-Kehre, auf der die Fahrer sehr geduldig mit dem Gaspedal umgehen müssen - jeder heftige Gasstoß bringt das Auto auf den Bodenwellen aus der Balance.

¿pbvin|512|3919||0|1pb¿Anschließend stechen die Fahrer in die mit 100 km/h eher langsame Schikane, die aus den Kurven sechs und sieben besteht. Die Kurven acht bis elf gehen fließend ineinander über und wirken aus der Cockpit-Perspektive fast endlos. In dieser Kurvensequenz läuft der Motor überwiegend in den unteren Drehzahlbereichen und muss über ein gutes Ansprechverhalten verfügen. In Kurve elf sind Einlenken und Herausbeschleunigen gleichermaßen wichtig, denn hier schließt sich eine kurze Gerade an.

Dritter Sektor:
Nach dem kurzen Geradeausstück biegen die Piloten mit Kurve zwölf in die Arena des Kurses ein. Hier und in den folgenden 180-Grad-Kurven sind schnelle Richtungswechsel gefragt. Das Triebwerk sollte durch eine sehr feine Dosierbarkeit dazu beitragen, dass der Fahrer seinen Schwung durch die gesamte Kurvenfolge bis Turn 14 mitnehmen und dort früh auf die Zielgerade beschleunigen kann.

"Salopp gesagt, erfordert der Hungaroring den Fahrstil 'Einlenken-und-Drauftreten': Auf langsame Kurven folgen kurze Geraden, auf denen wir kurzfristig möglichst viel Power benötigen", sagt Renault-Einsatzleiter Remi Taffin. "Lange Vollgaspassagen gibt es kaum. In ihrer Charakteristik ähnelt diese Rennstrecke vor den Toren von Budapest dem Grand Prix-Kurs von Monaco."

"Sie erinnert an eine Kartbahn, nur ohne Leitplanken. Mit Ausnahme der Start-Ziel-Geraden und der Geraden zwischen Kurve drei und vier gibt es keine langen Vollgaspassagen. Die Kombination aus Zweiter-, Dritter- und Vierter-Gang-Kurven beansprucht Auto und Motor stark - vor allem zu dieser Jahreszeit, wo wir mit hohen Außentemperaturen rechnen müssen", so der Franzose.

"Uns steht zum Ende der ersten Saisonhälfte ein hartes Rennen bevor." Remi Taffin

"Aus diesem Grund spielt die optimale Motorkühlung eine entscheidende Rolle. Daher arbeitet Renault eng mit den Chassisingenieuren zusammen, um Lösungen zu finden, die die Aerodynamik des Autos nicht unnötig beeinträchtigen", erklärt Taffin. "Wie in Monaco benötigen wir in den langsamen Kurven möglichst viel Abtrieb. Daher schwächt jeder zusätzliche Lufteinlass zur Motorkühlung das Gripniveau des Fahrzeugs. Um dies zu verhindern, simulieren wir den Ungarn-Grand Prix auf dem Motorprüfstand in Viry. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf niedrigen Drehzahlen bei hohen Außentemperaturen."

"Die staubige und sandige Umgebung rund um die Strecke erschwert die Vorbereitung auf dieses Rennen zusätzlich. Um zu verhindern, dass Sand und Schmutz in die Motoren eindringen, verbauen wir spezielle Filter. In enger Zusammenarbeit mit Total verwenden wir zudem Schmierstoffe von höchster Qualität, um zusätzliche Abnutzung durch den groben Sand zu verhindern. Kurz gesagt: Uns steht zum Ende der ersten Saisonhälfte ein hartes Rennen bevor", fasst der Renault-Verantwortliche zusammen.

Grands Prix, die in sandigen Regionen oder in Wüstennähe stattfinden - allen voran Bahrain, Abu Dhabi oder Ungarn - können theoretisch den Motor erheblich schädigen. Die sehr kleinen Sand- und Schmutzpartikel sind physikalisch nichts anderes als feinste Glassplitter. Falls sie in das Motorinnere gelangen, wirken sie folglich sehr aggressiv und fördern den Verschleiß. Um diesem Effekt vorzubeugen, arbeiten die Motoren-Techniker eng mit den Chassisingenieuren zusammen und entwickeln spezielle Luftfilter.