22 Sekunden wie in der Sauna für die Motoren
Renault-Motorenspezialist Denis Chevrier erklärt, warum Indianapolis trotz nur 57 Prozent Volllast eine Riesenherausforderung ist
(Motorsport-Total.com) - Der 'Indianapolis Motor Speedway' hat viele Besonderheiten: Die extrabreite Boxengasse, das ultralangsame Infield, die leicht überhöhte Steilkurve und das längste Volllaststück im Formel-1-Kalender. Letzteres stellt die Motoreningenieure vor eine spezielle Herausforderung.

© Renault
Die Ovalpassage stellt die Motorenspezialisten vor Fragezeichen
Zwar ist der Volllastanteil auf der eigens für die Königsklasse gebauten Strecke mit 56,6 Prozent durchaus im normalen und verträglichen Rahmen, von der letzten bis zur ersten Kurve stehen die Fahrer jedoch zwischen 22 und 23 Sekunden - abhängig von der Wettbewerbsfähigkeit ihres Autos - voll auf dem Gas. Für die Motoren bedeutet dies eine einzigartige Belastung bei maximaler Drehzahl.#w1#
56,6 Prozent Volllastanteil, 22 Sekunden am Stück
"Indianapolis", erklärte Renault-Motorenspezialist Denis Chevrier, "ist für die Triebwerke eine viel größere Herausforderung als Kanada und der Grund dafür ist die lange Gerade. Der Prozentsatz an Volllast ist mit 56,6 Prozent sogar geringer als in Kanada, aber Indianapolis ist deswegen besonders, weil so viel Volllast am Stück gefahren wird - 22 Sekunden vom Ausgang der elften Kurve bis zum Anbremsen der ersten."
Während in Montreal alle drei Sektoren der Runde mehr oder weniger ähnlich sind, "haben wir es in Indianapolis praktisch mit zwei verschiedenen Streckenführungen zu tun", so Chevrier weiter. Einerseits wird zum Teil das High-Speed-Oval befahren, bei dem die Fahrer problemlos voll auf dem Gas bleiben können, andererseits gilt es aber den richtigen Kompromiss zu finden, um auch im verwinkelten Infield schnell zu sein.
Man könnte meinen, dass sich die Motoren in den langsamen Passagen quasi erholen können, dem ist aber nicht so, wie Chevrier ausführte: "Es ist wie mit einem Ofen bei 60 Grad. Wenn sie jemanden bitten, zehnmal eine Sekunde drin zu bleiben, wird das niemandem etwas ausmachen, aber zehn Sekunden am Stück drin zu bleiben, ist viel problematischer. Für einen Rennmotor ist die längste Volllast-Periode eher ausschlaggebend als der Prozentsatz auf eine Runde gesehen."
Adäquate Ableitung der Hitze ist die größte Herausforderung
"Die Herausforderung liegt vor allem im Hitzeabzug, während die Teile, die am meisten beansprucht werden, die Kolben sind", so der 50-jährige Franzose weiter. "Wenn ein Fahrer durch die Gänge hochbeschleunigt, ist der Motor nicht lange auf höchster Drehzahl, außerdem wird beim Bremsen die Belastung kurz ausgesetzt und Hitze abgeführt. Bei andauernder Volllast gibt es aber keine Entlastung und die Hitze bleibt."
"Die langen Einzelperioden auf Volllast unterschieden Indianapolis und Spa von der durchschnittlichen Rennstrecke dieser Saison", fuhr Chevrier fort. "Sogar die neueren Kurse haben zwar lange Geraden, aber nur für je 13 bis 14 Sekunden. Abgesehen davon sind die Herausforderungen in Indianapolis ähnlich wie in Montreal, denn man muss im Infield mit wenig Drehzahl möglichst viel Leistung entfalten, ebenso aber bei höchster Drehzahl auf dem Oval."
Renault gilt motorenseitig nach wie vor als schlechtestes Top-Team, obwohl die in Kanada erstmals eingesetzte Ausbaustufe ernsthafte Fortschritte gebracht haben dürfte. Dennoch ist für Indianapolis nicht zu erwarten, dass Alonso und Trulli um den Sieg mitmischen können, wenngleich sie sicher wieder die Flügel recht flach stellen werden, um auf Kosten des langsamen Infields auf den Geraden einen besseren Top-Speed zu erzielen.

