• 03.01.2002 10:48

  • von Marcus Kollmann

Pedro de la Rosa im ausführlichen Interview

Der Jaguar-Pilot spricht über seine Meinung zum Testverbot, Jaguars Ziele, die Testfahrten, Irvine und die Saison 2002

(Motorsport-Total.com) - Vor der offiziellen Präsentation des neuen Jaguar R3 am morgigen Freitag, hat Jaguar-Pilot Pedro de la Rosa die Gelegenheit genutzt, um seinen Fans in einem Interview seine Vorfreude auf den Beginn der Testfahrten und die neue Saison mitzuteilen. Der 30-jährige Spanier wagte darüber hinaus eine Einschätzung des Kräfteverhältnisses in der Königsklasse in diesem Jahr und bezog zu Jaguars Zielen Stellung. Darüber hinaus sprach der Katalane, der in diesem Jahr seine dritte Saison in der Formel 1 bestreiten wird, auch über seine spanischen Rennfahrerkollegen - Marc Gené und Fernando Alonso - und erklärte weshalb Jaguar Racing weit vor Ferrari sein Traum-Team ist.

Titel-Bild zur News: Pedro De La Rosa (Jaguar Racing)

De la Rosa: "Formel 1 ist mehr als nur in das Auto zu steigen und zu fahren"

Frage: "Pedro, wie geht es dir, wenige Tage bevor die Saison wieder beginnt?"
Pedro de la Rosa: "Ich freue mich schon sehr auf die Wiederaufnahme der Testfahrten, vor allem nach solch einer langen Pause. Ich fühle mich wirklich total fit und die Testergebnisse zeigen, dass meine körperliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den Vorjahren in einigen Bereichen besser ist. Mental bin ich natürlich total froh wieder ins Auto steigen zu können."

?Das Testverbot hat den kleineren Teams und Jaguar Racing nur geschadet.?

Frage: "War dein Fitness-Programm auf Grund des Testverbots im Dezember anders als in den Jahren zuvor?"
De la Rosa: "Ja, ein wenig, denn wir hatten ja mehr Zeit zum Trainieren. Ich habe selbst in meinen Flitterwochen etwas trainiert und um letzten Monat habe ich hart mit meinem Trainer David Pérez gearbeitet. Das ist der Grund, weshalb ich besser vorbereitet bin als im letzten Jahr und meine bisherigen Testergebnisse überboten habe."

Frage: "Warum hat die FIA deiner Meinung nach entschieden im Dezember Testfahrten zu verbieten? Denkst du, dass man dadurch den kleineren Teams eine Chance geben wollte?"
De la Rosa: "Zum Anfang mag das vielleicht einer der Gründe gewesen sein, jedoch wurde dann ziemlich schnell klar, dass sich die Lage für die kleineren Teams eigentlich verschlimmert hat, denn diese Rennställe können nicht so lange in den Windkanälen arbeiten und Simulationen durchführen wie es die größeren Teams mit mehr Budget tun können. Für die kleineren Teams hat diese Entscheidung im Endeffekt alles verschlimmert. Uns als Team hat es auch stark getroffen, denn man kann nur konkurrenzfähiger werden wenn man testen kann."

Frage: "Du bist jetzt verheiratet. Viele glauben, dass sich dadurch die Einstellung eines Rennfahrers ändert. Wird dich der Umstand der Ehe jetzt einbremsen? Hat dir deine Frau gesagt etwas langsamer zu fahren?"
De la Rosa: "Es wird sich nichts ändern, nur weil ich jetzt verheiratet bin. Meine Frau sieht es gerne wenn ich Erfolg habe und unterstützt mich. Sie wird mir nie sagen was ich zu tun habe, denn sie weiß, dass ich darauf nicht hören würde."

?2002 war für mich eine ereignisreiche Saison?

Frage: "Bist du nach dem Rennfahren 'süchtig'?"
De la Rosa: "Wenn man darunter versteht, dass ich wieder Formel 1 fahren will, darauf brenne endlich wieder arbeiten zu können und dieses Gefühl meint, dann bin ich süchtig danach, ja. Ich sehne mich danach schon bald wieder in der Startaufstellung zu stehen und gegen die anderen Fahrer anzutreten. Das ist der Grund, weshalb ich schon so unzählige Male gesagt habe, dass eine zweimonatige Pause viel zu lang ist."

Frage: "Ein kurzer Kommentar zur letzten Saison bitte..."
De la Rosa: "Alles in allem war es eine sehr positive Erfahrung. Es war aber auch ein schwieriges Jahr, wenngleich auch ein interessantes. Ich war in drei verschiedenen Teams - Arrows, Prost und dann bei Jaguar als regulärer Pilot - und bin dann beim besten dieser Teams gelandet. Ich schaffte es sogar in meiner ersten Saison für Jaguar Racing ein paar Punkte zu holen. Und ich habe geheiratet. Für mich war das eine ereignisreiche, erfüllende Saison."

Frage: "Wenn man sieht in welcher Situation Prost Grand Prix jetzt steckt, so hast Du definitiv die beste Wahl mit Jaguar Racing getroffen..."
De la Rosa: "Meine Entscheidung wurde damals stark kritisiert, jedoch war mir schon damals die Situation von Prost bewusst als viele andere es noch gar nicht wussten."

Frage: "Wie hat es dein Teamkollege, Eddie Irvine, deiner Meinung nach verkraftet, dass du in einigen Rennen bessere Leistungen gezeigt hast als er?"
De la Rosa: "Ich bin mir sicher, dass er darüber ganz und gar nicht glücklich war, denn als ich ins Team kam war er die unumstrittene Nummer 1. Zu Beginn war es schwer für mich, mich an alles anzupassen, jedoch nachdem diese Phase überwunden war, konnte ich ihm ganz schön zusetzen. Er hat das natürlich nicht gemocht, denn er ist ja ein schneller Fahrer."

?Eddie Irvine arbeitet härter als es die meisten Leute glauben?

Frage: "Wenn du ihn mal von außen betrachtest, ist er dann wirklich solch ein Star?"
De la Rosa: "Ehrlich gesagt rede ich nicht gerne über meinen Teamkollegen, denn ich muss ja schließlich mit ihm zusammenarbeiten und er könnte einige meiner Äußerungen falsch verstehen. Wie ich schon einmal sagte, so ist er ein sehr spezieller Mensch; er ist ja auch fünf Jahre Michael Schumachers Teamkollege gewesen. Eddie arbeitet viel härter als man es auf Grund seines Images annehmen würde."

Frage: "Welche Ziele hast du dir für 2002 gesetzt?"
De la Rosa: "Ich will mich verbessern. Allerdings möchte ich keine Traumschlösser bauen bevor ich das Potenzial des R3 kenne, denn es ist schwierig vorher Ziele zu definieren. Das würde nur falsche Hoffnungen erwecken. Ich kann nur sagen, dass wir zulegen müssen. Vielleicht kann ich in einem Monat diese Frage beantworten."

Frage: "Glaubst du, dass du es dieses Jahr vielleicht aufs Podium schaffst?"
De la Rosa: "Man kann über alles woran man denken kann auch träumen... Letztes Jahr hätte ich in Hockenheim auf dem Podium stehen können, wäre da nicht mein Unfall in der zweiten Kurve gewesen. Wir werden natürlich versuchen in diesem Jahr ein paar Mal aufs Podium zu kommen."

Frage: "Glaubst du, dass ihr Ferrari, McLaren und BMW einholen könnt?"
De la Rosa: "Nein. Unser Ziel in dieser Saison ist nicht gegen sie zu kämpfen, sondern so nah es geht auf diese Teams aufzuschließen."

?Michael Schumacher ist nicht unbesiegbar, jedoch derzeit der beste Rennfahrer im Paddock?

Frage: "Was meinst du, kann irgendjemand Schumacher besiegen?"
De la Rosa: "Na ja, niemand ist unbezwingbar. Es gibt keine Supermänner in der Formel 1. Die Wahrheit ist doch die, dass er ein exzellenter Fahrer und sehr schwer zu besiegen ist. Aber wenn man im gleichen Auto sitzt, so gilt, dass niemand unbesiegbar ist."

Frage: "Okay, wie stark ist dann deiner Meinung nach Ferrari und wie stark der Fahrer am Erfolg beteiligt?"
De la Rosa: "Das prozentual auszudrücken ist wirklich schwer. In der heutigen Formel 1 geht es um Teamarbeit und derzeit ist Michael Schumacher der beste Rennfahrer im Paddock. Er hat dem Team, welches nicht das beste war, geholfen wieder zur Nummer 1 zu werden. Eine Wertung zwischen dem Team und ihm vorzunehmen wäre aber nicht fair, denn es arbeiten ja sehr viele Profis bei Ferrari. Sagen wir einfach mal so: Er hat einen großen Anteil daran, dass Ferrari Weltmeister ist."

Frage: "Glaubst du, dass sich die Situation ändern würde wenn alle Fahrer in einem identischen Auto säßen?"
De la Rosa: "Die Rennen würden auf jeden Fall dadurch interessanter, denn es würde nicht immer der gleiche Fahrer gewinnen. Der Rennausgang wäre wesentlich schwieriger vorherzusagen und dadurch würden die Grand Prix spannender."

Bei Jaguar Racing zu sein ist mein Traum, denn das Team hat mehr Charisma als Ferrari

Frage: "Denkst du, dass du größere Chancen hättest Weltmeister zu werden wenn du für Ferrari fahren würdest?"
De la Rosa: "Im Augenblick ist Ferrari wesentlich stärker als Jaguar, aber sich gewisse Dinge vorzustellen ist nicht worum es in diesem Sport geht."

Frage: "Hast du schon einmal daran gedacht wie es wäre Weltmeister zu sein?"
De la Rosa: "Nun, ich habe schon oft gesagt, dass bei Jaguar Racing zu sein mein Traum ist. Natürlich fragen mich die Leute, ob ich nicht gerne bei Ferrari sein würde, aber um ehrlich zu sein muss ich sagen, dass ich momentan nicht gerne dort wäre. Jaguar kann in der Zukunft genauso erfolgreich wie Ferrari werden. Die spanischen Fans sehen Jaguar jedoch nicht so wie es eigentlich sein sollte. Ich denke, dass es das Team ist welches es mit Ferrari am ehesten aufnehmen kann und mehr Charisma, einen noch historischen Background und eine noch längere Tradition hat. Das ist der Grund, weshalb ich bei Jaguar bleiben möchte."

Frage: "Wird es noch lange dauern, bis die spanische Nationalhymne am Ende eines Grand Prix bei der Siegerehrung wieder einmal gespielt wird?"
De la Rosa: "Ich denke, dass es nicht so wichtig ist wie viele Male sie gespielt wird, sondern was wir hören. Vor einigen Jahren sah es doch noch so aus, als könnte dies, was mit Fernando Alonso, Marc Gené, Oriol Servià [in der CART-Serie aktiv, Anm. d. Red.] und mir passiert ist, nie geschehen. Wir werden vermutlich früher oder später wieder die spanische Nationalhymne zu hören bekommen. Ich weiß zwar nicht wann es so weit sein wird, jedoch geben wir uns alle Mühe."

?Fernando Alonso steht eine großartige Zukunft in der Formel 1 bevor?

Frage: "Wie beurteilst du Fernando Alonsos erste Saison in der Formel 1?"
De la Rosa: "Er hatte eine sehr gute Saison. Niemand dachte, dass er in einem Team mit so wenig Erfahrung so gut sein würde. Obwohl er keine Punkte holte, hat er sich doch gut verkauft. Die Tatsache, dass er Renaults Testfahrer ist, zeigt, dass er in der F1 hoch angesehen ist und vor ihm liegt noch eine lange Zukunft. Es wird schlussendlich alles von ihm abhängen."

Frage: "Denkst du, dass es für ihn ein Schritt zurück ist, weil er 2002 nur Testfahrer sein wird?"
De la Rosa: "Sicherlich ist das schwer zu akzeptieren, jedoch kennt er seinen Vertrag mit Renault und es war ja auch seine Entscheidung. Meine Erfahrungen als Testfahrer waren nicht sehr berauschend, er ist jedoch in einer total anderen Situation."

Frage: "Was schätzt du als deine, Fernandos und Genés beste Eigenschaft ein?"
De la Rosa: "Ich glaube, dass Fernando dieses angeborene Talent besitzt. Marc ist dort wo er jetzt ist weil er so beharrlich ist. Was mich angeht, so würde ich lieber andere mich einschätzen lassen..."

Frage: "Viele Leute glauben, dass es in der Formel 1 nur darum geht das Auto zu fahren, aber wie viel harte Arbeit muss zuvor getan werden um dorthin zu kommen?"
De la Rosa: "Wie ich schon gesagt habe, ist die Formel 1 die konkurrenzfähigste Motorsportserie auf der Welt. Man muss sehr hart trainieren, ja, man muss sogar ein Athlet sein. Des Weiteren muss einem das Talent zum Rennfahren angeboren sein und man muss intelligent sein, denn sonst findet man keine Sponsoren und erhält auch keine Unterstützung durch andere Leute. Der Sportler der all diese Qualitäten besitzt ist schon wirklich ein Phänomen. Sich einen Rennfahrer als jemanden vorzustellen der in das Auto steigt und nur fährt, ist jedoch einfach nur Schwachsinn. All die genannten Dinge zu kombinieren machen diesen Sport erst komplett. Die Leute sollten wissen, dass man sich, um in die Formel 1 zu gelangen, vorher in verschiedenen Klassen beweisen muss. Und das schafft man nicht an einem Tag. Die Formel 1 ist schließlich das höchste Level des Motorsports."

Frage: "Was hältst du davon, dass Niki Lauda den Jaguar-Boliden selbst ausprobieren wird?"
De la Rosa: "Es wird bestimmt sehr interessant zu hören sein was er über die heutigen Autos denkt, denn diese haben mit denen der Vergangenheit ja nichts mehr gemeinsam. Ich denke, dass er nach so vielen Jahren der Pause es genießen wird wieder zu fahren."

Frage: "Warum glaubst du will er das machen?"
De la Rosa: "Einfach weil er das will. Niki hat mir gesagt, dass er es nicht tut, um uns zusätzliche Daten und Erkenntnisse zu liefern. Bevor man jedoch am Limit fahren kann, muss man sehr viele Runden gefahren sein und er wird das nicht an einem halben Tag packen."