Mosleys Pyrrhussieg in der Analyse

Trotz des massiven Widerstandes der bedeutendsten FIA-Mitglieder gewann Max Mosley die Vertrauensabstimmung in Paris - ein Pyrrhussieg?

(Motorsport-Total.com) - Es ist mit Sicherheit sein persönlicher Triumph: Mit einer Mehrheit von 60,95 Prozent aller Delegiertenstimmen wurde Max Mosley heute in Paris als FIA-Präsident bestätigt. Dabei hatte es im Vorfeld enormen Widerstand gegen den wegen eines Sexskandals umstrittenen Juristen gegeben, weil diverse Automobilhersteller und nationale Verbände ihn als untragbar ansehen.

Titel-Bild zur News: Max Mosley

FIA-Präsident Max Mosley feierte heute einen großen persönlichen Triumph

Zunächst hatten sich nach Bekanntwerden der Mosley-Affäre am 30. März durch die Boulevardzeitschrift 'News of the World' vier der sechs in der Formel 1 engagierten Automobilkonzerne schriftlich vom FIA-Präsidenten distanziert; erst vor ein paar Tagen folgte dann ein Schreiben von 24 nationalen Verbänden, die Mosley ebenfalls zum Rücktritt aufforderten. Bereits zuvor hatte sich das World Council für Mobilität und Tourismus gegen ihn gestellt.#w1#

Alle Großen stimmten gegen Mosley

Mosley hatte heute also mächtige Gegner, allen voran die mitgliederstärksten und einflussreichsten Verbände AAA (USA), JAF (Japan) und ADAC (Deutschland). Doch gleichzeitig spielten die FIA-Statuten in seine Hände, denn die Stimmen der AAA, der viele Millionen Mitglieder angehören, waren im Konferenzsaal am Place de la Concorde genauso viel wert wie die Stimmen eines beliebigen Verbandes irgendeiner Bananenrepublik.

Sprich: Selbst wenn der 68-Jährige die 84 mächtigsten und wichtigsten Stimmen gegen sich gehabt hätte, so wäre er mit 85 Gegenstimmen von Automobilklubs, die in Summe weit weniger Autofahrer repräsentieren, bestätigt worden. Das wiederum legt den Schluss nahe, dass sein heutiger Triumph, der zweifellos für seine politische Cleverness spricht, in Wahrheit ein Pyrrhussieg war, von dem eigentlich niemand etwas hat.

Denn schon jetzt regt sich Widerstand gegen die Mosley-Bestätigung: Der ADAC hat sich als Boykottmaßnahme mit sofortiger Wirkung aus allen FIA-Arbeitsgruppen zurückgezogen und will bei diesem Standpunkt bleiben, solange an der FIA-Spitze kein Personalwechsel vollzogen wird. Noch heute soll es in Paris zu einem konspirativen Treffen verschiedener Automobilklubs kommen, die sich dem ADAC-Boykott anschließen wollen.

AAA droht mit FIA-Austritt

Mit dabei sein wird auch der größte FIA-Nationalklub, die AAA: "Heute ist ein enttäuschender Tag für die FIA", erklärte AAA-Präsident Robert Darbelnet nach der Generalversammlung. "Ich werde sehr sorgfältig darüber nachdenken, ob wir uns weiterhin in einer Organisation engagieren wollen, die ein solches Verhalten verzeiht." Zur Erinnerung: Die AAA war einer von jenen 24 Verbänden, die dezidiert Mosleys Rücktritt gefordert hatten.

Mit Verwunderung reagierte auch der Präsident des britischen Rennfahrerklubs BRDC, Damon Hill, auf das Abstimmungsergebnis: "Ich sollte eigentlich nicht erstaunt sein, aber ich bin es", erklärte er gegenüber der 'BBC'. "Es ist unglaublich, wie Max mit solch schwierigen Situationen umgeht und sich immer wieder durchsetzt. Das zeigt, wie entschlossen er ist, an seinem Sitz festzuhalten." Das heiße aber noch lange nicht, dass er die Entscheidung begrüße.

Damon Hill und Bernie Ecclestone

Damon Hill ist verwundert darüber, dass sich Max Mosley wieder durchgesetzt hat Zoom

Auch Hill glaubt nämlich, dass unterm Strich der Motorsport der große Verlierer des heutigen Tages sein könnte: "Wir hatten ja schon Wortmeldungen von großen Automobilklubs und Automobilherstellern, die nicht glücklich darüber sind, dass er bleibt. Das jetzt steht in krassem Widerspruch zu diesen Meinungen. Ich denke, dass man daran nur solange festhalten kann, bis die Leute sagen: 'Es reicht, dann spielen wir eben einfach nicht mehr mit!'"

MSA will die Sache auf sich beruhen lassen

Die britische Motor Sports Association (MSA) hat indes bereits verlauten lassen, dass sie im Gegensatz zum ADAC die FIA nicht boykottieren und stattdessen "weiterhin konstruktiv mit dem Weltverband zusammenarbeiten" möchte. Die MSA gehörte aber auch nicht zu jenen Klubs, die sich im Vorfeld klar gegen Mosley geäußert hatten. Von einigen anderen Seiten sind hingegen Signale zu hören, dass man den FIA-Präsidenten ungeachtet der neuesten Entwicklungen stürzen möchte.

"Die Mehrheit der Delegierten hat die unbestrittenen Verdienste von Max Mosley für den Motorsport offensichtlich höher bewertet als den Schaden, der in den vergangenen Wochen entstanden ist", teilte der Deutsche Motor Sport Bund in einem Statement mit: "Der Respekt vor dem Gremium gebietet es, die Entscheidung zu akzeptieren." Auch BMW respektiert "diese Entscheidung, die die Delegierten in Kenntnis aller Fakten getroffen haben", sagte Motorsport Direktor Mario Theissen. "Es ist wichtig, dass sich alle Beteiligten ab jetzt wieder ganz auf den Sport konzentrieren."

Guido van Woerkom vom niederländischen Verband ANWB zeigte sich "unglücklich" über Mosleys Bestätigung und sieht den Schlüssel zu dessen Erfolg bei den kleinen Klubs: "Max hat viele Kontakte zu den kleinen Klubs. Bei der Generalversammlung ist mir aufgefallen, dass er die alle auf seiner Seite hat. Die großen Klubs sind aber alle gegen ihn. Wenn man die Mitglieder hinter den Klubs zählen würde, dann hätten wir ein anderes Ergebnis", erklärte er.

Ging es am Ende nur ums Geld?

Van Woerkom wollte zwar keine Bestechung der kleinen Verbände unterstellen, brachte aber auf, dass es sehr wohl finanzielle Motive gegeben haben könnte: "Es wird viel Geld herumgereicht. Wenn du ein kleines Stückchen Brot haben kannst, dann isst du es gerne. Korrupt würde ich das nicht nennen, aber natürlich stimmt jeder für die Leute, die ihm das Brot zum Essen gegeben haben. In einigen Ländern ist so etwas ganz normal", so der Niederländer.

Mosley hat sich also in einem in der Geschichte der FIA einzigartigen Machtspiel durchgesetzt und damit einen großen persönlichen Triumph gefeiert. Aber bleibt am Ende der Motorsport auf der Strecke? Denn die einflussreichen Kräfte, die schon bisher nicht mit dem umstrittenen FIA-Präsidenten assoziiert werden wollten, werden wegen der heutigen Vertrauensabstimmung nicht auf einmal wie durch Zauberhand ihre Meinung ändern.

Andererseits ist Mosleys Position innerhalb der FIA nun gestärkt und jeder, der sich gegen ihn stellt, legt sich mit einem sehr mächtigen Mann an. Ganz anders wäre es gewesen, wenn die Vertrauensabstimmung anders ausgegangen wäre, denn dann hätten auf einmal all jene frei sprechen können, die das bisher nur deswegen nicht getan haben, weil sie Angst hatten, dass sie von Mosley ausgebootet werden könnten, sollte er im Amt bestätigt werden. Jetzt muss man davon ausgehen, dass sich wieder kaum jemand traut, mit seiner Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen.

Eddie Jordan

Eddie Jordan hofft, dass Max Mosley als Pyrrhussieger freiwillig abdanken wird Zoom

Jordan glaubt an freiwilligen Rücktritt

Der 68-Jährige, der seit 1993 FIA-Präsident ist, könnte aber auch den ehrenvollen Weg einschlagen, seinen Sieg im Raum stehen lassen und einem weiteren Machtkampf ausweichen, indem er sich nun freiwillig zurückzieht. Darauf spekuliert zum Beispiel Eddie Jordan: "Ich hoffe, dass er über den Schaden nachdenkt. Dies ist keine moralische Frage, sondern hier geht es um praktische Dinge. Viele Länder wollen nun nichts mehr mit ihm zu tun haben", sagte der Ex-Formel-1-Teamchef.

"Ich wünsche mir, dass Max diesen Erfolg hernimmt und sagt: 'Seht her, ich habe es euch gesagt, aber ich trete zurück.' Das ist meine Vermutung. Vielleicht bin ich da zu optimistisch, aber vielleicht wollte er einfach noch einmal allen beweisen, dass er die Kontrolle hat und ohne jeden Druck zurücktreten kann, wann und wie er es will. Er kann sich nun alle Nachrichtenmeldungen durchlesen und dann abtreten", erklärte Jordan.

Eine interessante Konstellation ergibt sich indes mit ganz konkretem Bezug zur Formel 1, denn durch die Rotation wird der Grand Prix von Deutschland dieses Jahr in Hockenheim und damit vom AvD ausgerichtet, aber 2009 am Nürburgring wäre theoretisch wieder der ADAC Veranstalter. Nur: Wenn der ADAC die FIA boykottiert, wie soll er dann ein Rennen zur FIA-Formel-1-Weltmeisterschaft ausrichten? Eine von vielen Fragen, die uns noch beschäftigen wird...