• 07.11.2013 21:27

  • von Dominik Sharaf

Red Bull und die Turboära: Favoriten ohne Flügel

Zwar können die Verantwortlichen in Milton Keynes für 2014 auf der Aerodynamik des RB9 aufbauen, mussten aber Geld und Zeit in das aktuelle Modell investieren

(Motorsport-Total.com) - Als Sebastian Vettel 2009 das erste Mal in einem Red Bull um den Titel mitfuhr, glaubten viele an ein österreichisches One-Hit-Wonder in einer verrückten Formel-1-Saison. Doch sie hatten sich getäuscht: In den vergangenen vier Jahren überstand der Rennstall aus Milton Keynes nicht nur zahllose Regeländerungen und Legalitätsdebatten, einen Wechsel des Reifenherstellers und immer neues Aufrüsten der Konkurrenz, er blieb auch stets in Sachen Innovation Maß der Dinge in der Königsklasse.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Ein starkes Team: Vettel und seine Truppe gilt es in der Formel 1 zu schlagen Zoom

Mit dem Beginn der Turboära 2014 wartet die nächste Herausforderung auf das so gewiefte Designerteam. Es ist die vielleicht größte, der es sich bisher stellen musste. Helmut Marko hat keine schlaflosen Nächte: "Nein, wir haben ja Adrian Newey", zeigt sich der Red-Bull-Motorsportberater bei 'ServusTV' unbesorgt und verlässt sich auf den Starzeichner: "Wann immer ein neues Reglement gekommen ist, dann war er in seiner besten Form. Dann waren seine Autos in den ersten Jahren, bis die anderen nachgebaut und kopiert hatten, eigentlich immer unschlagbar."

Allerdings ist der hochgelobte Brite selbst skeptisch und verweist darauf, dass Red Bull seine personellen und finanziellen Kapazitäten eher für den Feinschliff des RB9 als für den RB10 verwenden musste: "Unsere Konkurrenten haben uns gewaltig Feuer gemacht - Ferrari am Anfang, Mercedes dann zur Saisonmitte. Wir haben viel Arbeit in das diesjährige Auto gesteckt, was einen Kompromiss für das nächstjährige bedeutet", so Newey gegenüber 'ESPN'. Trotzdem steht er weiter hinter der gemeinsamen Entscheidung.

Parallelentwicklung zahlt sich aus

Der 54-Jährige argumentiert: "Hätten wir die Ressourcen früher verschoben und die Titel nicht geholt, wären wir im Moment ziemlich verschnupft." Dabei hatte sich seine Truppe schon seit Februar mit der großen Regelnovelle beschäftigt, eine aufwendige Parallelentwicklung betrieben und "hektische Zeiten" durchlebt. "Den Aufwand diesbezüglich hat man immer mehr hochgefahren", erklärt Newey vor den Kameras von 'ServusTV' und glaubt, jetzt von der langen Vorlaufphase zu profitieren.

Den Status Quo beschreibt der Chefdesigner so: "Das Mock-up-Chassis wurde freigegeben, auch das Getriebe. Jetzt geht es um das Fahrwerk und die Kühler. Anschließend kommt die Außenhaut bis hinunter zu den Flügeln und den Kleinteilen." Besonders kompliziert gestalte sich der Einbau des neuen V6-Turbomotors, den Red Bull bei Renault bezieht. "Die Integration ins Auto ist recht kompliziert. Außerdem kommt als Nachfolger des KERS nun das ERS, ein umfangreicheres Rückgewinnungssystem", erinnert Newey.


Fotostrecke: Der Weltmeister ganz persönlich

Auch Vettel stehen Fragezeichen ins Gesicht geschrieben, wenn es um das Herz seines neuen Dienstwagen geht. "Alle tappen noch etwas im Dunkeln - nicht nur Renault, sondern auch Mercedes und Ferrari", rätselt der Seriensieger bei 'ServusTV'. Erste Akustikproben lassen den Heppenheimer staunen: "Hört sich so an wie jetzt, wenn ich viel zu früh hochschalte. Ich weiß nicht, wer da im Simulator saß, aber da hätte man noch etwas runterdrücken können - hörte sich jetzt nicht so motiviert an." Ein vierfacher Weltmeister war es jedenfalls nicht.

Prost: Nicht trotz, sondern wegen

Vettel rechnet damit, dass sich beim Sound noch etwas tun wird, zumal der Motor dafür nicht alleine verantwortlich ist. "Es kommt auch darauf an, wie das Ganze im Auto installiert ist, auf den Auspuff natürlich. Ganz ehrlich: Wenn man den Helm aufhat, hört sich das ohnehin ganz anders an als draußen auf der Tribüne." Trotzdem ist dem Weltmeister wichtig, in welcher Tonart sein neues Aggregat brüllt: "Letztlich ist man auch irgendwie Fan und hat Leidenschaft. Da gehört dazu, dass es sich ordentlich anhört."

Newey ist derweil schon bei der nächsten Baustelle angelangt, seinem absoluten Steckenpferd: der Aerodynamik. "Die Nase muss weiter unten sein - angeblich aus Sicherheitsgründen, aber ich halte das für Unfug", schüttelt der studierte Luftfahrtingenieur mit dem Kopf und erinnert auch an neue Restriktionen am Heckflügel. Immerhin ist es in diesem Punkt nicht nur von Nachteil, lange am RB9 gebastelt zu haben: "Etwas von dem, was wir gelernt haben, hilft auch im kommenden Jahr, weil die Aerodynamik noch immer ähnlich ist."

Sebastian Vettel

Dominant ohne Ende? Legende Alain Prost kann es sich gut vorstellen Zoom

Alain Prost glaubt sogar, dass Red Bull nicht trotz, sondern gerade wegen der Regelnovelle auch 2014 wieder obenauf ist. "Sebastian und das Team haben mit den Änderungen irgendwie Glück", überrascht die französische Motorsport-Legende im Gespräch mit 'Autosport' und denkt dabei an einen Weckruf für die erfolgsverwöhnte Truppe: "Vier Titel sind außergewöhnlich, aber so verlieren sie nicht die Motivation und müssen weiterarbeiten. Adrian hat ein neues Spielzeug und ein neues Ziel, was fantastisch ist."