• 17.09.2001 12:47

  • von Fabian Hust

Michael Schumacher überdenkt Startverzicht

Ferrari-Teammitglieder haben den Eindruck bestätigt, dass Schumacher in Monza nicht ganz bei der Sache war

(Motorsport-Total.com/dpa) - Mit unverhohlenen Drohungen, dem Verweis auf Verträge und einer "Business as usual"-Mentalität gehen die Formel-1-Bosse zwei Wochen vor dem Großen Preis der USA trotz der politisch unsicheren und angespannten Krisenlage zur Tagesordnung über. Dagegen zweifeln viele Piloten und Teams angesichts der drohenden militärischen Vergeltungsschläge gegen die Terroristen am Sinn eines Starts. "Wir werden Bernie herzlich nach Indianapolis einladen. Mal sehen, ob er selber kommt", sagte Ralf Schumacher, der während des traurigen Rennwochenendes in Monza am entschiedensten für eine Absage eingetreten war, mit Blick auf Formel-1-Chef Bernie Ecclestone.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher war mit seinen Gedanken am Wochenende oft abwesend

"Schumi denkt an eine Pause"
Sein Bruder Michael grübelt anscheinend sogar über einen Startverzicht in Indianapolis nach. "Schumi denkt an eine Pause", titelte die 'Gazzetta dello Sport' am Montag. Das Blatt zitierte Ferrari-Rennleiter Jean Todt, der Schumacher offensichtlich die Entscheidung überlassen hat: "Wir warten auf Nachricht von Michael. Wir werden seinen Willen respektieren. Er fährt das Auto und er muss entscheiden, ob er dazu in der Lage ist." Todt erklärte, das Team habe es dem vierfachen Weltmeister schon beim Großen Preis von Italien überlassen, ob er antreten wolle.

Michael Schumacher wirkte in Monza sehr niedergeschlagen. Er schien zeitweise sogar unter Schock zu stehen und konnte seine Betroffenheit nur schwer in Worte fassen. Es schien beinahe so, als habe er absichtlich nur den vierten Platz angestrebt, um sich bei der obligatorischen Pressekonferenz nach dem Grand Prix nicht erneut zu der ganzen Problematik äußern zu müssen.

"Schumacher mit seinem Herzen nicht dabei"
"Aus verschiedenen Gründen war er mit seinem Herzen nicht ganz dabei", erklärte Todt nach dem Rennen. Und auch Ross Brawn, der Technische Direktor des Teams, stellte eine Veränderung bei Schumacher fest: "Er ist ein sehr sensibler Mensch. Ihn haben die Vorkommnisse in dieser Woche scheinbar wirklich durcheinander gebracht."

Ecclestone ist Schumachers aufgewühlter Gefühlszustand gleich. Der Brite drohte dem Deutschen sogar mit dem Verlust des Titels. "Lasst uns eine Sache klarstellen. Michael Schumacher ist noch nicht der Weltmeister von 2001, es kann noch einiges passieren", sagte Ecclestone der englischen 'Sunday Times' vor dem WM-Lauf in Monza. "Vielleicht kann er seine Punkte während eines der nächsten drei Rennen verlieren. Ich bin sicher, das wird nicht der Fall sein, aber es könnte passieren."

Ecclestone warnt Fahrer
Der Motorsport-Mogul befürchtet wohl, dass ihm die Lage angesichts des wachsenden Widerstands aus dem Ruder zu laufen droht. Ecclestone besteht unter allen Umständen auf der Austragung des US-Grand-Prix. "Das Rennen findet statt", versicherte er. "Wir haben Vereinbarungen mit den Leuten in Indianapolis, die wollen, dass das Rennen stattfindet, und wir halten unsere Verträge." Max Mosley, der Präsident des Internationalen Automobil-Verbandes FIA, unterstützt diese kompromisslose Haltung. Ecclestone scheint zu befürchten, dass ein Startverzicht Schumachers einen Dominoeffekt unter Fahrern und Teams auslösen könnte. Angeblich befürworteten schon in Monza fünf von elf Rennställen eine Absage des Großen Preises der USA.

Die Atmosphäre ist äußerst angespannt, hinter den Kulissen kracht es gewaltig, viele sind verunsichert. Der Formel 1 droht wegen Indianapolis eine Zerreißprobe. "Wir wissen nicht, wie sich die Lage entwickelt. Was man hört, ist Besorgnis erregend", sagte Mercedes- Motorsportchef Norbert Haug. "Die Entscheidung über das Rennen fällt allein im Land." Prost-Pilot Heinz-Harald Frentzen befürwortet ebenfalls, dass "die Amerikaner entscheiden sollen". Nick Heidfeld vom Sauber-Team verwies auf die drohende Gefahr weiterer Anschläge: "Im schlimmsten Fall könnte es Krieg geben. Da ist schon ein bisschen Angst da."

Zudem drängt aus logistischen Gründen die Zeit, da die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen verschärft wurden. Sechs Jumbo-Jets sind nötig, um Rennwagen und technische Ausrüstung der Teams über den Atlantik fliegen zu können. Die Maschinen sollen von Amsterdam starten, wo die Kontrollen schneller abgewickelt werden können. Wegen der verschärften Maßnahmen müsste bereits am Donnerstag statt am Freitag geflogen werden.

Lauda: Entscheidung sollte am Mittwoch fallen
Laut Haug laufen die Vorbereitungen normal. "Das ist auch richtig. Es ist leichter, später etwas abzusagen." Jaguar Teamchef Niki Lauda forderte: "Bis Mittwoch sollte eine Entscheidung getroffen sein. Es ist vor allem ein logistisches Problem, zeitgerecht nach Indianapolis zu kommen. Wenn man rüberfliegt und ein Krieg bricht aus, dann stehen alle mit offenem Mund da und wissen nicht, was sie tun sollen."

Auch in Indianapolis gehen die Vorbereitungen weiter. Streckenbesitzer Tony George bekräftigte: "Wir wollen das Rennen austragen." Um ein Risiko von Anschlägen zu minimieren, werden die Sicherheitsbestimmungen verschärft. Beispielsweise werden mehr uniformierte und zivile Sicherheitskräfte eingesetzt. "Bis Ende der Woche soll der neu überarbeitete Sicherheitsplan vorliegen", erklärte Jeff Dine, Polizeichef der Speedway-Anlage und Vorsitzender des Sicherheits-Komitees für den Grand Prix. "Es braucht niemand Angst zu haben. Das Ereignis wird so sicher ablaufen, wie alle anderen zuvor auch", versprach Indy-Pressesprecher Fred Nation.