• 12.06.2004 23:31

Ralf Schumacher: "Hätte nie mit der Pole gerechnet"

Der überraschte Polesetter über seine unerwartet starke Leistung, den Michelin-Vorteil und wie er morgen Siegchancen hat

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ralf, das waren zwei großartige Runden. Zuerst Schnellster im Vor-Qualifying, jetzt Pole Position..."
Ralf Schumacher: "Ich muss zugeben, dass wir ein bisschen überrascht sind. Am Freitag war es wegen der Bremsprobleme sehr schwierig, aber das Team hat das Auto über Nacht genau richtig hinbekommen. Ehrlich, ich hätte nie mit der Pole gerechnet, aber schon nach der Zeit von Michael habe ich mir gedacht, dass es heute ein gutes Resultat werden könnte."

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Mit seiner Pole Position sorgte Ralf Schumacher für einen Paukenschlag

Frage: "Wann ist die Wende geglückt? Heute Morgen im Freien Training oder schon gestern Nacht?"
Schumacher: "Im ersten Qualifying! Da hat sich das Auto zum ersten Mal wirklich gut angefühlt, so dass ich pushen konnte, das Maximum herausholen. Mir sind zwar ein paar kleinere Fehler unterlaufen, aber die haben keine Zeit gekostet. Mit den Top 5 haben wir sogar insgeheim gerechnet, aber eher um Platz vier bis sechs herum..."#w1#

Hoher Top-Speed: "Haben Kompromiss gut gemeistert"

Frage: "Es war eine sehr schnelle Runde, schnelle Sektorenzeiten und auch ein guter Top-Speed."
Schumacher: "Ja. Jeder weiß, dass man in Montreal auf den Geraden eine gute Höchstgeschwindigkeit braucht. Da ist ein Kompromiss notwendig und den haben wir gut gemeistert. Die Sektorenzeiten waren ziemlich gut. Es ist immer leicht, einen Fehler zu machen, wie es Takuma passiert ist. Du brauchst nur einen Randstein zu stark berühren und schon bist du draußen. Zum Glück ist mir das nicht passiert."

Frage: "Dein Bruder steht nur auf dem sechsten Startplatz. Was sagst du dazu und wie schätzt du jetzt deine Chancen auf den Sieg ein?"
Schumacher: "Mit dieser Ausgangsposition haben wir die Möglichkeit auf ein großartiges Rennen, ja. Was Michael betrifft, hat Ferrari wohl realisiert, dass die Michelin-Fahrer auf den ersten paar Runden besonders schnell sind, und da dürften sie ihre Strategie ein bisschen angepasst haben. Ich glaube nicht, dass Ferrari auf einmal nicht mehr das schnellste Auto hat und plötzlich eine Sekunde langsamer ist als wir. Das kann ich mir nicht vorstellen. Michael wird sicher ein gutes Rennen haben, aber von seiner Startposition aus wird das schwierig. Um nach vorne zu kommen, musst du erst einmal überholen, und ich frage mich, wie er das schaffen will."

Frage: "Du hast gesagt, du bist heute sehr überrascht. Kannst du uns einen Überblick verschaffen, was seit Freitagnachmittag alles verändert wurde?"
Schumacher: "Am Freitag war ich wegen Bremsproblemen mehr neben als auf der Strecke, aber wir konnten kaum am Auto arbeiten und ich habe auch kein Land in Sicht gesehen. Am Samstagmorgen ging es dann auf und ab und wir hatten natürlich jede Menge Arbeit zu erledigen. Das war sehr schwierig, muss ich zugeben. Ich glaube, dass unser Auto hier traditionell sehr gut funktioniert und dass wir die Strecke auch sehr gut kennen, was unsere Aufgabe etwas leichter gemacht hat, aber es hat bis zum ersten Qualifying gedauert, ehe ich mit der Balance halbwegs zufrieden war."

Frage: "Habt ihr in Sachen Balance ein bisschen schätzen müssen?"
Schumacher: "So ungefähr. Wir haben das Setup vor dem ersten Qualifying umgestellt, um zu sehen, wie das funktioniert, und das ist zum Glück gut gegangen."

Bremsprobleme heute kein Thema - am Sonntag schon?

Frage: "Habt ihr die Bremsprobleme auch aussortiert?"
Schumacher: "Die sind aussortiert, aber Montreal ist immer sehr hart für die Bremsen. Das wissen wir aus den vergangenen Jahren, aber es ist für alle Teams gleich. Es wird ein schwieriges Rennen für uns, für alle Teams."

Frage: "Du hast viel Zeit auf Jenson im letzten Sektor gut gemacht..."
Schumacher: "Das überrascht mich. Ich hatte dort dieses Wochenende Schwierigkeiten, weil das Auto über die Randsteine nicht besonders gut liegt. Im zweiten Training war dann der Poller in der Haarnadel weg und dann war es ein bisschen einfacher (grinst)."

Frage: "Bist du zuversichtlich für das Rennen?"
Schumacher: "Naja, wenn du auf der Pole Position stehst, hast du immer das Gefühl, dass ein gutes Rennen drin ist, aber wir hatten bisher in dieser Saison Probleme - oder besser gesagt speziell in den letzten drei, vier Rennen. Es wird schwierig mit Jenson hinter mir, denn er hat ganz klar das schnellere Auto, ich war nur im Qualifying schneller. Es wird wie gesagt ziemlich schwierig, aber wir werden alles versuchen und vielleicht kann ich ja das wiederholen, was ich vor ein paar Jahren schon einmal geschafft habe."

Frage: "Interessant für den Start ist, dass beide Fahrlinien befahren wurden, es also keinen so großen Unterschied macht, auf welcher Seite man am Start steht, richtig?"
Schumacher: "Das macht dieses Jahr überhaupt nicht mehr so viel aus, weil wir wieder zu manuellen Starts zurückgegangen sind."

Frage: "Was bedeutet diese Pole Position nach der bisher so enttäuschenden Saison für dich und dein Team?"
Schumacher: "Es ist großartig, gerade weil die Qualifyings dieses Jahr sowieso speziell für mich sind. Monaco war gut und obwohl ich am Nürburgring gewisse Probleme hatte, bekam ich es doch noch ganz gut hin. Das ist einfach großartig. Wir haben ehrlich gesagt nicht mit dieser Pole gerechnet, aber dadurch schmeckt sie noch süßer - wenn du ins Qualifying gehst, eine perfekte Runde hinlegst und am Ende ganz vorne stehst. Es ist offensichtlich, dass wir dieses Jahr Probleme mit dem Auto haben, aber bald wird es Verbesserungen geben und wir stehen jetzt schon so weit vorne. Das ist ein gutes Zeichen."

Schumacher sieht erstmals 2004 Chancen auf einen Sieg

Frage: "Erinnerst du dich noch an letztes Jahr und was willst du anders machen, damit es diesmal vielleicht für den ersten Platz reicht?"
Schumacher: "Naja, dieses Jahr hatte ich noch keine Chance, einen Grand Prix zu gewinnen. Das könnte sich heute geändert haben, weil mein Auto auf einmal sehr gut funktioniert, aber wir müssen abwarten. Ich denke und hoffe, dass wir die richtige Strategie haben, denn das ist ein Schlüsselfaktor in diesem Jahr, genau wie letztes Jahr, als Michael eine Runde länger draußen bleiben konnte, dadurch an mir vorbeiging und so gewinnen konnte. Er fuhr die ersten 20 Runden hinter mir her, danach ich hinter ihm. Das war alles. Obwohl es hier eine sehr lange Gerade gibt, kannst du nicht überholen, wenn die beiden Autos ähnlich schnell sind und der Vordermann keinen Fehler macht - Ende der Geschichte. Also hoffen wir auf die richtige Strategie und dass ich irgendwie vorne bleiben kann."

Frage: "Heute hat man wieder einmal gesehen, dass BMW-Williams ein Siegerteam ist. Warum ziehst du in Betracht, zu einem anderen Rennstall zu gehen, der weniger Klasse zu haben scheint?"
Schumacher: "Zunächst einmal - falls ich bleibe, was noch nicht entschieden ist - hätte es mir gefallen, wenn Juan-Pablo geblieben wäre, denn ich denke, wir geben ein gutes Team ab. Wir sind vielleicht nicht die besten Kumpels abseits der Strecke, aber er ist ein großartiger Fahrer und einem Team kann doch nichts Besseres passieren als zwei solche Fahrer. Zweitens haben wir vor dieser Saison erwartet, um die Weltmeisterschaft fahren zu können, aber wenn ich mich recht erinnere, sind wir davon weiter entfernt als in den letzten beiden Jahren. Darum dauert alles so lange. Es ist eine schwierige Entscheidung und ich will sie sorgfältig treffen."

Frage: "Glaubst du ernsthaft, dass die Alternative zu BMW-Williams eine gute Wahl wäre?"
Schumacher: "Naja, die Sache ist die, dass es kurzfristig kein anderes Team als Ferrari gibt, um nächstes Jahr um die Weltmeisterschaft kämpfen zu können. Wir waren Ende letzten Jahres stark genug dafür, aber zu Beginn dieser Saison hatten wir wieder Rückstand. Das kann man nie vorhersagen."

Frage: "Letztes Jahr gab es Diskussionen, Montreal vom Kalender zu streichen. Kannst du Gründe nennen, warum das nicht passieren sollte?"
Schumacher: "Zuerst einmal ist es großartig, in Montreal zu sein. Montreal ist eine Formel-1-Stadt, so wie ich das sehe. Man kommt hierher und es ist fantastisch. Es kommen immer sehr viele Fans und das ist sehr schön für uns. Es würde mir nichts ausmachen, wenn sie die Strecke einmal neu asphaltieren könnten, falls sich jemand findet, der es bezahlt, aber ansonsten komme ich sehr gerne hierher."

Frage: "Im Qualifying hatte Michelin einen klaren Vorteil. Wie wird das im Rennen aussehen?"
Schumacher: "Ich denke, wir haben dieses Wochenende einen klaren Vorteil. Ich glaube nicht, dass wir im Rennen in Schwierigkeiten geraten werden. Im Freien Training haben wir von den Michelin-Piloten sehr stabile und konstante Leistungen gesehen und ich habe keinen Zweifel daran, dass das im Rennen so bleiben wird. Es wird für Ferrari schwierig. Das hoffe ich zumindest."