• 20.09.2010 19:28

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Neuer Motor: Kostenkontrolle und Serienrelevanz

Die Analyse: Wie die Motorenhersteller die neuen Turbos kostengünstig halten wollen und warum ihnen der Technologietransfer so wichtig ist

(Motorsport-Total.com) - 2013 wird in der Formel 1 ein völlig neues Motorenformat eingeführt, dessen Eckdaten zwar noch nicht formell beschlossen sind, über die aber angeblich weitgehend Konsens herrscht: 1,6 Liter Hubraum, vier Zylinder in Reihe, Turbolader mit drei bar Ladedruck, Drehzahlbegrenzer bei 10.500 Touren, ungefähr 650 PS Leistung und integriertes Hybridsystem (KERS).

Titel-Bild zur News: V6-Turbo von Ford-Cosworth

Ford-Cosworth hat bereits 1986 einen V6-Turbo für Carl Haas entwickelt

Im Fahrerlager wird über diesen Reglemententwurf gesprochen, als wäre er längst in Stein gemeißelt, dabei ist das noch lange nicht der Fall. "Das Reglement, wie es jetzt diskutiert wird, ist zu kostenintensiv. Da sind sich alle einig. Aus dem Grund muss man noch einige Änderungen machen", erklärt zum Beispiel Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Auch Frank Williams befürchtet: "Das wird immens teuer."#w1#

Denn vom rein technologischen Standpunkt besteht kein Zweifel daran, dass die aktuellen 2,4-Liter-V8-Motoren nicht mehr zeitgemäß sind und auf kleinere Triebwerke umgerüstet werden sollte. Doch jede signifikante Regeländerung ist mit hohen Kosten verbunden - und die sollen seit der Wirtschaftskrise möglichst im Rahmen gehalten werden. Insofern ist nicht gesagt, dass die Arbeitsgruppe Motoren der FIA bei ihrem nächsten Treffen Ende September schon Beschlüsse fassen wird.

Noch viel Detailarbeit nach dem Entwurf

"Ich glaube nicht, dass unsere Arbeit schon im September enden wird", vermutet Ferrari-Motorenchef Luca Marmorini im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Wir müssen noch viel mehr ins Detail gehen, um zu vermeiden, dass für einige Entwicklungsbereiche unvernünftige Summen ausgegeben werden. Der Entwurf sollte also bald abgesegnet werden, aber dann muss noch viel Arbeit folgen, um zu gewährleisten, dass aus den neuen Regeln keine unvernünftigen Kosten entstehen."

"Das Investment, das für 2013 erforderlich ist", schaltet sich Tim Routsis in die Diskussion ein, "hängt von der Art und Weise ab, wie wir die Regeln formulieren." Der Cosworth-Geschäftsführer rechnet "mit einer vernünftigen Summe im achtstelligen Bereich", allerdings nicht nur für den neuen Turbomotor, sondern für den kompletten Antriebsstrang. Der soll ab 2013 bekanntlich ein in Kapazität und Energieform revolutioniertes KERS beinhalten.

Für die Motorenhersteller ist auch entscheidend, dass Technologien zum Einsatz kommen, die nicht nur für die Formel 1, sondern auch für die Automobilindustrie oder andere Anwendungsbereiche relevant sind. Denn: "Wenn wir außerhalb der Formel 1 keine Verwendung dafür haben, dann werden wir es nicht machen, wenn wir keine Teams finden, die dafür bezahlen", stellt Routsis klar. "Gibt es aber andere Anwendungen, dann haben wir auch finanziellen Spielraum."

¿pbvin|512|2545||0|1pb¿Einen ähnlichen Gedankengang hatte auch Williams beim Investment in den neuen Unternehmenszweig Williams Hybrid Power (WHP), der sich ausschließlich mit Hybridtechnologie beschäftigt und neuerdings von Gordon Day geleitet wird. WHP entwickelt ein KERS für die Formel 1, doch sollten die Entwicklungskosten dafür nicht gedeckt sein, so kann die Technologie in Form von anderen Anwendungen wenigstens an andere Kunden verkauft werden.

Außerdem ist Routsis wichtig: "Wir müssen noch sicherstellen, dass es nicht wieder zu einem finanziell leichtsinnigen Wettrüsten kommen kann", warnt er im Hinblick auf die Saison 2013. "Aus den Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppe der Motorenhersteller geht eindeutig hervor, dass sich niemand - egal wie groß oder klein - ein Wettrüsten leisten möchte. Diesbezüglich stehen uns noch einige Verhandlungsrunden bevor, glaube ich."

Homologierung nur noch für ein Jahr

Cosworth meint damit aber keine "eingefrorenen" Motoren, wie das derzeit (noch bis Ende 2012) der Fall ist: "Die Absicht ist, die Motoren für ein Jahr zu homologieren. Die Basisarchitektur wird aber möglicherweise für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt", so Routsis. Das würde bedeutet, dass ein in Rückstand geratener Hersteller nach jeder Saison seinen etwaigen Rückstand aufholen darf, ohne aber millionenschwere Überraschungen aus dem Hut zaubern zu können.

Routsis philosophiert weiter: "Wir müssen erkennen, dass der Verbrennungsmotor jetzt schon seit ungefähr 100 Jahren existiert und es viele Bereiche gibt, die nur noch sehr schwierig zu verbessern sind. Wenn zum Beispiel Hub und Bohrung frei wären, dann würden alle viel Geld investieren, um das optimale Hub/Bohrungs-Verhältnis zu finden. Würde das aber unterm Strich wirklich einen großen Unterschied machen? Nein."

"Es gibt eine Vielzahl solcher Dinge, die wir einfach festschreiben können, um nicht viel Geld dafür auszugeben, Dinge neu zu lernen, die bereits vor Jahren gelernt wurden", erläutert der Cosworth-Geschäftsführer. "Stattdessen sollten wir uns auf Bereiche wie Benzineffizienz und die bessere Nutzung der thermischen Abwärme konzentrieren. Wenn wir da den richtigen Kompromiss finden, können wir die Kosten unter Kontrolle halten."

Tim Routsis

Tim Routsis von Cosworth plädiert für möglichst viel Serienrelevanz Zoom

Auch Tony Fernandes schlägt in die gleiche Kerbe: "Wir müssen technologisch mehr dazu beitragen, der Motorenindustrie zu helfen. Das fängt zum Beispiel bei den richtig dimensionierten Felgen an. Bei solchen Dingen müssen wir in eine Richtung gehen, die uns näher zusammenbringt", findet der Lotus-Teamchef. "Die Formel 1 hat die besten Gehirne, also sollten wir diese auch nutzen, um bessere Straßenautos zu bauen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen."

"Ich bin kein Autofreak. Ich liebe guten Sport und Wettbewerb, aber wenn ich die Energie sehe, die hier aufgewendet wird, um eine Hundertstelsekunde zu finden, auch das Geld, dann meine ich, dass Teile dieser Mittel bei KERS oder einer gesteigerten Benzineffizienz besser aufgehoben wären", fügt Fernandes gegenüber 'Motorsport-Total.com' an und unterstreicht: "Daher unterstütze ich Jean Todts Initiativen in diese Richtung voll und ganz."