• 27.04.2010 11:32

  • von Dieter Rencken

On the Button: Der Weltmeister im Interview

Jenson Button plaudert sich von der Seele, warum er zu McLaren gewechselt ist und welche Tiefpunkte er in seiner Karriere schon erlebt hat

(Motorsport-Total.com) - Jenson Button ist derzeit der Mann der Stunde in der Formel 1: Sein WM-Titel 2009 im überlegenen Brawn-Mercedes wurde von vielen als Zufallstreffer abgetan, doch der Brite entschied sich für den Wechsel in die "Höhle des Löwen" zu McLaren, wo er es nun mit seinem Landsmann Lewis Hamilton zu tun bekommt. Und siehe da, nach vier Rennen hat Button in allen relevanten Statistiken die Nase vor dem langjährigen McLaren-Wunderkind.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Im Moment ist Jenson Button in der Formel 1 der Mann der Stunde

Ob das am Saisonende noch genauso sein wird, ist freilich eine ganz andere Frage, aber bis zum jetzigen Zeitpunkt hat der 30-Jährige einmal alles richtig gemacht. Sein Stallduell mit Hamilton erinnert ein bisschen an Prost vs. Senna: auf der einen Seite der clevere Stratege, der immer dann zuschlägt, wenn Hirnschmalz erforderlich ist, und auf der anderen Seite das Ausnahmetalent, das mit einem übernatürlichen Grundspeed gesegnet ist. Darüber und über vieles mehr spricht Button im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Erst Weltmeister, dann neue Herausforderung

Frage: "Jenson, Jody Scheckter hat mir einmal gesagt, wenn du einmal Weltmeister warst, dann war's das, dann kannst du nicht mehr mehr erreichen. Wie oft möchtest du sozusagen zum Mond fliegen? Siehst du das genau wie Jody?"
Jenson Button: "Bevor ich Weltmeister wurde, habe ich es in der Tat so gesehen. Mir war egal, wie oft ich Weltmeister werde, solange es mir nur einmal gelingt. Wenn du aber einmal Weltmeister bist, dann suchst du dir eine neue Herausforderung."

"Ich brauche diese Herausforderung, denn ich hätte Ende des vergangenen Jahres nicht mit dem Rennfahren aufhören können. Ich glaube, das ich noch viele Jahre in dem Sport, den ich liebe, vor mir habe. Ich liebe das Rennfahren und ich wusste, dass ich nicht im gleichen Team bleiben kann, denn ich hatte die Weltmeisterschaft mit diesem Team schon einmal gewonnen, also musste ich weiterziehen und etwas anderes probieren. Das war einer der Hauptgründe für meinen Wechsel zu McLaren."

"Um zum Punkt zu kommen: Ich stimme Jody zu, dass es das Wichtigste im Leben eines Rennfahrers ist, einmal Weltmeister zu werden, aber gerade deswegen begab ich mich auf die Suche nach einer neuen Herausforderung, um zu versuchen, mit einem neuen Team noch einmal Weltmeister zu werden."

Jenson Button und Lewis Hamilton

Derzeit stimmt die Chemie zwischen Jenson Button und Lewis Hamilton Zoom

Frage: "Du beantwortest damit zum Teil schon meine nächste Frage, die nach den Gründen für den Wechsel zu McLaren. Wie sehr hat Geld eine Rolle gespielt, wie sehr sportliche Überlegungen? Und McLaren ist ein sehr prestigeträchtiges Team. War dir das Prestige auch wichtig?"
Button: "In den vergangenen Jahrzehnten hat es nur zwei Teams gegeben, die fast immer im WM-Kampf dabei waren."

"Die Chance zu haben, für eines dieser beiden Teams zu fahren, war genau das, was ich zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere, nach dem Gewinn des ersten WM-Titels, wollte. Ich wollte wieder die Chance haben, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen - nicht nur 2010, sondern auch in den Jahren danach. Das war sehr wichtig für mich - einer der Hauptgründe für meinen Wechsel."

Tapetenwechsel war überfällig

"Ein weiterer Grund war die Herausforderung, für ein anderes Team zu fahren. Wenn du nach sieben Jahren im gleichen Team wechselst, ist das für alle Beteiligten eine große Sache. Veränderung ist manchmal schwierig. Und dann war es noch reizvoll, neben dem Teamkollegen zu fahren, den ich jetzt habe, Lewis Hamilton. Er war vor mir Weltmeister. Das ist auch eine Herausforderung, wenn man bedenkt, dass er schon McLaren-Fahrer ist, seit er acht Jahre alt war."

Frage: "Wie verstehst du dich jetzt mit den Brawn-Jungs?"
Button: "Sie heißen ja nicht mehr Brawn, aber ich weiß, was du meinst. Sehr gut! Aus irgendeinem Grund scheine ich immer im gleichen Flugzeug wie sie zu sitzen! Ich verstehe mich zum Beispiel immer noch sehr gut mit meinem alten Ingenieur 'Shov' (Andrew Shovlin, heute Renningenieur von Michael Schumacher), mit Pete 'Bono' Bonnington und mit Ross (Brawn; Anm. d. Red.)."

¿pbvin|512|2682||0|1pb¿"Es tut gut, mit ihnen zu plaudern und Witze über diese Saison zu reißen. Uns verbinden ja schöne Erinnerungen, vor allem mich und meine Ingenieure. Sieben Jahre sind eine lange Zeit, in der wir auf die Weltmeisterschaft hingearbeitet haben. Wir kommen also gut miteinander aus und wissen, dass es für uns alle eine große Herausforderung ist, solche Veränderungen in unseren Leben und Karrieren durchzumachen, aber das ist ja auch etwas Aufregendes."

Frage: "Wie würdest du dein Verhältnis zu Lewis bezeichnen? Gut, exzellent, perfekt?"
Button: "Ist überhaupt irgendetwas perfekt? Er ist ein außergewöhnlich schneller Fahrer und in dieser Hinsicht auch ein harter Teamkollege. Wenn es um die Zusammenarbeit geht, dann ist er sehr angenehm, denn wir teilen alle Informationen und halten nichts zurück. Wir lassen die Leistungen auf der Strecke sprechen und teilen alle Daten, weil wir wissen, dass das das Team voranbringt. Ich bin seit zehn Jahren in der Formel 1 und Lewis ist in seiner vierten Saison und saß jedes Mal in einem einigermaßen konkurrenzfähigen Auto."

"Wir arbeiten gut zusammen. Abseits der Strecke verbringen wir keine Zeit miteinander, weil wir nicht viel Freizeit haben. Wenn wir schon mal frei haben, dann sind wir lieber bei unseren Freunden, Familien und vor allem natürlich bei unseren Freundinnen. Aber wir verbringen trotzdem viel Zeit miteinander, weil wir gemeinsam Rennen fahren und es in diesem Team viele PR-Termine gibt. Oder auch in der Fabrik. Wir verstehen uns gut, was auch wichtig ist, damit die Zusammenarbeit reibungslos laufen kann."

Zweifel gab es nur 2001

Frage: "Hast du immer daran geglaubt, dass du Weltmeister werden kannst?"
Button: "Definitiv!"

Frage: "Immer? Du hattest daran nie den geringsten Zweifel?"
Button: "Immer. Ich wusste, dass es in mir steckt, aber ich wusste zugegebenermaßen nicht, ob ich auch eine Chance bekommen würde. 2001 war eine sehr schwierige Saison. Da dachte ich das einzige Mal, dass ich vielleicht nicht gut genug bin, um Weltmeister zu werden. Das war mein erstes Jahr bei Benetton - ein katastrophales Jahr für mich!"

Frage: "Schlimmer als die schlimmsten der Honda-Jahre?"
Button: "Schon, denn es war ja mein Fehler. Ich hatte keine Erfahrung mit einem schlechten Auto und ich wusste, dass ich mich steigern kann. 2007 bei Honda war auch hart, denn wir hatten keine Richtung im Team und keine starke Führung. Da dachte ich schon: 'Das könnte es gewesen sein. Jetzt warst du acht Jahre lang in der Formel 1 und ich habe keine Richtung mehr!' Aber dann kam Ross an Bord, für den ich mich sehr eingesetzt habe, ebenso wie ein paar neue Leute für den Windkanal. Da hatte ich wieder Hoffnung."

Frage: "Wie sehr hat der WM-Titel dein Leben verändert?"
Button: "Es ist stressiger geworden (lacht; Anm. d. Red.)! Der Teil, den ich liebe, ist der, dass sich am Fahren nichts verändert hat, aber alles andere ist jetzt viel stressiger."

Jenson Button

Tiefpunkt: 2001 erlebte Jenson Button bei Benetton eine echte Seuchensaison Zoom

Frage: "Glaubst du, dass dich McLaren auch unter Vertrag genommen hätte, wenn du nicht Weltmeister geworden wärst?"
Button: "Das habe ich sie nie gefragt."

Frage: "Aber was sagt dir dein Gefühl? Glaubst du, dass du durch den WM-Titel interessanter geworden bist?"
Button: "Sicher. Bei einem Weltmeister weiß man, dass er stark genug ist, um die schlechten Tage genauso zu verkraften wie die guten. Ein Weltmeisterjahr ist nie einfach. Selbst mit einem schnellen Auto kann es wahnsinnig belastend sein, mit viel Druck verbunden. Dass ich das geschafft habe, war für mich selbst und wohl auch für McLaren wichtig, weil sie wissen, dass ich die schlechten Tage gegen Saisonmitte überstanden habe und am Saisonende wieder stark war. Das hat ihre Entscheidung sicher beeinflusst."

Erinnerungen an Ungarn 2006

Frage: "Du hast bereits deinen zweiten Grand Prix für McLaren gewonnen. Was bedeutet dir das im Vergleich zu deinem ersten Sieg in Ungarn 2006 auf Honda, denn McLaren ist ein sehr prestigeträchtiges Team..."
Button: "Mein erster Sieg auf Honda war eine sehr schöne Angelegenheit, denn es war für uns alle ein emotionelles Wochenende. Wir waren schon viele Jahre zusammen und wir hatten oft gute Autos, aber nie gut genug, um ein Rennen zu gewinnen. Wir hatten auch schlechte Autos und mussten sehr hart kämpfen."

"Der Sieg in Ungarn war ein großartiges Rennen, das auch Spaß gemacht hat, daher hat mir das sehr viel bedeutet. Es war aber auch irgendwie schwierig, denn wir wussten, dass wir unter normalen Umständen nicht schnell genug waren. Also mussten wir den Moment genießen. Mein Sieg in Melbourne war speziell, weil es erst mein zweites Rennen für McLaren war. Als ich das Auto in Valencia erstmals testen hätte sollen, kam ich gar nicht ins Auto rein! Wir mussten etwas vom Sitz wegschneiden, weil er nicht so war, wie wir das in der Fabrik ausgearbeitet hatten."

"Also mussten wir den Sitz komplett umbauen, damit ich überhaupt ins Auto passe! Das ist erst ein paar Wochen her - und jetzt haben wir schon Rennen gewonnen. Das zeigt mir: Es war die richtige Entscheidung. Melbourne war ein besonderer Tag, auch wenn wir wussten, dass es in Malaysia schwierig werden würde, das Rennen zu gewinnen, also mussten wir auch Melbourne genießen."

Jenson Button

Endlich der Durchbruch: 2006 feierte Button in Ungarn seinen ersten Sieg Zoom

Frage: "Du warst auf Brawn Weltmeister, aber Brawn war eine No-Name-Marke. Macht es einen Unterschied für dich, jetzt für ein so traditionsreiches Team wie McLaren Grands Prix gewonnen zu haben?"
Button: "In Zukunft wahrscheinlich mehr als jetzt - wenn ich dann Fotos von mir im McLaren-Overall auf dem Podium sehe. Da wird es einen Unterschied machen. Im Moment konzentriere ich mich auf jedes einzelne Rennen. Ich habe aber kürzlich einen Artikel gelesen, dass es nur zwölf Fahrer gibt, die für drei verschiedene Formel-1-Teams Rennen gewonnen haben! Honda und Brawn waren wohl zwei verschiedene Teams, meine ich."

Frage: "Wie anders ist McLaren als Honda und Brawn? Ist der Unterschied zum ursprünglichen Honda-Team sehr groß?"
Button: "Ich will nicht zu viele Vergleiche ziehen, aber wenn man sich die beiden Teams anschaut, dann sind sie einander zunächst einmal sehr ähnlich. Beide haben erstaunliche Anlagen. Von außen betrachtet ist die McLaren-Fabrik wunderschön, was zum Beispiel für die vielen großen Sponsoren wichtig ist. Der Unterschied ist, dass McLaren genau weiß, wie man gewinnt, weil sie es in den vergangenen Jahrzehnten oft geschafft haben. Honda war als Motorenhersteller sehr erfolgreich, aber als eigenes Team weniger. Das ist anders."

Permanent auf hohem Niveau

"Und bei McLaren weißt du einfach, dass sie fast jedes Jahr um die Weltmeisterschaft kämpfen werden - wenn nicht, dann stimmt etwas nicht. Die meisten anderen Teams können auch Weltmeister werden, aber sie sind nicht permanent auf so hohem Niveau. Ferrari und McLaren sind die beiden Teams, auf die das zutrifft. Man darf Honda und Brawn aber nicht schlechtmachen, denn sie haben mich als Fahrer und als Mensch geprägt, weil ich so lange Zeit dort gefahren bin."

Frage: "Findest du, dass die 2010er-Regeln ohne Nachtanken, mit den neuen Reifen und dem Punktesystem funktionieren?"
Button: "Ich finde, das Qualifying mit wenig Benzin funktioniert. Das ist toll! Wir sehen wieder, wer am schnellsten ist - das ist wie ein Rennen für sich. Was die Reifen angeht, bin ich mir nicht so sicher, denn wir haben mechanischen Grip weggenommen, was nie hilfreich ist, besonders hinter einem Gegner, weil man da den aerodynamischen Anpressdruck verliert. Andererseits wurde in den vergangenen Rennen ziemlich viel überholt."

Frage: "Aber dazu hat doch auch das Wetter beigetragen, findest du nicht?"
Button: "Möglich. Wir müssen da ein Auge drauf halten. In zwei, drei Rennen können wir dann die Gesamtsituation einschätzen. Das erste Rennen war nicht besonders aufregend - viele haben das gesagt und ich stimme zu. Aber dann hatten wir Melbourne, Malaysia und China mit deutlich mehr Überholmanövern."


Fotos: Jenson Button, Großer Preis von China, Sonntag


"Ich liebe es, mit wenig Benzin zu fahren. Es ist aufregend, wenn sich die Autos bewegen, wenn man mehr mit ihnen anstellen kann. Mit viel Benzin macht das Fahren weniger Spaß, aber das ist nun mal der Stand der Dinge. Wir müssen mit allen Regeländerungen zurechtkommen, die sie uns vorsetzen. Ob es dem Racing hilft, können wir erst später in der Saison beurteilen. Dafür ist es jetzt noch zu früh."

Frage: "Hilft es deinem Fahrstil, dass mit viel Benzin und damit Gewicht gestartet wird?"
Button: "Vielleicht schon, aber deswegen ist das Fahren auch nicht aufregender. Bei den meisten Rennen werden wir dieses Jahr nur einen Stopp einlegen. Das kann für mich nicht schlecht sein, denn mein Fahrstil ist sehr reifenschonend. In Australien und Malaysia habe ich jeweils fast 50 Runden mit einem Reifensatz zurückgelegt - mehr als jeder andere!"

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