• 19.04.2013 16:42

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Michael und die Pirelli-Debatte: Jammern war gestern

Der McLaren-Sportdirektor glaubt, dass das Wehklagen ungerechtfertigt ist und rechnet mit schnellen Änderungen im Ernstfall - doch den gibt es bisher nicht

(Motorsport-Total.com) - Dass auf Pirelli wegen der Einheitsreifen Wochenende für Wochenende harsche Kritik aus dem Fahrerlager einprasselt, sind Paul Hembery und seine italienischen Mitstreiter mittlerweile gewöhnt. Von einem Landsmann wird der Sportchef am Freitag in Bahrain ausnahmsweise geschont. Sam Michael will sich nicht über die beiden härtesten Mischungen beklagen, die Pirelli für das Wüstenrennen anliefert: "Ich denke nicht, dass die Reifen zu weich sind", sagt der McLaren-Sportdirektor.

Titel-Bild zur News: Sam Michael

Sam Michael will wegen Problemen am eigenen Auto keine neuen Pneus fordern Zoom

Nur weil die "Chrompfeile" ihre Probleme mit dem aktuellen Gummi haben, besteht Michael nicht darauf, alles umzuschmeißen. Solche Töne waren bereits aus dem Mercedes-Lager zu vernehmen. "Sie sind für jeden gleich und es kommt darauf an, was man daraus macht", argumentiert er, sieht die Mischungen aber hart an der Grenze des Machbaren. "Hätten sie hier noch weichere Reifen gebracht, wäre es ein Desaster geworden." So droht wohl wieder Materialschonung, aber eben kein Fahren wie auf rohen Eiern.

Dennoch sieht Michael im Renngeschehen der drei zurückliegenden Grands Prix keine alarmierenden Geschehnisse. "Basierend auf den Erfahrungen, die wir gemacht haben, wird sowieso etwas unternommen, wenn es wirklich dringend ist", nimmt er Fahrt aus der omnipräsenten Diskussion und meint, dass ein Eingreifen "sehr leicht zu bewerkstelligen" sei. "Betrifft es nur McLaren, wird es keine Veränderung geben. So wild ist es nicht und man sollte sich nicht über Dinge beklagen, die nur am eigenen Auto passieren."

Alles liegt am Fahrer

Dennoch hofft McLaren, von einer minimalen Änderung zu profitieren, nämlich einer Neuerung an der Karkasse der weiß markierten, mittelharten Mischung. Es liegt zusätzliche Schicht Gummi auf, die bei blockierenden Rädern die Wahrscheinlichkeit reduzieren soll, infolge eines Bremsplatten einen kompletten Plattfuß zu erleiden. "Es ist kein Gummi, auf dem der Reifen läuft, sondern sehr hartes Material unterhalb der obersten Schicht", erklärt Michael und blickt voraus: "Hoffentlich hilft das Jenson (Button, Anm. d. Red.)."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Bahrain, Freitag


Der Ex-Weltmeister hatte bereits in der vergangenen Saison immer wieder mit stehenden Vorderrädern zu kämpfen. In Schanghai hingegen haushaltete Button formidabel und wurde seinem Ruf als "Reifenflüsterer" einmal mehr gerecht. "Was man nicht weiß - und auch nicht im Fall von Jensons Auto - ist, inwiefern wir in bestimmten Rennabschnitten mehr Druck hätten entfachen können", kokettiert Michael damit, dass vielleicht sogar noch mehr drin gewesen wäre - dank der Erfahrung aus 13 Jahren Formel 1.

Der Sportdirektor betont, wie wichtig Routine in der aktuellen Situation ist: "Mit zehn, 15 Jahren auf dem Buckel hat er solche Dinge in der Vergangenheit schon falsch gemacht. Er weiß, dass es ein Rechenspiel ist: Wenn er es tut (das Schonen d. Reifen, Anm. d. Red.), kommt er durch." Michael berichtet von Phasen in den Rennen, in denen es nicht so ausgesehen hätte, als sollten die Pneus tatsächlich durchhalten. "Wenn man aber drei oder vier Dinge auf der Runde und im Stint anders macht, hat man eine sehr viel bessere Chancen, dass es doch klappt."

Reifen hin oder her: McLaren zu langsam

Diese Herangehensweise begründet aus Sicht des Briten so etwas wie eine neue Ära in der Formel 1, schließlich analysiert er mit Blick auf die Vergangenheit: "Im Rennen haushaltet man normalerweise mit dem Sprit, weil das effizienter ist, und fährt dann schneller in bestimmten Abschnitten. So war die Formel 1 schon immer." Eine untergeordente Rolle hingegen spielt mittlerweile der schonende Umgang mit den Bremsen. "Sie sind so fortschrittlich, dass man schon zu einem ganz frühen Zeitpunkt sagen kann, ob man damit über die Distanz kommt."

Jenson Button

Jenson Button hofft darauf, nicht mehr unter stehenden Vorderrädern zu leiden Zoom

Dass das Körnen der Reifen, das so genannte Graining, auch in Bahrain wieder ein Thema wird, davon ist Michael überzeugt. Doch egal, wie gut die Truppe aus Woking diese Aufgabe managt, sie ist wohl noch ein Stück hinter der Konkurrenz zurück. "Das einzige Ziel war es, nicht hinter Felipe Massa zurückzufallen", erinnert der ehemalige Williams-Mann an den Kampf um Platz fünf in China und sieht Red Bull nicht in Reichweite: "Wir hätten drei Sekunden vor ihm sein können, aber es hätten noch immer 17 Sekunden auf Sebastian Vettel gefehlt."

Erfreulich: Für Michael gibt es in der Saison 2013 auch noch Erklärungen, die nichts mit Pirelli zu tun haben. Etwa die Frage, wieso Vettel in Schanghai auf seiner schnellste Rennrunde trotz leerem Tank und frischen weichen Pneus zwei Sekunden langsamer war als Lewis Hamilton auf dem Weg zur Pole-Position. "Im Grand Prix fährt man ganz anders als im Qualifying, aber das würde keinen Unterschied von zwei Sekunden erklären. Der Grund ist, dass der Fahrer in einem ganz anderen Modus ist."