Pat Symonds: "Ein schizophrener Kurs"
Renault-Chefingenieur Pat Symonds analysiert die technischen Herausforderungen des 'Indianapolis Motor Speedway'
(Motorsport-Total.com) - Für Pat Symonds, den Chefingenieur des Renault-Teams, ist der 'Indianapolis Motor Speedway' eine "einzigartige Herausforderung", die er als "schizophrenen Kurs" bezeichnen würde: "Das Layout beinhaltet das längste Vollgasstück der Saison - 23 Sekunden lang - und einige der langsamsten Kurven im Infield. Die Strecke verlangt somit im Prinzip zwei gegensätzliche Fähigkeiten des Autos: Für die beste Zeit im Infield ist das Setup mit viel Abtrieb zu versehen, damit man eine bessere Bremswirkung und Traktion hat, wohingegen das Gegenteil für den Rest der Strecke zutrifft. Diesen Widerspruch in den Griff zu bekommen, ist eine interessante Herausforderung für die Ingenieure."

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Flavio Briatore und Pat Symonds wissen, worauf es in Indy ankommt
Schon im Vorfeld simuliert das Renault-Team die Strecken auf dem Computer, um zu entscheiden, welche Flügeleinstellung die Optimale ist: "Dies macht man, indem man die Abtriebs- und Widerstandskräfte aller Flügel in ein ausgeklügeltes Simulationsprogramm einspeist, welches das Auto eine Runde fahren lässt. Man mag dadurch vielleicht glauben, dass es leicht ist, die Einstellung herauszufinden, die einem die beste Rundenzeit und das passendste Setup für das Auto ermöglicht."#w1#
"Aber das ist nicht so einfach: Auf manchen Strecken mit langen Geraden und guten Überholmöglichkeiten kann es notwendig sein, die ultimative Rundenzeit zu opfern, um nicht von anderen überholt zu werden oder um es aggressiver darzustellen, es dem Fahrer zu ermöglichen, andere Piloten auf der Gerade zu überholen."
"Indianapolis ist wie Interlagos eine Strecke, die diesen Kompromiss sogar noch wichtiger machen lässt, da sie im Prinzip schizophrene Strecken sind, weil es eine lange letzte Kurve und Gerade gibt, die extrem schnell ist, wohingegen das Infield sehr langsam ist. Was den Kurs besonders interessant macht, ist jedoch die Tatsache, dass die Rundenzeit durch nur kleine Veränderungen an den Flügeln stark schwankt."
Das Simulationsmodell von Renault besagt zum Beispiel, dass man in Indianapolis eine optimale Rundenzeit fahren kann, wenn die Flügel so eingestellt sind, dass man eine Höchstgeschwindigkeit von 335 km/h erreicht: "Aber wenn wir herausfinden, dass unsere wahren Gegner einen um 15 km/h höheren Top-Speed haben, dann wird es notwendig, den Kompromiss anzupassen, um ihren Top-Speed mitzugehen, auch wenn dies auf Kosten der Rundenzeit geht. Die einzigartige Charakteristik von Indy bedeutet jedoch, dass die Rundenzeit nur um 0,1 Sekunden langsamer wird, wenn man diese zusätzlichen 15 km/h erreicht, ein relativ kleiner Teil für einen solch bedeutend großen Geschwindigkeitszuwachs."
"Man mag vielleicht denken, dass dieser Kompromiss dazu führen wird, dass die Autos in langsamen Kurven sehr schwierig zu fahren sind, aber in Wirklichkeit ist das nicht der Fall, da viele der Kurven im Infield extrem langsam sind. Da der Abtrieb proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit verläuft, ist der absolut generierte Abtrieb in der Kurve gering." Hinzu kommt, dass Teile wie der Unterboden oder der Diffusor durch die höhere Geschwindigkeit mehr Abtrieb generieren, sodass der Verlust ein wenig amortisiert wird. "Zudem reagiert das Auto weniger sensibel auf Veränderungen der Bodenfreiheit."
In den letzten Jahren fuhren die Teams in der Regel im Qualifying ein anderes Setup als im Rennen. Durch das neue Reglement, das keine großen Veränderungen am Auto nach dem Qualifying zulässt, ist das nun nicht mehr möglich. Hinzu kommt die neue Motorenregel, durch die die Teams am Freitag und Samstagmorgen mit reduzierter Drehzahl fahren, sodass nicht ganz klar ist, wie die Top-Speeds ausfallen, wenn die Drehzahl freigegeben wird: "Wir müssen aus diesem Grund eine Schätzung aufgrund unseres Wissens durchführen, das wir bei den bisherigen Rennen aufgebaut haben."

