• 16.09.2010 14:55

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Ferrari verliert den Kampf um das V6-Format

2013 kommt voraussichtlich der Vierzylinder-Turbomotor, obwohl sich Ferrari einen wahrscheinlich kostengünstigeren V6 gewünscht hätte

(Motorsport-Total.com) - Unter dem Vorsitz von Ex-Ferrari-Mitarbeiter Gilles Simon tagt derzeit etwa alle zwei Wochen die Arbeitsgruppe Motoren der FIA. Ziel der Verhandlungsrunde ist es, bis allerspätestens Ende dieses Jahres ein endgültiges Motorenreglement für 2013 und danach auszuarbeiten. Wie berichtet sind diese Diskussionen bereits recht weit fortgeschritten.

Titel-Bild zur News: Ferrari-V6-Turbomotor von 1985

Einen V6-Motor wie diesen von 1985 hätte sich Ferrari wieder gewünscht

Nach aktuellem Stand der Dinge wird 2013 ein auf 10.500 Umdrehungen pro Minute begrenzter 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo mit drei bar Ladedruck und ungefähr 650 PS eingeführt. Zudem soll die via Knopfdruck abrufbare Zusatzleistung von KERS von bislang 82 PS für 6,7 Sekunden pro Runde drastisch erhöht werden. Doch wie so oft in der Formel 1 musste erst hart verhandelt werden, ehe sich die Teams auf diesen Entwurf einigen konnten.#w1#

Immer schon gegen Reihenanordnung

Denn Ferrari akzeptiert den Umstieg von acht Zylindern in V-Anordnung auf vier Zylinder in Reihe nur widerwillig: "Ferrari war nie ein Fan der Reihenanordnung, aber das ist ja nicht neu. Die Kollegen von den anderen Teams wissen das", erklärt Motorenchef Luca Marmorini gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Doch Ferrari hat den Kampf um das anvisierte V6-Format gegen die anderen Motorenhersteller verloren.

"Es geht nicht nur darum, dass der V6 für Ferrari-Straßenautos ein vernünftigerer Motor wäre", erläutert der Ex-Toyota-Ingenieur, der seit Saisonbeginn in Maranello arbeitet, "sondern vor allem glauben wir, dass die Installation eines Vierzylinder-Reihenmotors eine so große Änderung des Fahrzeugdesigns erforderlich macht, dass ein V6 billiger wäre. Das war unser Argument, aber es wurde nicht akzeptiert. Wir haben das Ergebnis des Treffens dennoch akzeptiert."

Marmorini betont jedoch ausdrücklich, dass es sich derzeit "nur um einen Entwurf, nicht um ein Reglement" handelt. Diesen Entwurf müsse man noch feintunen, um überflüssige Kosten zu vermeiden. Denn man braucht kein Genie zu sein, um zu erkennen, dass ein Reihen-Vierzylinder mehr Geld kosten wird als ein V6. Daher wird dem aktuellen Motorenentwurf auch Skepsis gegenübergebracht: "Das wird immens teuer", befürchtet zum Beispiel Frank Williams.

¿pbvin|512|3122||0|1pb¿Einen "für die Formel 1 adäquaten Motor" fordert Helmut Marko; "außerdem müssen die Kosten kalkulierbar und überschaubar sein. Das Reglement, wie es jetzt diskutiert wird, ist zu kostenintensiv. Da sind sich alle einig", findet der Red-Bull-Motorsportkonsulent. "Aus dem Grund muss man noch einige Änderungen machen. Für die jetzige ökonomische Situation sind die Entwicklungskosten, die da auf die Formel 1 zukommen, zu hoch."

Gleichzeitig gilt es den Spagat zwischen sportlicher Attraktivität, Kostenkontrolle und Umweltrelevanz zu schaffen. Für Ferrari ist wichtig, "dass die Technologie wieder in den Vordergrund rückt", sagt Marmorini. "Damit meine ich, dass wir einen Technologietransfer zu den Straßenautos herstellen müssen. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht so streng sein, dass die Geschwindigkeit der Formel 1 komplett beschnitten wird."

Ferrari warnt vor Schnellschüssen

"Der neue Motor muss über neue Technologien verfügen, aber auf sorgfältige Art und Weise, denn wir müssen vermeiden, dass zum Beispiel viel Geld in Batterien investiert wird, die nur in der Formel 1 und sonst nirgends eingesetzt werden", gibt der Ferrari-Motorenchef zu Protokoll. "Das ist ein Punkt, wo wir jetzt noch nicht bereit sind, und alle Firmen müssen im Vorhinein sicherstellen, dass wir so einen Fehler nicht begehen."

Umweltseitig relevant ist auch der Benzinverbrauch, der ab 2013 gesenkt werden soll: "Wir visieren etwa 35 bis 50 Prozent weniger an als jetzt", erklärt Cosworth-Geschäftsführer Tim Routsis. "Die Autos sollen aber die gleichen Rundenzeiten und die gleiche Distanz schaffen. Das ist eine schöne Herausforderung." Zur Überwachung der Benzineffizienz wird zudem eine maximale Gesamtbenzinmenge sowie ein Sensor zur Messung der Durchflussmenge eingeführt.


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Italien, Sonntag


Die Befürchtung, dass mit dem Comeback der Turbos im Qualifying kurzzeitig der Ladedruck erhöht werden könnte, um die Leistung für eine einzige Runde zu verbessern, ist eher kein Thema: "Die Regeln sind so geschrieben, dass im Qualifying niemand etwas total Wildes machen kann. Die Absicht ist, dass der Motor in Qualifying und Rennen gleich sein soll", wischt Routsis entsprechende Bedenken vom Tisch.

Sorgen bereitet dafür vielen die Soundkulisse, denn die derzeitigen V8-Saugmotoren sorgen vor Ort für einen ohrenbetäubenden und beeindruckenden Geräuschpegel. Im Gegensatz dazu stellt es beispielsweise beim GP3-Motorensound einem jeden Rennfan die Haare auf. Die Turbos werden auf jeden Fall leiser sein, doch so gut es geht wollen die Motoreningenieure an der Zündfolge drehen, um diesem Problem entgegenzusteuern.

Aber: "Es wird anders sein", gesteht Routsis ohne Umschweife ein. "Man sollte aber nicht vergessen, dass wir in der Formel-1-Geschichte mit so ziemlich jeder erdenklichen Konfiguration gefahren sind. Der Sound war da immer unterschiedlich. Keine Frage, ein turbogeladener Motor wird immer ein bisschen leiser sein als ein Saugmotor mit offenliegendem Auspuff. Mit der Zündfolge herumzuspielen, kann aber einen erheblichen Unterschied machen."