• 03.04.2008 17:18

  • von Dieter Rencken

Piquet Jr.: "Es fehlt überall etwas"

Nelson Piquet Jr. im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' über seinen Formel-1-Einstieg und die aktuellen Renault-Probleme

(Motorsport-Total.com) - Der Name ist groß, der Teamkollege bärenstark und das Auto läuft nicht - diese drei Fakten drücken deutlich aus, warum Nelson Piquet Jr. zur Zeit bei Renault einem heftigem Druck standhalten muss. Nicht einfach für einen Formel-1-Neueinsteiger. Wie der Weltmeistersohn mit den Erwartungen umgeht und wieso der Renault noch zu langsam ist, beschreibt der Brasilianer im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Nelson Piquet Jr.

Nelson Piquet Jr. sieht am aktuellen Renault viele Probleme

Frage: "Nelson, dies ist dein erstes Jahr als Einsatzfahrer, nachdem du ein Jahr lang als Testfahrer bei Renault aktiv warst. Davor in der GP2 hattest du eine völlig andere Funktion. Du warst dort auch mit dem Management des Teams beschäftigt und nicht nur mit Setup-Arbeit zum Beispiel. Wie war diese Zeit?"
Nelson Piquet Jr.: "In der GP2 waren es harte Jahre. Wir waren auf vorher schon mit unserem eigenen Team in der Formel 3, aber da waren die Strukturen nicht so groß. Wir konnten einfacher damit umgehen. Wir haben uns dann entschieden, in die GP2 einzusteigen, weil wir keine Chance sahen, in die Formel 1 zu kommen. Wir hatten aber Angst, dass wir nicht die Struktur, die Erfahrung und die ganze Logistik auf die Beine bekommen, um das zu realisieren."#w1#

Wichtige Entscheidungen in der GP2

"Wir haben uns dann dafür entschieden, mit Hitech zusammenzuarbeiten. Ich würde sagen, dass war unser größter Fehler, den wir in unserer Anfangzeit in Europa gemacht haben. Das Team war nicht ganz einfach, die haben manche Sachen typisch englisch, sehr kompliziert gemacht. Und die brasilianischen Fahrer wollten alles auf typisch brasilianische Art machen und unserer Sponsoren auch. Das hat uns einige Schwierigkeiten bereitet. Erst als wir dann das gesamte Team übernahmen, lief alles für uns besser. Das Team funktionierte besser, die Mechaniker waren glücklicher und so weiter."

"Als wir für das Team mal einen Fernseher kaufen wollten, war das eine Riesengeschichte." Nelson Piquet Jr.

"Die Finanzen waren vorher immer ein Riesenproblem. Als wir für das Team mal einen Fernseher kaufen wollten, war das eine Riesengeschichte. Später waren die Sachen dann einfacher und wir keinen solchen Quatsch mehr. Das war ein wichtiger Schritt und wir hatten ein tolles Jahr. Wir haben gegen viele Teams gewonnen, die viel größer waren und viel mehr Leute hatten und mehr Erfahrung. Und dabei waren wir im Grunde ein Ein-Mann-Team, denn mein Teamkollege war damals viel langsamer als ich. Wir haben uns von einem Jahr auf das andere so dermaßen verbessert, dass man schon deutlich sieht, welchen Einfluss wir hatten. Wir wussten aus der Formel 3, wie es funktioniert und das haben wir dann auf unsere Art umsetzen können."

"Mein Vater hat damals gesagt, dass das auch auf die GP2 übertragbar sei und er hatte Recht. Das Jahr war sehr gut, das Team war gut und die Mechaniker waren nicht nur gut, sondern sie haben sich wirklich den Hintern aufgerissen. Wir hatten leider zu wenige Zielankünfte, was uns wahrscheinlich die Meisterschaft gekostet hat. Aber wir hatten tolle Rennen wie zum Beispiel in Ungarn, wo wir im Regen alle Sessions dominiert haben. Wir hatten da mal sieben Pole-Positions aus zehn Rennen. Es war eines der besten Jahre meiner ganz Karriere."

Frage: "Im Jahr 2007 hattest du dann kein Renncockpit, sondern warst Testpilot bei Renault. Wie war dieses Jahr für dich?"
Piquet Jr.: "Es war schon ein etwas langweiliges Jahr. Ich hatte nicht so viel zu tun, weil die Tests sehr limitiert waren. Ich konnte außerhalb ja nicht viel tun. Ich habe natürlich bei Meetings zugehört, aber nach 17 Grands Prix mit immer wieder den gleichen Geschichten, da war es schon ein bisschen kompliziert. Ich habe damals mal meinen Kumpel Lucas di Grassi getroffen und der fragte: 'Hey, wie hältst du das eigentlich aus?' Ich hätte ihm am liebsten gesagt, wie schwer es ist, denn es war echt nicht einfach. Aber rückblickend muss ich sagen, dass das vielleicht ganz okay war. Ich hatte ein Jahr lang Zeit, mich an die Atmosphäre im Team zu gewöhnen und in diesem Jahr darf ich Rennen fahren."

"Die GP2 ist mit allem drum und dran der Formel 1 schon sehr nah und dann gehst du nach der GP2 einfach einen Paddockbereich weiter und hast plötzlich nichts mehr zu tun. Das ist schon nicht ganz einfach. Auf der anderen Seite, wenn ich direkt aus der GP2 in ein Team gekommen wäre, das ich gar nicht kenne, wäre es deutlich härter geworden. Ich hatte eben ein Jahr lang Zeit, die Leute kennen zu lernen und mich an alles zu gewöhnen."

Langeweile als Formel-1-Testpilot

Frage: "Wann war dir klar, dass du ein Renncockpit für dieses Jahr bekommst?"
Piquet Jr.: "Es war erst am Ende des vergangenen Jahres. Nur wenige Wochen, bevor das alles bekannt wurde. Es hatte sich ja für einige Fahrer viele etwas verzögert."

Frage: "Es war also nicht so, dass man dir schon frühzeitig ein Cockpit versprochen hatte?"
Piquet Jr.: "Nein, es gab keine Garantien."

"Es war schon ein etwas langweiliges Jahr." Nelson Piquet Jr.

Frage: "Wie ist dein Verhältnis zu Flavio Briatore? Es heißt oftmals, er sei ein harter Hund..."
Piquet Jr.: "Er ist sehr nett zu mir, weil er sich natürlich im Moment natürlich eher darum kümmern muss, dass die Ingenieure das Auto verbessern. Solange Fernando (Alonso; Anm. d. Red.) und ich keine großen Erfolge einfahren können, weil uns die Möglichkeiten fehlen, kümmert er sich natürlich mehr um die technischen Sachen als um uns."

Frage: "Wo liegt denn beim aktuellen Auto das Problem?"
Piquet Jr.: "Es fehlt überall ein bisschen. Ferrari und McLaren haben stärkere Motoren, sie haben mehr Downforce und ich glaube es ist eine Kombination von ganz vielen Teilen und nicht nur ein Hauptproblem."

Frage: "Im vergangenen Jahr hatte Renault ein Problem mit dem Nutzen der Reifen. Ist das aussortiert?"
Piquet Jr.: "Vielleicht haben wir da manchmal die Reifen als Grund vorgeschoben, um nicht unser Auto in Frage zu stellen. Fest steht jetzt nun einmal, dass unser Auto nicht schnell genug ist. Auch zu Beginn dieses Jahres haben wir manchmal gedacht, es läge an der Reifennutzung. Aber wir müssen einfach sagen: es liegt am Auto. Und das müssen wir jetzt verbessern."

Bei Renault ist Geduld gefragt

Frage: "Im vergangenen Jahr wurde Heikki Kovalainen nach seinem ersten Rennen in Australien sofort kritisiert. In diesem Jahr war das bei dir nicht so. Was hast du denn richtig gemacht?"
Piquet Jr.: "Naja, ich hatte Probleme im Training und im Rennen hatte ich einige Aerodynamikschäden, die mich zwei Sekunden pro Runde gekostet haben. Ich musste dann ja auch etwa zur Hälfte des Rennens anhalten. Dafür konnte ich wenig und darüber konnte man sich ja auch kaum aufregen, denke ich."

Frage: "In Malaysia hast du dein erstes Formel-1-Rennen zu Ende gefahren, konntest als Elfter aber keine Punkte holen. Wie lief es dort?"
Piquet Jr.: "Tja, ich machte erst einmal beim Start einen Platz gut und hing dann im Rennen lange Zeit hinter einem Honda fest. Ich habe mir dann dessen riesigen Heckflügel und dessen Motor in Ruhe anschauen können. Wir waren recht schnell, aber ich konnte nicht vorbei. Zum Schluss haben wir dann nur noch den Motor geschont und das Rennen nach Hause gefahren."

"Das Auto ist im Moment knapp für Punkte gut." Nelson Piquet Jr.

Frage: "Wie weit bist du von Punkten entfernt?"
Piquet: "Ich denke, dass hängt vom Wochenende ab. Wenn ich beim vergangenen Rennen vor Button hätte starten können, wäre ich auch nur Zehnter geworden. Das Auto ist im Moment knapp für Punkte gut. Irgendwo auf Platz sieben, acht, neun oder zehn."

Frage: "Siehst du bezüglich des Autos irgendwo Licht am Ende des Tunnels?"
Piquet: "Ja klar, jeder der hier arbeitet hat das Ziel, den Wagen schneller zu machen. Es ist ja nicht nur mit Testarbeit getan, sondern es wird ja auch in der Fabrik bearbeitet."

Frage: "Wie ist dein Verhältnis zu den Mitarbeitern in der Firma?"
Piquet: "Ich lebe in England, ganz in der Nähe der Fabrik. Immer wenn ich dort bin, gehe ich natürlich dorthin und arbeite dort mit. Fast jede Woche."

Mit vorsichtigem Optimismus in die Wüste

Frage: "Was erwartest du an diesem Wochenende?"
Piquet: "Ich kenne den Kurs etwas, weil ich 2005 mit der GP2 hier gefahren bin und außerdem war ich mit dem Formel-1-Wagen im vergangenen Jahr hier testen. Wir müssen mal abwarten, wie sich unser Auto hier anfühlt. Davon hängt vieles ab. In Malaysia habe ich mich mit dem Auto recht wohl gefühlt und deswegen konnte ich zum Rennstart auch ganz gute Zeiten fahren. Viele haben hier Sorgen wegen dem Wind und dem Sand. Ich bin eigentlich ganz sicher, dass unser Auto hier gut gehen wird und wir erst einmal gute Trainingssessions haben werden. Hoffentlich kann ich am Samstag in Q3 einziehen."

Frage: "Im Vergleich zu Fernando warst du bislang immer langsamer. Glaubst du, dass du im Laufe des Jahres zu ihm aufschließen kannst?"
Piquet: "Es sind doch erst zwei Rennen gewesen. In den Trainings bin ich ihm schon deutlich näher gekommen. Ich glaube, das wird in den Rennen auch kommen. Von Rennen zu Rennen sollte ich ihm abhängig von der jeweiligen Strecke immer näher kommen können."

Frage: "Wie ist dein Kontakt zu ihm?"
Piquet: "Wir haben bei all der Arbeit wenig Zeit. Aber wenn es etwas zu diskutieren gibt, dann klappt das normalerweise auch."