• 02.09.2001 18:09

  • von Fabian Hust

Riesige Erleichterung nach Burtis Horrorcrash

Wie durch ein Wunder kam Luciano Burti bei seinem Horrorcrash ohne schwerere Verletzungen davon

(Motorsport-Total.com) - Als Prost-Acer-Pilot Luciano Burti um 14:20 Uhr bei rund 300 Stundenkilometern nach einem gescheiteren Überholversuch an Eddie Irvine kurz vor der 'Blanchimont'-Kurve von der Strecke abkam und mit noch rund 250 km/h in die Reifenstapel krachte, da musste man das Schlimmste befürchten.

Titel-Bild zur News: Luciano Burtis Auto

Wie durch ein Wunder blieb die Überlebenszelle des Prost intakt

Wegen des abgebrochenen Frontflügels fehlte Burti auf der Vorderachse der Anpressdruck und so raste er fast ohne Lenk- und Bremswirkung auf die Reifenstapel zu. Zum Glück waren vier Reifenstapel hintereinander aufgestellt und es folgte nicht wie beim ähnlich aussehenden Unfall 1999 von Michael Schumacher in Silverstone eine starre Betonmauer sondern eine Leitplanke, die ein paar Zentimeter nachgeben konnten. Diese Sicherheitsmaßnahmen haben dem 26-jährigen Brasilianer wohl das Leben gerettet.

Schon in Hockenheim Ende Juli hatte der jetzige Teamkollege von Heinz-Harald Frentzen seine Schutzengel beinahe überstrapaziert, als er auf Michael Schumacher nach dem Start auffuhr, in die Luft abhob und kopfüber auf dem Asphalt aufschlug. Damals war er mit einem angeschlagenen Arm davongekommen. Der Unfall in Spa-Francorchamps sah aber um ein vielfaches schlimmer aus, denn das Auto steckte komplett unter den Reifenstapeln fest, der Fahrer war nicht mehr zu sehen.

Augenzeuge Heinz-Harald Frentzen war nach dem schweren Unfall seines Teamkollegen total geschockt: "Ich war dahinter, und es sah grausam aus. Ich war so erschrocken, konnte gar nichts sagen. Ich dachte, es wäre aus. Es war ein unglaublicher Aufprall", sagte der Prost-Pilot nach dem Grand Prix von Belgien und stellte fest: "Dass Burti - in Anführungsstrichen - nur eine Gehirnerschütterung hat, ist ein Wunder für mich. Er muss über Nacht im Krankenhaus bleiben, wird dort weiterhin untersucht, aber er ist bei Bewusstsein."

Minutenlang schienen die Streckenposten nicht so recht zu wissen, was sie machen sollten, der herbeigeeilte Eddie Irvine, der mit seinem Jaguar ebenfalls recht heftig in die Reifenstapel geflogen war, eilte herbei und half bei der Bergung Burtis. "Das Schlimmste war, dass Eddie den Posten sagen musste, dass sie das Medical Car verwenden sollen, um das Auto von Burti aus dem Reifenstapel zu ziehen", erklärte Jaguar-Teamchef Niki Lauda. Auf Funksprüche des Teams hatte Burti nicht geantwortet.

Die Erleichterung war Eddie Irvine bald in das Gesicht geschrieben, als er sah, dass Burti nach dem Herausheben aus dem Auto ansprechbar war und sich bewegen konnte. "Gott sei Dank lebt er", machte Teamchef Alain Prost zehn Minuten nach dem Unfall deutlich, was vielen Experten nach dem schrecklichen Bildern durch den Kopf gegangen war. Und der Franzose gibt vor dem Neustart des Rennens Entwarnung: "Er atmet, er ist bei Bewusstsein, er spricht." Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gab diese positive Nachricht vielen Piloten persönlich mit auf den Weg zum zweiten Start des Rennens.

Für viele kam nicht nur der Unfall von Michael Schumacher 1999 in Silverstone ins Gedächtnis zurück, sondern auch die Bilder nach den zwei tödlichen Unglücken mit Streckenposten, bei denen auch minutenlang mit vorgehaltenen Tüchern zum Sichtschutz vor Ort behandelt worden war - die Bilder glichen sich fast schon zu sehr. Da musste man auch skeptisch bleiben, als kein Rettungshubschrauber, sondern ein Krankenwagen den Brasilianer abtransportierte.

Nach einer ersten Untersuchung im Medical Centre an der Strecke wurde Burti in ein Krankenhaus nach Lüttich verlegt, um innere Verletzungen auszuschließen, sein Zustand wird als stabil bezeichnet. Im kleinen Streckenhospital konnte man keine Knochenbrüche diagnostizieren - ein Wunder. "Er hat wohl zum Glück nur eine Gehirnerschütterung, aber ganz ohne Folgen kommt man bei so etwas nicht weg", meinte Michael Schumacher nach dem Rennen. Vielleicht hat das Sicherheitssystem HANS (Head And Neck Support) auch Verletzungen verhindern können, denn Burti soll dieses System nach Aussage von Eddie Irvine getragen haben, das in dieser Saison noch keine Vorschrift ist.

Zusätzlich zu den verbesserten Sicherheitsvorkehrungen an der Strecke selbst half Burti auch die Überlebenszelle im Auto, das so genannte Monocoque, eine rund 40 Kilogramm schwere Wanne aus Kohlefaser, in der die Fahrer sitzen. Sie hielt der ungeheuren Wucht des Einschlags in die Reifenstapel und die dahinter liegende Leitplanke stand und verhinderte schwere Beinverletzungen. "Vor Jahren wäre das komplette Chassis zerknittert gewesen", lobte Niki Lauda die Fortschritte.

Das gesamte Formel-1-Lager wünscht Luciano Burti gute Besserung und hofft, dass Burti so bald wie möglich wieder in sein Auto steigen kann. Geben auch die letzten Untersuchungen in Lüttich Entwarnung, darf man sich Hoffnungen machen, dass Burti gar schon in Monza in zwei Wochen wieder im Auto sitzt. Es wäre ein Wunder, wenn Burti ohne körperliche Verletzungen diesen Horrorcrash überlebt hat. Das Wunder wurde aber nur möglich durch die ständigen Verbesserungen der Sicherheitsvorkehrungen an Auto und Strecke.