Österreich hat schon wieder eine Formel-1-Hoffnung

Norbert Siedler ist der nächste Österreicher, der den Sprung in die Formel 1 schaffen könnte - ChampCar-Vertrag für 2006 möglich

(Motorsport-Total.com) - Österreich mag geo- und demografisch gesehen ein kleines Land sein, doch in der Formel 1 ist die Alpenrepublik mit vier WM-Titeln und 41 Grand-Prix-Siegen eine wahre Großmacht. Derzeit ist Österreich mit zwei Piloten - Christian Klien bei Red-Bull-Cosworth und Alexander Wurz als Edelreservist bei McLaren-Mercedes - in der Königsklasse des Motorsports vertreten, während auch Patrick Friesacher versucht, seinen Fuß noch 2005 in die Jordan-Toyota-Tür zu bekommen.

Titel-Bild zur News: Norbert Siedler

Norbert Siedler bei seinem Formel-1-Test im Dezember 2003 in Vallelunga

Doch neben diesen drei Etablierten gibt es noch einen weiteren Namen, den man sich merken sollte: Norbert Siedler. Der 22-Jährige hat im Dezember 2003 in Italien schon einmal einen Minardi-Cosworth getestet und führt derzeit die Formel-3000-Euroserie souverän an. Zwar käme es mehr als überraschend, ihn schon kommende Saison in der Formel 1 zu sehen, doch ein Einstieg in die nordamerikanische ChampCar-Serie gilt als durchaus denkbar.#w1#

Siedlers Traumziel ist und bleibt die Formel 1

'F1Total.com' traf sich in der malerischen Wildschönau in Tirol zum Mittagessen in einem Hüttenrestaurant mit dem Nachwuchspiloten und dessen Manager Edi Nikolic. Dabei erlaubte Siedler Einblicke in sein Leben als Motorsportler und er vertraute uns seine Zukunftshoffnungen an. Denn selbst wenn ihn sein Weg zunächst in die ChampCar-Serie führen sollte, in der er bereits für das Walker-Team getestet hat, bleibt das absolute Traumziel ein anderes: Formel-1-Weltmeister werden.

Frage: "Wie bist du als Kind zum Motorsport gekommen?"
Siedler: "Mein Vater war früher Mechaniker bei Gerhard Berger und beim alten Wendlinger. Als ich neun Jahre alt war, kaufte er sich ein Go-Kart. Er hat mich dann einmal fahren lassen - und ich war sofort schneller als er! Da hat er eingesehen, dass er das auch gleich lassen kann und lieber mich fahren lassen sollte..."

Frage: "Hat dich das Kartfahren von Anfang an fasziniert?"
Siedler: "Auf jeden Fall! Ich bin ja zuerst Motocross gefahren, aber das musste ich dann sein lassen, weil meine Mutter damit nicht einverstanden war. Mit neun Jahren habe ich dann wie gesagt zum Kartfahren begonnen, aber darüber war meine Mutter nicht gerade erfreut. Sie war einmal bei einem Test beim Kartfahren dabei, schaute sich das aber nur eine Minute an und verschwand dann gleich hinter dem Bus. Seitdem war sie nie mehr dabei! Heute ist sie immer die Erste, die mich nach einem Rennen anruft, weil sie sich solche Sorgen macht..."

Hineingeboren in die Heimat von Gerhard Berger

Dass Mama Siedler noch immer Angst um ihren Sohn hat, ist insofern verwunderlich, als in Siedlers Heimat, der Wildschönau, viele Formel-1-Stars verwurzelt sind: Gerhard Berger kommt aus dem benachbarten Wörgl, Karl Wendlinger aus Kufstein - und die deutsche Sternschnuppe Stefan Bellof, die bei einem Sportwagenrennen in Spa in der Eau Rouge tödlich verunglückt ist, noch bevor sie richtig glänzen konnte, hatte beim Kellerwirt, wo Siedler gern gesehener Gast ist, ihr zweites Zuhause.

Der kleine Norbert wuchs also inmitten von Österreichs ultimativer Formel-1-Gegend auf, wenn man so will. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte er eine Lehre an der Tankstelle seines Onkels, ehe er mit 17 den Führerschein machte und gleich einmal das eine oder andere Auto zerlegte. Heute fährt der sympathische Blondschopf, der übrigens seit vier Jahren - mit einem "Boxenstopp" von sechs Monaten - bei seiner Freundin in festen Händen ist, einen silbergrauen Seat, in dem er immer ein Fahrrad dabei hat, schließlich trainiert er vier Stunden täglich.

Frage: "Welche Vorbilder aus der Formel 1 hattest du, als du so langsam einen Fuß in die professionelle Schiene des Motorsports bekamst?"
Siedler: "Senna."

Senna-Physiobetreuer Josef Leberer betreut auch Siedler

Frage: "Warum?"
Siedler: "Wir haben denselben Physiotherapeuten, Josef Leberer. Er erzählt mir manchmal, was Senna alles gemacht hat. Das war einfach ein Typ, wie es ihn heute nicht mehr gibt."

Frage: "Du hast vor anderthalb Jahren einen Minardi-Cosworth getestet. Was ist davon hängen geblieben?"
Siedler: "Was am meisten hängen geblieben ist, sind die Bremsen eines Formel 1. Die ChampCars haben Stahlbremsen drin, die Formel 1 fährt aber Karbonbremsen. Das ist ein großer Unterschied. Die Beschleunigung ist fast gleich wie bei den ChampCars, vielleicht ein bisschen besser."

"Wenn man das Fahren nicht gewöhnt ist, ist ein ChampCar aber fast schwieriger zu handhaben als ein Formel 1, denn ein ChampCar hat keine Servolenkung und keine Traktionskontrolle. Da hängt es noch mehr vom Fahrer und vom Ingenieur ab, ob das Auto gut ist oder nicht. In der Formel 1 gibt es viel mehr elektronische Fahrhilfen. Daher ist die ChampCar-Serie für einen Fahrer vielleicht sogar interessanter. Ein Formel-1-Auto hat dafür viel mehr Grip und Downforce."

Frage: "Ist die Formel 1 eigentlich noch etwas Besonderes? Wird sie dem Anspruch der Königsklasse in deinen Augen gerecht?"
Siedler: "Das ist schon etwas Besonderes, ja - nicht nur vom Medienrummel und vom öffentlichen Interesse her, sondern auch ganz einfach wegen der Autos. Die Formel 1 ist ungefähr sieben oder acht Sekunden schneller als die ChampCar-Serie. Die Formel 1 wird immer die Formel 1 bleiben. Es gibt halt diese Fahrhilfen und so weiter, aber schließlich ist es auch die Königsklasse des Motorsports."

Nach Formel-1-Test: "Edi, ein Wahnsinn, wie das abgeht!"

Vom Minardi-Test Siedlers in Vallelunga ist auch folgende Geschichte überliefert: Die Ingenieure des finanzschwachen Teams schulten den damals 20-Jährigen sorgfältig ein und ermahnten ihn zu Vorsicht. Als er nach der ersten Runde zurückkam, klappte er das Visier hoch und grinste seinem Manager unbekümmert ins Gesicht: "Edi, ein Wahnsinn, wie das abgeht!" In den 46 restlichen Runden erreichte er eine respektable Bestzeit von 1:04.260.

"Früher hätte ich nie gedacht, dass ich so weit komme, aber jetzt werden wir natürlich probieren, dass ich es noch weiter hinauf schaffe. Ich sehe ja, dass ich fahrerisch da mithalten kann. Bei meinem Formel-1-Test war ich gleich schnell wie der Bruni. Das war einfach etwas Spezielles", sagt Siedler heute. Formel 1 um jeden Preis ist aber nicht seine Motivation: "Mir ist lieber, in der ChampCar-Serie bei einem guten Team zu fahren als in der Formel 1 bei Minardi."

ChampCar-Vertrag für kommende Saison durchaus möglich

Dass nächstes Jahr etwas passieren wird, glaubt der 22-Jährige "auf jeden Fall", zumal er schon diese Woche gemeinsam mit seinem Manager erneut nach Denver jettet, um die Kontakte zur nordamerikanischen Rennszene zu intensivieren. Vorerst steht aber noch die Formel 3000 im Vordergrund: "Jetzt ist einmal wichtig, dass ich dieses Jahr Meister werde. Da sieht es sehr gut aus. Und dann müssen wir für nächstes Jahr etwas zustande bringen", erklärt er.

Vom Auftreten her erinnert Siedler ein bisschen an Kimi Räikkönen, der ihm von allen gegenwärtigen Formel-1-Piloten am meisten imponiert. Der Österreicher ist ruhig und bescheiden, hält nicht viel von großen Sprüchen und würde mit seinen blonden Haaren glatt als astreiner Finne durchgehen. Nur eines hat er mit dem berühmten "Iceman" nicht gemeinsam: die Skandale. Lediglich an seinem Geburtstag kann es schon mal vorkommen, dass er eine Cola-Rum über den Durst trinkt...

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