• 03.09.2001 14:25

Nach dem Schock bleibt Angst: F1-Beteiligte nachdenklich

Ein Wunder dass Burti lebt, Kritik an der Sicherheit von Spa - das Rennen in Belgien hinterlässt seine Spuren

(Motorsport-Total.com/dpa) - Luciano Burti erholte sich langsam, Michael Schumacher wurde nachdenklich - und viele redeten vom großen "Wunder": Der fürchterliche Unfall des Brasilianers hat dem neuen Weltrekordhalter Schumacher und der Formel-1-Szene die ständig lauernde Lebensgefahr deutlich vor Augen geführt und neue Diskussionen um die wahnsinnige Zeitenjagd ausgelöst. "Wir müssen darüber nachdenken, was wir weiter verbessern können", mahnte Schumacher in Spa nach seinem 52. Grand-Prix-Erfolg, der ihn zum siegreichsten Formel-1-Piloten aller Zeiten machte. "Der Unfall zeigt, dass der Rennsport nach wie vor Gefahren hat, an denen wir arbeiten müssen und werden. Leider wird es absolute Sicherheit nie geben."

Titel-Bild zur News: Luciano Burtis Auto

Wie durch ein Wunder blieb die Überlebenszelle des Prost intakt

Unfallopfer Burti, der nach dem spektakulären Crash in Hockenheim bereits zum zweiten Mal innerhalb von fünf Wochen fast unverletzt davon gekommen war, erholte sich am Montag im Krankenhaus von seiner Gehirnerschütterung und den Prellungen. Allerdings bleibt er - anders als zunächst mitgeteilt - voraussichtlich bis zum Freitag in der Universitätsklinik in Lüttich, teilte eine Sprecherin des Prost-Teams am Montag auf 'dpa'-Anfrage mit. "Es geht ihm heute definitiv besser." Burti sei über Nacht in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt worden. Die Untersuchungen hätten zwar keine Auffälligkeiten ergeben, aber vorsichtshalber bleibe er noch ein paar Tage unter Beobachtung.

Trotz der Erleichterung über die wundersame Rettung des 26- Jährigen wurde nach dem Großen Preis von Belgien Kritik an dem berüchtigten Traditionskurs und der mit rund 300 km/h schnellsten Formel-1-Kurve 'Blanchimont' laut. "Die Strecke hat nur Teilbereiche, die zeitgemäß sind", sagte Ralf Schumacher, der schon vorher auf die seiner Ansicht nach nicht ausreichende Auslaufzone hingewiesen hatte: "Wenn mal etwas kaputt geht, möchte ich nicht gerade da einschlagen." David Coulthard erklärte: "Die Kurve ist gefährlich. Sie müsste verändert werden, um Unfälle zu vermeiden." Jaguar-Teamchef Niki Lauda, dessen Pilot Eddie Irvine vor Burtis Abflug mit dem Prost-Acer des Brasilianers kollidiert war, mahnte grundsätzliches Umdenken an: "Wir müssen diskutieren, ob schnelle Strecken noch zeitgemäß sind."

Gegensätzlicher hätten die Eindrücke von dem chaotischen Rennen nicht sein können. Der viermalige Weltmeister Schumacher (104 Punkte) eilt nach seinem vorzeitigen Titelgewinn weiter von Erfolg zu Erfolg und kann bald noch die Punkte-Bestmarke von sich und Nigel Mansell (je 108) sowie nach dem achten Sieg des Jahres auch den Gewinn-Rekord (9) pro Saison erreichen. Doch die Crash-Bilder lösten Erinnerungen an den letzten Unfall-Tod eines Formel-1-Piloten aus, den des Brasilianers Ayrton Senna. "Ich habe an das Unglück am 1. Mai 1994 in Imola gedacht", schrieb der Kommentator der 'Gazzetta dello Sport'.

"Es war sicherlich für alle ein Schock", so Schumacher. "Alle müssen sich zusammensetzen und die Sicherheit der Strecken weiter entwickeln", forderte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. "Es sah grausam aus", kommentierte Heinz-Harald Frentzen den Einschlag des Teamkollegen, "ich dachte, es wäre aus". Teamchef Alain Prost meinte: "Es ist fast ein Wunder, dass er außer Gefahr ist."

Wahrscheinlich retteten die in den letzten Jahren ständig verschärften Sicherheits-Standards für das Cockpit sowie die umfangreichen Reifenstapel - vier Reihen hintereinander - Burti das Leben. "Das System zum Schutz von Nacken und Kopf hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass Luciano nicht ernsthaft verletzt wurde", meinte Irvine, der Burti zu Hilfe geeilt war. Die Kohlefaser-Sicherheitszelle mit den Absicherungen für Kopf und Nacken war heil geblieben. "Ohne die Reifen wäre er tot", sagte Prost. "Zu meiner Zeit hätte man einen Einschlag bei der Geschwindigkeit nie überlebt", so Lauda.

Die Piloten haben offenbar auch wachsame Schutzengel. In dieser Saison zeigte die Formel 1 mehrmals seine grausame Seite. Beim Auftakt in Melbourne starb ein Streckenposten nach den Crash des Kanadiers Jacques Villeneuve. Michael Schumacher hatte vier Unfälle, Frentzen musste in Montreal Crash-bedingt pausieren, Nick Heidfeld erwischte es dort auch. "Nennen wir es ruhig Formel Wunder - Burti lebt, aber in dieser Saison haben viel zu viele Piloten ihr Leben riskiert", fand der italienische "Corriere della Sera."