Renault: Fahrbarkeit ist entscheidend

Für die Motorenhersteller geht es im Fürstentum nur sekundär um maximale Leistung, viel entscheidender ist das Drehmoment bei geringeren Drehzahlen

(Motorsport-Total.com) - Das Rennen in Monaco stellt die Motorenentwickler auf eine harte Probe und verlangt eine intensive Vorbereitung. Renault blickt positiv zurück, denn im Vorjahr standen mit Mark Webber, Sebastian Vettel und Robert Kubica drei Renault-Fahrer auf dem Podest.

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Remi Taffin von Renault würde den Erfolg aus dem Vorjahr gerne wiederholen

Der Stadtkurs durch Monte Carlo und den Stadtteil La Condamine stellt Fahrer, Teams und Ingenieure vor große und vor allem ungewöhnliche Herausforderungen. Renault-Einsatzleiter Remi Taffin gibt einen Einblick in das Anforderungsprofil: "Nur etwas mehr als 50 Prozent einer Runde arbeiten die Motoren unter Volllast. In China liegt dieser Wert bei rund 70 Prozent."

Monaco verlangt die meiste Vorbereitung

"In puncto Arbeitsstunden verlangt der Grand Prix von Monaco von den Ingenieuren die intensivste Vorbereitung", erklärt Taffin. "Zwischen zwei und vier Tagen arbeiten die Experten an den Motorenprüfständen und in der Konstruktionsabteilung gezielt auf das Rennen im Fürstentum hin. Bei anderen Rennen wie zum Beispiel dem Großen Preis von China ist es gewöhnlich nur ein Tag."


Fotos: Großer Preis von Monaco, Pre-Events


Die gewundenen, welligen Straßen verlangen nach einem einzigartigen Kompromiss bei der Abstimmung. Angesichts des niedrigen Durchschnittstempos von nur 160 km/h und einer Spitzengeschwindigkeit von nur 290 km/h spielt die Aerodynamik eine untergeordnete, die Mechanik dafür eine zentrale Rolle.

Die Anfahrt vom Start auf die erste Kurve ist die kürzeste der Saison: Nur 140 Meter liegen zwischen dem besten Startplatz und der Sainte Devote. Der Trainingsschnellste wird diese Rechtskurve nach nur vier Sekunden erreichen - zu wenig, um die Vorteile des Energie-Rückgewinnungssystems KERS voll auszuspielen. Vor der Sainte Devote bremsen die Piloten auf 105 km/h herunter und beschleunigen dann voll für das Bergaufstück durch Beau Rivage bis zum Casino-Platz.

KERS wird wenig Einfluss haben

Die Motoreneinstellungen werden so auf die kürzeren Getriebeübersetzungen abgestimmt, dass die Boliden genau am Ende des Bergaufstücks ihr Drehzahllimit erreichen. Theoretisch könnte das KERS hier aktiviert werden, doch der Effekt würde wegen der starken Steigung verpuffen: Von Sainte Devote bis zum Casino-Platz nehmen die Fahrzeuge 30 Höhenmeter in nur zehn Sekunden.

¿pbvin|512|3719||0|1pb¿Der schnelle Linksknick vor dem Casino verlangt nach einem sehr fein ansprechenden Motor, der die Balance des Autos nicht beeinträchtigt. Der folgende Streckenabschnitt ist extrem wellig. Deutlich sichtbares Zeichen dafür ist die Linienwahl der Piloten, die bei der Fahrt vom Casino hinunter zum Rechtsknick Mirabeau traditionell einen Schlenker machen, um einen notorisch großen Buckel in der Fahrbahn auszuweichen.

Dabei geht es nicht ihnen nicht nur darum, die Fahrzeugbalance nicht zustören - der Asphalthügel ist dermaßen hoch, dass die Autos beim Überfahren kurz abheben würden. Selbst wenn die Antriebsräder nur wenige Sekundebruchteile den Bodenkontakt verlieren würden, würde der Motor dadurch sofort bis zum Drehzahlbegrenzer hochdrehen, was die Antriebskomponenten erheblich belasten würde.

Langsamste Kurve im Kalender

Von der engen Mirabeau folgt ein kurzer Gasstoß und schon tauchen die Boliden in die noch engere Grand-Hotel-Haarnadelkurve ein - besser bekannt unter ihrem früheren Namen Loews-Haarnadel. Dort laufen die Triebwerke mit den niedrigsten Drehzahlen des gesamten Jahres. Bei nur 44 km/h im Scheitelpunkt liegen dort nur rund 4.000 Touren an.

Nico Rosberg

Zoom

Entsprechend wichtig sind Ansprechverhalten und Drehmoment, denn in dieser Passage lässt sich beim Einlenken und Herausbeschleunigen viel Zeit gewinnen oder verlieren. Die Piloten müssen genau wissen, was sie erwartet, wenn sie ihren rechten Fuß durchtreten.

Renault-Einsatzleiter Taffin analysiert: "Die Herausforderung in Monaco besteht darin, über einen Motor zu verfügen, der ein gutes Ansprechverhalten zeigt und bei Ein- und Ausfahrt in den langsamen Kurven mit einer guten Fahrbarkeit glänzt. Die Ingenieure programmieren daher ein Motormapping, das maximales Drehmoment in einem niedrigeren Drehzahlbereich zwischen 15.000 und 17.000 Touren bereitstellt als normalerweise zwischen 16.000 bis 18.000."

Wenig Frischluft im Tunnel

Die Rechtskurve Poitiers mündet in den schnellsten Streckenteil, den Tunnel. Dort laufen die Boliden acht bis neun Sekunden auf Höchstgeschwindigkeit und am Drehzahllimit. Hier kommt es auf maximale Leistung an. Von Poitiers bis zur Schikane am Tunnelausgang sind es 670 Meter und die Autos erreichen auf diesem Stück etwa 290 km/h Spitze.

Auch hier würde ein KERS-Einsatz in Frage kommen. Dies allerdings eher, um einen Angriff abzuwehren - ein eigenes Überholmanöver ist angesichts der abseits der Ideallinie sehr schmutzigen Strecke kaum denkbar.

¿pbvin|512|3717||0|1pb¿Theoretisch verschafft die Tunnel-Durchfahrt den Motoren eine willkommene Portion Frischluft. Nur ist diese Luft erfahrungsgemäß alles andere als frisch. Denn was in dem fast komplett geschlossenen Tunnel durch die Airbox strömt, ist fast so heiß wie die Luft bei den Hitzerennen in Malaysia oder Abu Dhabi.

Taffin erläutert die thermische Situation in Monaco: "Das verwinkelte Streckenlayout gönnt dem Motor zudem keine Pause. Somit spielt auch das Thema Kühlung eine zentrale Rolle. Wir können es uns nicht erlauben, einfach zusätzliche Kühlöffnungen in die Karosserie zu scheiden, denn in den zahlreichen Kurven ist maximaler Abtrieb gefragt, zu dem jede aerodynamische Komponente beiträgt."

Fahrer benötigen viel Vertrauen

Der Schluss-Sektor von Tabac bis zur Ziellinie weist die meisten Kurven auf und verlangt deshalb nach sehr fein dosierbarer Motorleistung. Die Piloten müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Triebwerk die Power exakt dann liefert, wenn sie sie benötigen, um sich millimetergenau durch schnelle Schwimmbad-Passage oder die enge Rascasse zu zirkeln, die auf die Zielgerade mündet.

"Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dem Fahrer Vertrauen in seinen Motor zu geben", ist sich der französische Motorenspezialist sicher. "Er darf sich praktisch überhaupt keine Gedanken um das Triebwerk machen müssen."

"Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dem Fahrer Vertrauen in seinen Motor zu geben." Remi Taffin

Die Fahrer haben die Wahl zwischen drei verschiedenen Einstellungsprofilen, um die Menge des eingesetzten Kraftstoffs über Bedienknöpfe am Lenkrad zu variieren. Diese Einstellungen sind immer ein Balanceakt, denn einerseits möchten die Teams die Performance ihrer Fahrer durch erhöhten Spriteinsatz steigern, andererseits wollen sie das Rennen mit sowenig Restkraftstoff wie möglich starten und beenden.

Durch die Faktoren KERS, die Heckflügelverstellung DRS, den erhöhten Reifenverschleiß und die häufigeren Boxenstopps ist es 2011 deutlich schwieriger, den exakten Kraftstoffverbrauch in jeder Runde vorherzusagen. Das führt dazu, dass die Piloten diese Einstellung im Schnitt dreimal häufiger umstellen als noch 2010.