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Michael Andretti: "Senna war ein erstklassiger Mensch"

Michael Andretti erinnert sich an sein missglücktes Formel-1-Abenteuer 1993 bei McLaren und daran, wie Ayrton Senna der Einzige war, der sich für ihn stark machte

(Motorsport-Total.com) - Die Rennfahrerkarriere von Michael Andretti lässt sich ganz grob in zwei Teile einteilen: erfolgreich in Amerika, gescheitert in Europa. 1991 gewann er unter dem Banner der CART-Serie den IndyCar-Titel und errang zudem fünfmal den Vizetitel (1986, 1987, 1990, 1992 und 1996). Andrettis Intermezzo im Jahr 1993 in der Formel 1 aber ging gründlich nach hinten los. Noch heute spricht er in diesem Zusammenhang vom "ganz klar schwierigsten Jahr meines Lebens".

Titel-Bild zur News: Michael Andretti und Ayrton Senna beim Grand Prix von Kanada 1993 in Montreal

Ayrton Senna und Michael Andretti fuhren 1993 gemeinsam für McLaren Zoom

Als der Sohn von Rennlegende Mario Andretti im Winter 1992/1993 im Anschluss an den ersten Teil seiner IndyCar-Karriere in die Formel 1 wechselte, wurde er bei McLaren Teamkollege des unvergessenen Ayrton Senna. So gut sich der US-Amerikaner und der Brasilianer auf persönlicher Ebene verstanden, so unterschiedlich schnitten sie auf der Rennstrecke ab. Während Senna trotz des unterlegenen Ford-V8 im Heck des McLaren MP4/8 fünf Saisonsiege und den Vizetitel hinter Erzrivale Alain Prost (Williams-Renault) einfuhr, brachte es Andretti auf ganze sechs Zielankünfte und sieben WM-Punkte.

Das Highlight in der kurzen Formel-1-Karriere von Michael Andretti war der dritte Platz beim Grand Prix von Italien in Monza. Ausgerechnet im Anschluss an dieses Rennen bekam er von McLaren-Boss Ron Dennis den Laufpass und wurde für die verbleibenden drei Saisonrennen durch Mika Häkkinen ersetzt. Dass 1993 bis heute das schwierigste Jahr seines Lebens war, führt Andretti in der BBC-Sendung 'Top Gear' auf "Gründe, über die ich gar nicht sprechen möchte", zurück.

1993 oder das schwierigste Jahr in Michael Andrettis Leben

Fakt ist: Zwar war das Formel-1-Reglement hinsichtlich der Testfahrten damals nicht so restriktiv wie es heutzutage der Fall ist, doch den Großteil der Tests, die Andretti bitter nötig gehabt hätte, absolvierte auf Ansage des Teams Häkkinen. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass Andretti nach jedem Grand-Prix-Wochenende zurück in die USA flog. Eine europäische Bleibe richtete sich der Sohn von Mario Andretti nie ein. Demzufolge beschränkte sich der Kontakt mit dem McLaren-Team mehr oder weniger auf die Einsätze an den Rennwochenenden.

Michael Andretti

Michael Andretti in der Saison 1993 als McLaren-Pilot in der Formel 1 ... Zoom

Ron Dennis hätte Häkkinen am liebsten schon im Anschluss an den Grand Prix von Frankreich in Magny-Cours ins zweite Auto neben Senna gesetzt, doch es war nicht zuletzt der Brasilianer, der sich für Andretti stark machte. "Senna war der Einzige, der Respekt vor Michael hatte. Er legte mehrmals ein gutes Wort für Michael ein, auch bei Ron", sagte Vater Mario Andretti vor Jahren im Gespräch mit US-Journalist Gordon Kirby, um anzufügen: "Ron aber war brutal. Er war Michael gegenüber alles andere als respektvoll. Wenn es einen enttäuschenden Abschnitt in Michaels Karriere gibt, dann ist es dieser und das wird immer so bleiben."

Michael Andretti unterstreicht das gute Verhältnis, das er zu Senna hatte. "Er war großartig und wurde ein richtig guter Freund von mir. Er unterstützte mich - auch dann noch, als ich von McLaren fallengelassen wurde", erinnert sich der mittlerweile 52-jährige US-Amerikaner, inzwischen erfolgreicher Teambesitzer in der IndyCar-Serie, der Formel E und der Rallye-Cross-WM, bei 'Top Gear'.

Michael Andretti

... und heute als Teambesitzer in IndyCar-Serie, Formel E und Rallye-Cross-WM Zoom

Freundschaft mit Senna hatte über die McLaren-Zeit hinaus Bestand

Am Rande des Grand Prix von Portugal 1993 in Estoril, dem ersten Rennen, das Häkkinen anstelle von Andretti bestritt, berichtete Senna auf der Pressekonferenz, wie unfair das Team mit Andretti umging und dass dieser einer seiner besten Teamkollegen gewesen sei. "Das hätte er nicht tun müssen, doch er hatte das Gefühl, dass es notwendig war", so Andretti. Nur wenige Wochen später trennten sich auch die Wege von Senna und McLaren. Michael Andrettis Sohn Marco sprach vor Jahren bei der Erinnerung an den Formel-1-Ausflug seines Vaters von "Sabotage" seitens McLaren.

Als Michael Andretti im Anschluss an sein missglücktes Formel-1-Abenteuer bei seinem IndyCar-Comeback im März 1994 in Surfers Paradise auf Anhieb zum Sieg fuhr, war Senna einer der Ersten, die ihn anriefen um zu gratulieren. Sechs Wochen später ließ der Brasilianer beim tragischen Grand Prix von San Marino in Imola sein Leben. So bleibt auch Andretti nur die Erinnerung: "Er war ein erstklassiger Mensch."