• 26.09.2005 10:53

Prüller: Fernando Alonso ein "klasse Typ"

'ORF'-Kommentator Heinz Prüller über den frisch gebackenen Weltmeister Fernando Alonso, seine Manieren und sein Potenzial

(Motorsport-Total.com) - Ein eher unspektakuläres Rennen im brasilianischen Sao Paulo ließ gestern Abend die Würfel fallen: Die Formel 1 hat einen neuen Champion. Renaults Fernando Alonso ist dabei nicht nur der erste Spanier der Motorsportgeschichte, der sich den Titel holen konnte, er ist mit nur 24 Jahren auch der jüngste Weltmeister aller Zeiten.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso Flavio Briatore

Der frisch gebackene Weltmeister Alonso mit Mentor Flavio Briatore

Der Spanier hatte das Ziel auf dem dritten Platz durchquert, war ein risikoarmes und bedächtiges Rennen gefahren und konnte genau die sechs Punkte ergattern, die er benötigte, um den Vorsprung auf den Weltmeisterschafts-Zweiten Kimi Räikkönen zu zementieren. Bereits vor dem Rennen war sich fast der gesamte Formel-1-Zirkus sicher, dass Interlagos das Tor zum Titel darstellen würde. In einem Exklusiv-Interview mit 'F1Total.com' vor dem Startschuss zum großen Preis von Brasilien erklärte 'ORF'-Urgestein Heinz Prüller, was den Mann aus der spanischen Region Asturien zum Gewinnertypen macht.#w1#

"Ein unheimlich neuer, erfrischender, wirklich klasse Typ", schwärmte Prüller, der berichtete, er möge den jungen Spanier sehr gern, was allerdings für fast alle im Fahrerlager gelte. "Er ist unheimlich gescheit, er hat gute Manieren, er ist ein super Rennfahrer, er ist sicherlich auch ein super Sportler. Er wäre auch ein guter Fußballer, Tennisspieler oder was auch immer geworden", unterstrich der 'ORF'-Kommentator die Tatsache, dass die Einstellung an sich ebenso viel zählt wie das Talent für eine bestimmte Sportart.

"Die Formel 1 ist ein sehr ernstes Geschäft, ungefährlich ist es ja auch nicht, wie wir wissen, und das macht unheimlich professionell." Heinz Prüller

"Er bringt irrsinnig viel frisches Blut herein. Das ist ein sehr strebsamer, hoch talentierter junger Mann, von dem wir noch sehr viel hören werden. Aber am besten hat ihn Flavio Briatore beschrieben. Er hat gesagt, er ist eigentlich noch ein halbes Kind, aber schon ein großer Champion." Ist Alonso aber nicht eher der ruhige Typ? Keinesfalls, meinte Prüller. Man müsse Alonso nur einmal außerhalb der Pressekonferenzen erleben: "Dann ist er sehr wohl der Südländer, wenn er mit seinen Freunden, die teilweise auf der Universität sind oder aus Spanien auf Besuch kommen herumblödeln kann, Sport machen kann."

"Die Formel 1 ist ein sehr ernstes Geschäft, ungefährlich ist es ja auch nicht, wie wir wissen, und das macht unheimlich professionell. Und das ist es, was mir sehr bei ihm aufgefallen ist: seine unheimliche Reife, die er schon in jungen Jahren gehabt hat." Der Mann, der schon im zarten Alter von 19 Jahren in die Formel 1 kam, habe andererseits aber auch durch sein Durchsetzungsvermögen geglänzt. Schon zuvor in der Formel 3000 habe er verstanden, sich auch gegen Ingenieure durchzusetzen.

Heinz Prüller und Niki Lauda

Für Heinz Prüller, hier mit Niki Lauda, hat Alonso einfach alles richtig gemacht Zoom

Prompt in dem Moment, als man auf ihn gehört habe, habe der Spanier auch sein erstes Rennen gewonnen, so Prüller. "In der Formel 1 war für ihn furchtbar bitter dieses eine Jahr, wo er nicht Rennfahren durfte sondern nur testen durfte, damals bei Renault." Im Jahre 2002 hatte der 24-Jährige, der nach seinem Formel-1-Start bei Minardi frisch zu Renault gekommen war, seine Runden nur als Testfahrer drehen dürfen. Dem Österreicher zufolge habe dies jedoch für das junge Talent nur Vorteile mit sich gebracht:

"Das war die Idee von Flavio Briatore", schilderte Prüller. Für Alonso sei dies natürlich frustrierend gewesen, "aber er hat so viel gelernt dabei, auch technisch, weil er jeden Tag in der Fabrik war. Da stimmt der Aufbau. Das schaut sehr methodisch aus, aber es war auch sehr viel Herz dabei bei der ganzen Sache. Ich würde sagen, da ist alles richtig gemacht worden von den Eltern, von seinen Betreuern, von seinem Manager Briatore und überhaupt. Da passt alles, da stimmt alles, der macht keine Fehler. Und wenn du ihm in die Augen schaust, dann siehst du, der weiß, worum es geht, und der will Weltmeister werden."

Und genau das ist dem Spanier am gestrigen Abend auch geglückt. Zwei Rennen vor Ende der Saison steht Fernando Alonso als Nachfolger Michael Schumachers im Formel-1-Olymp fest. Die Meisterschaft war jedoch alles andere als unumkämpft. McLaren-Mercedes-Pilot Räikkönen folgte Alonso auf dem Fuße. Wäre der Finne nicht bei einigen Rennen eine Beute des Pechvogels geworden, wäre der punktemäßige Abstand zwischen beiden Titelanwärtern sicherlich auf ein Mindestmaß zusammengeschrumpft. "Kimi hat Pech gehabt, keine Frage", kommentierte Prüller, der jedoch unterstrich, "dass der Fernando natürlich schon sehr gescheit gefahren ist in sehr vielen Rennen."

"Ich möchte nicht sagen, dass er unbedingt mehr Rennen hätte gewinnen können, aber sein Ziel ab ungefähr Saisonmitte waren ja zweite, dritte Plätze, auf das Podium fahren, denn der Punkteabstand 10, 8, 6 ist ja nicht mehr so groß wie früher. Also da kann man auch mit zweiten und dritten Plätzen Weltmeister werden", weiß der Österreicher. "Er wäre in manchen Rennen auch vielleicht anders gefahren, vielleicht auch mit mehr Risiko, nur hat er gezeigt, dass er unter allen Umständen gewinnen kann."

"Das macht der Alonso perfekt und das machen andere mit 23, 24 Jahren normalerweise nicht." Heinz Prüller

Belege für das Talent des Spaniers sind vielfältig vorhanden: "Er wird Dritter nach einem 13. Startplatz in Melbourne, er hat den Michael Schumacher, obwohl der ein eineinhalb Sekunden schnelleres Auto gehabt, hat hinter sich lassen können in Imola", schilderte Prüller. "Aber es ist, wie es auch der Nicki Lauda sehr gescheit sagt: 'Es ist oft leichter, zu wissen, wann ich Gas geben muss, als zu wissen, wann ich Gas wegnehmen muss.' Das ist das Schwierige am Rennfahren, und das macht der Alonso perfekt und das machen andere mit 23, 24 Jahren normalerweise nicht."