Michelin zurückhaltend: Keine Kritik an Konkurrent Pirelli
Nach dem Indy-Skandal 2005 stellen geläuterte Franzosen ihren Kontrahenten nicht an den Pranger - Mika Häkkinen wittert hohe Risikobereitschaft bei Teams
(Motorsport-Total.com) - Pirelli steht infolge der Vorkommnisse in Spa-Francorchamps und Monza erneut im Kreuzfeuer der Kritik: Für Michelin eine Steilvorlage, um die Italiener im Rennen um den Zuschlag als Formel-1-Einheitszulieferer ab 2017 einen auszuwischen? Offenbar nicht, denn Pascal Couasnon vermeidet es im Gespräch mit 'UOL' Kritik zu üben: "Wir behaupten gar nicht, dass Pirelli das Falsche tun würde. Wir sprechen davon, dass Michelin eine andere Philosophie hätte", so der Sportchef der Franzosen.
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Reifenschaden bei Sebastian Vettel: Michelin spielt lieber nicht den Besserwisser Zoom
Diese Herangehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass Michelin einen Pneu bauen möchte, mit dem die Piloten permanent Vollgas geben können. Das soll nicht nur die Rennaction aufwerten, sondern auch die Forschung an Technologien für die Serie voranbringen. "Erstens glauben wir, dass ein Reifenzulieferer seine Vorzüge zeigen muss - ein Reifen, der bereits nach wenigen Runden verschlissen ist, liefert aber sicher nicht die Möglichkeit, ein starkes Produkt zu entwickeln", betont Couasnon.
Zweitens müsse die Formel 1 weg von ihrem derzeiten 13-Zoll-Format mit großen Reifenwänden, um sich in ihrem Look Serienautos anzunähern. Das fordert auch Pirelli und teste bereits vor einigen Monaten Niederquerschnittreifen, auf die es viel positive Resonanz gab. Für Michelin also sicher kein Vorteil.
Den eigenen Haltbarkeitsskandal im Rahmen des US-Grand-Prix 2005 in Indianapolis, als die Michelin-Kunden das Rennen gar nicht aufnahmen und nur sechs Bridgestone-Autos in einem gellenden Pfeifkonzert rollten, hat Couasnon abgehakt: "Das ist lange her", wiegelt er ab. "Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viel dazugelernt. Wir beweisen das jedes Wochenende in den verschiedensten Formen", demonstriert er eine breite Brust und verweist unter anderem auf die Langstrecken-WM.
In der LMP1-Klasse hätte Michelin mit Audi und Porsche prominente Partner überzeugt und für sich gewonnen: "Wenn sie es sich aussuchen können, entscheiden sie sich für Michelin", erklärt Couasnon, hält sich aber damit zurück, die Reifenplatzer von Spa oder Druckaffäre von Monza für seine Zwecke zu nutzen. "Ich weiß, wie die Reifen gefertigt werden und ich war nicht vor Ort. Spa ist eine schwierige Strecke, aber ich will das nicht kommentieren", vermeidet der Franzose Kritik an Pirelli.
Rückendeckung erhalten Sportchef Paul Hembery und Co. hingegen von Ex-Weltmeister Mika Häkkinen, der gegenüber dem 'Turun Sanomat' nahelegt, dass die Formel-1-Mannschaften ihren Teil zu der Problematik beigetragen hätten: "Ich erinnere mich daran, wie radikal Entscheidungen bezüglich der Reifendrücke manchmal getroffen worden. Das Team wollte schneller fahren, also gingen wir Risiken ein, sogar wenn die Reifenfirma zuvor deutlich geworden war", urteilt der Finne.