McLarens Weltmeister: Wie ihre Teamkollegen sie erlebten
Die Teamkollegen von Legenden wie Alain Prost, Ayrton Senna, James Hunt oder Niki Lauda geben tiefe Einblicke, wie sie ihre direkten Rivalen in deren Glanzzeit erlebten
(Motorsport-Total.com) - Der schlimmste Feind ist stets dein Teamkollege. So lautet eine alte Weisheit in der Formel 1. Der direkte Vergleich mit einem Piloten, der vergleichbares Material erhält, ist am Ende der einzig wahre Gradmesser, um die Klasse eines Fahrers herauszufinden. In Stallkriegen, wenn es um die Karriere geht, zeigen die Piloten daher oft ihr wahres Gesicht.
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Mythos James Hunt: Mass fuhr an der Seite des Playboys - hier sogar schneller Zoom
Das McLaren-Team ist abgesehen von Ferrari der traditionsreichste Rennstall der Königsklasse des Motorsports - stets engagierte man die besten Piloten. Doch wie haben die Teamkollegen Superstars wie Emerson Fittipaldi, Niki Lauda, Alain Prost, Ayrton Senna, Mika Häkkinen und Lewis Hamilton erlebt? Lassen wir David Hobbs, John Watson, Stefan Johansson, Gerhard Berger, David Coulthard und Heikki Kovalainen selbst erzählen...
EMMERSON FITTIPALDI (McLaren-Weltmeister 1974)
Emerson Fittipaldi holte 1974 mit McLaren den Titel. Teamkollege David Hobbs fuhr in jenem Jahr einige Rennen in einem Yardley-McLaren M23.
Hobbs über Fittipaldi: "Der Unterschied zwischen Emerson und einem Durchschnittsfahrer war, dass er wie alle wirklichen Topleute super-entschlossen und super-schnell war. Diese Topfahrer haben etwas, das man nur schwer erreicht. Viel davon spielt sich im Kopf ab: Sie sind fokussierter, entschlossener und rücksichtsloser. Wenn ich zum Beispiel meinem Renningenieur etwas vorschlug und er antwortete, dass er nicht sicher ist, ob das eine gute Idee ist, dann habe ich gesagt: 'Okay, dann lassen wir es bleiben'."
"Jemand wie Emerson würde aber sagen: 'Ich will, dass du das, das und das tust. Und zwar jetzt, bevor ich wieder auf die Strecke gehe'. Wenn diese Piloten bekommen, was sie wollen und dann Erfolg haben, dann wird es immer schwieriger, ihnen etwas abzuschlagen. Ich bin 1974 nur ein paar Mal für McLaren gefahren, und ich erinnere mich, dass ich mir einige Dinge ausreden ließ, die ich gerne mit dem Auto gemacht hätte und die es mir sicher ermöglicht hätten, besser abzuschneiden."
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Emerson Fittipaldi holte 1974 mit McLaren seinen zweiten WM-Titel Zoom
"Jemand wie Emerson würde es nie soweit kommen lassen. Er war bereits Weltmeister, als er zu McLaren kam, und deswegen ist das Team ganz anders mit ihm umgegangen. Zu dieser Zeit, als Jackie Stewart gerade zurückgetreten war und Lauda nach oben kam, war Emerson aus Fahrersicht die Nummer 1."
"Er holte 1972 mit Lotus den Titel und krönte sich damit zum jüngsten Weltmeister der Geschichte. 1973 scheiterte er knapp, und 1974 hat er den Titel erneut geholt. Er war natürlich sehr gut, und McLaren war an der Spitze, also war diese Kombination die absolute Creme de la Creme. Damals gab es zwar jede Menge guter Fahrer, aber alle wollten so gut wie Emerson sein."
JAMES HUNT (McLaren-Weltmeister 1976)
Jochen Mass war in James Hunts Weltmeister-Saison 1976 und im Jahr darauf dessen Teamkollege.
Mass über Hunt: "Das Playboy-Image hat James immer wieder eingeholt. Aber warum nicht? Er sah gut aus, mit seinen goldenen Locken, war sehr charmant und schnell. Als er zum Team stieß, da kannten wir uns bereits aus der Formel 3: Wir kamen immer gut miteinander aus und waren einer guten Party nicht abgeneigt, obwohl ich etwas älter als James war."
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Sex is breakfast for champions: Hunt war die Symbolfigur der wilden Formel-1-Jahre Zoom
"Bei McLaren war die Dynamik aber ein bisschen anders. James war die Nummer 1, und er war natürlich Brite, also hat er das beste Material bekommen. Als Team war McLaren ziemlich fair, ich will mich also nicht beschweren. Aber es war nicht immer so eine klare Sache, denn es gab ein paar Kurse, auf denen ich schneller als James war: Jarama, Paul Ricard, sogar Monaco - ich denke, dass ihn das genervt hat."
"Beim Titelfinale in Fuji war ich aber neben der Spur. James musste Fünfter oder besser werden, um den Titel zu holen, und zu Beginn dieses verrückten Rennens folgte ich ihm pflichtbewusst, obwohl ich problemlos hätte schneller fahren können. Ich musste aber hinter ihm bleiben, und dann habe ich für eine Sekunde die Konzentration verloren, hatte Aquaplaning und krachte in die Begrenzung."
"Ich schaffte es zwar zurück an die Boxen, aber mein Auto war zu schwer beschädigt, um das Rennen fortsetzen zu können. Ich hätte James einfach überholen sollen, um zu sehen, was passiert. An jenem Tag hatte ich ein wirklich gutes Gefühl."
"Später hätte ich mich natürlich zurückfallen lassen, wenn es James gebraucht hätte, um den Titel zu holen - gar keine Frage. Ich hätte aber zumindest gezeigt, was ich kann. James war einer der Guten. Er hatte ein verrücktes Leben, und ich denke, das wurde ihm am Ende zum Verhängnis. Er war viel zu jung um zu sterben, und wir alle haben mit ihm einen richtigen Typen verloren."
NIKI LAUDA (McLaren-Weltmeister 1984)
Niki Lauda und John Watson waren 1978 kurz bei Brabham Teamkollegen - 1982 und 1983 kam es bei McLaren zur Wiedervereinigung. Lauda holte seinen dritten und letzten Titel 1984.
Watson über Lauda: "Nach der gemeinsamen Zeit bei Brabham im Jahr 1978 erkannte ich in unserer zweiten gemeinsamen Ära, dass sich das Talent dieses Mannes nicht nur auf das Cockpit beschränkt. Als zweimaliger Weltmeister wollte er unbedingt dafür sorgen, dass er der Nummer-1-Pilot im Team ist. Er versuchte, Ron Dennis und John Barnard davon zu überzeugen, dass er es sei, der es hinkriegen wird."
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Niki Lauda und John Watson: Der Österreicher war stets die Nummer 1 Zoom
"Typisch für Niki ist, dass er sehr geradlinig ist. An einem Sonntagmorgen in Zolder habe ich einen Reifentest gemacht und einen speziellen Reifensatz für die linke Seite des Autos ausgewählt. Ich wusste, dass ich damit gute Karten für das Rennen haben würde, wenn es heiß bleibt. Niki kam dann auf mich zu und fragte mich, was ich machen werde. Ich antwortete, dass ich ihn im Rennen wegen meiner Reifenwahl überholen werde."
"Ich legte ihm nahe, das Gleiche zu tun, aber er dachte kurz nach und sagte dann: 'Nein, ich werde bei meiner Reifenwahl bleiben.' Weil ich sowohl sein Teamkollege als auch sein Freund war, fragte ich ihn nach dem Grund. 'Warum nicht?', war die Antwort. Mit großem Widerwillen gab er mir einen Einblick, von dem ich später profitierte. Es war schlicht und einfach sein Instinkt, der gegen diesen Reifen sprach. Er wollte nicht von diesem kleinen Bereich abweichen, den er verstand."
"Ich bin auch schon mit ihm geflogen, und er ist ein sehr guter Pilot, aber er fliegt streng nach dem Lehrbuch. Das ist seine Persönlichkeit und sein Charakter. Genau so war es auch in diesem Fall. Und ratet mal, was passiert ist? Ich habe ihn überholt, so wie ich es angekündigt hatte, und holte den Sieg."
ALAIN PROST (McLaren-Weltmeister 1985, 1986 und 1989)
Alain Prost holte drei seiner vier Titel mit McLaren - Stefan Johansson war allerdings im Übergangsjahr 1987 sein Teamkollege.
Johansson über Prost: "Als ich bei McLaren Alain Prosts Teamkollege wurde, da war das für mich eine Offenbarung und ein Schock. Ich rechnete damit, dass er gut sein würde, aber nicht so gut. Mir wurde rasch bewusst, dass er der kompletteste Fahrer war, vielleicht sogar der beste Fahrer der Formel-1-Geschichte. Nicht unbedingt der schnellste, denn es gab Leute wie Ayrton Senna, der bei Toleman mein Teamkollege war, die manchmal schneller waren. Aber er war auf jeden Fall der kompletteste Fahrer, gegen den ich je gefahren bin."
"In meiner Formel-1-Karriere ist es mir meistens gelungen, gegen meine Teamkollegen die Oberhand zu gewinnen, aber die zwei, die ich einfach nicht den Griff bekommen habe, waren Alain und Ayrton. Wenn ich mich auf eine Eigenschaft von Alain festlegen müsste, die heraussticht, dann würde ich seine Arbeitsmoral nennen. Er arbeitete unglaublich hart, Tag und Nacht, und hat den Ingenieuren das bestmögliche Feedback gegeben. Das war damals viel wichtiger als heute, denn die Telemetrie war nicht annähernd auf dem heutigen Stand."
"Der Fahrer war der wichtigste Sensor, und Alain hatte immer die Gabe mitzuteilen, was zu tun war, und er konnte das Auto genau so einstellen, wie er es brauchte. Ich denke, dass das die wirklich großen Fahrer ausmacht. Ich hatte zu Alain eine sehr gute Beziehung, und wir hatten keine Probleme, weder politisch noch sonst irgendwie. Wenn man direkt auf die Leute zugeht, dann sind sie normalerweise auch geradlinig. Alain war immer sehr offen und ehrlich, und so war auch die Kultur bei McLaren, die einem die Arbeit recht einfach machte."
"Die gesamte Information wurde geteilt, und es wurde nichts zurückgehalten. Natürlich war Alain aus sportlicher Sicht eine große Bedrohung, denn er war mein Teamkollege, und ich wollte ihn schlagen, was leichter gesagt als getan war. Ich habe meine Zeit an seiner Seite aber auch als Gelegenheit gesehen, von ihm zu lernen. Ich habe viel mitgenommen, während ich versuchte, mein Bestes zu geben. Mehr bleibt einem nicht übrig. Wenn ich also nun zurückblicke, dann sehe ich die Zeit als wichtiges Kapitel in meiner Karriere."
AYRTON SENNA McLaren-Weltmeister 1988, 1990 und 1991)
Ayrton Senna holte seinen zweiten und dritten Titel mit Gerhard Berger als Teamkollege. Die Paarung blieb auch 1992 bei McLaren.
Berger über Senna: "Ayrton war der schnellste Fahrer, gegen den ich gefahren bin. Er war fokussiert, diszipliniert und sowohl mental als auch physisch extrem stark. Ich hätte ihn liebend gern geschlagen, aber das war nicht möglich. Ich erregte seine Aufmerksamkeit, als ich 1990 in Phoenix im ersten Grand Prix als sein Teamkollege mein Auto auf nasser Strecke auf die Pole-Position stellte. Das hat ihn definitiv aufgeweckt."
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Gerhard Berger war nur an guten Tagen schneller als Ayrton Senna Zoom
"Ich würde aber sagen, dass mir seine Aufmerksamkeit ohnehin ständig gewiss war, denn wir hatten viele Kämpfe, und ich habe ihn auf gewisse Weise ans Limit gebracht. Er hatte so viel mehr Erfahrung als ich, da er schon als Vierjähriger mit dem Kartsport begonnen hat. Er war wahrscheinlich der beste Fahrer seiner Ära. Bis heute habe ich niemanden gesehen, der über ihm steht."
"Vor Ayrton habe ich meine Teamkollegen nur mit meinem Naturtalent geschlagen. Ich musste dafür nicht besonders hart arbeiten, aber als ich auf Senna traf, da war es zu spät, all die Arbeit nachzuholen, die er bereits seine ganze Karriere lang verrichtet hatte, zum Beispiel die Anfänge in jungen Jahren im Kartsport. Und rein mit dem Talent konnte man ihn nicht schlagen, denn davon hatte er zu viel. Ich hatte es bei McLaren immer schwer, denn Ayrton war mit dem Team Weltmeister geworden. Mein Wort hatte also klar weniger Gewicht, obwohl das Team nie unfair zu mir war."
"Ob ich denke, dass er heute Formel-1- oder FIA-Boss wäre, wenn er überlebt hätte? Nein, ich denke, dass er höhere Ziele hatte. Ich sah ihn als Anführer, der die Armen und Leute mit Problemen unterstützt. Ihm war zunehmend bewusst geworden, in welch privilegierter Situation wir waren, und ich denke, dass es sein letztes Ziel war, alle Hebel für unterprivilegierte Menschen in Bewegung zu setzen. Darum hätte er sich bemüht."
MIKA HÄKKINEN (McLaren-Weltmeister 1998 und 1999)
Mika Häkkinen und David Coulthard waren von 1996 bis 2001 Teamkollegen, und der Finne holte in diesem Zeitraum zwei Fahrertitel.
Coulthard über Häkkinen: "Mika war sehr gut darin, auf eine Runde eine schnelle Zeit hinzulegen. Der Vorteil der Position auf der Strecke sorgte dann im Rennen dafür, dass er nur sehr schwer zu schlagen war. Wir blicken oft auf unsere gemeinsame Zeit zurück, und ich sehe Mika in Monaco ziemlich oft. Ich hatte stets viel Respekt vor ihm, aber mir war nicht bewusst, dass er auch so viel Respekt vor mir hat. Wir schwelgen also gerne in Erinnerungen."
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Mika Häkkinen und David Coulthard schwelgen oft in Erinnerungen Zoom
"Meiner Meinung nach hatte er diese Stärke, die alle großen Fahrer haben: purer Speed. Er hatte vielleicht nicht die Arbeitsmoral eines Michael Schumacher, der nur auf seinen Körper und diese Dinge geschaut hat, aber das war vielleicht auch nicht nötig. Ich kann es nicht wirklich sagen, weil ich nie Michaels Teamkollege war, aber ich hatte den Eindruck, dass Mika vielleicht schneller auf eine einzelne Runde war. Michael konnte das aber Runde für Runde für Runde abrufen."
"Manchmal war ich gegenüber Mika im Vorteil, aber im Nachhinein wurde mir immer klarer, dass ich über einen großen Zeitraum unserer gemeinsamen Ära etwas an Boden verloren habe, weil ich nicht mit dem linken Fuß bremste. Ich war sehr lange ein Rechtsbremser und stellte erst gegen Ende meiner Karriere auf den linken Fuß um."
Häkkinen und Coulthard testen McLaren-Klassiker
"Es gab also gewisse Kurse, speziell jene mit mittelschnellen Kurven, wo es sehr schwierig war, ständig zwischen Gas und Bremse hin und her zu springen. Und dort hatte er einen Vorteil, bis ich irgendwann lernte, wie man mit Links bremst. Wir waren eine harmonische Paarung. Wir hatten nur einmal in Spa 1999 ein Problem, nachdem wir uns in der ersten Kurve berührt hatten und er auf dem Podest nicht mit mir reden wollte. Abgesehen davon war es immer in Ordnung."
"Mika ist ein guter Typ, und ich habe von ihm in unserer gemeinsamen Zeit nie ein schlechtes Wort über irgendjemanden gehört. Allein das ist schon eine besondere Qualität."
LEWIS HAMILTON (McLaren-Weltmeister 2008)
Lewis Hamilton und Heikki Kovalainen waren zwei Jahren lang Teamkollegen bei McLaren - im ersten gemeinsamen Jahr holte der Brite seinen ersten Titel.
Kovalainen über Hamilton: "Ich bin mit Lewis wirklich gut ausgekommen, und ich denke, dass ich ihn unter Druck gesetzt habe, speziell im Qualifying. Ich bin sicher, dass er einige Male nachlegen musste. In den Rennen war er natürlich besser als ich. Er war ein harter Konkurrent, er arbeitete sehr gut mit dem Team zusammen, und er holte stets alles aus der Mannschaft heraus."
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In Silverstone 2008 lag Kovalainen ausnahmsweise vor Lewis Hamilton Zoom
"Beim Anblick der Telemetrie sah ich nie etwas, das ich mir nicht zugetraut hätte. Die Unterschiede waren immer recht gering, und in unserem letzten gemeinsamen Jahr waren sie sogar sehr gering. In den Rennen war Lewis stärker, weshalb der Abstand größer aussah als dies eigentlich der Fall war. Ich habe aber viel von ihm gelernt. Er fährt sehr aggressiv, kommt sofort auf Tempo, er treibt das Auto ans Limit, und manchmal kracht es auch. Das ist aber kein Problem, und daran hätte ich vielleicht auch mehr arbeiten sollen."
"Ich erinnere mich an Silverstone 2008. Ich war im Training sehr schnell, aber McLaren hatte die Politik, dass der bis dahin erfolgreichere Fahrer beim Nachtanken im letzten Teil des Qualifyings einen Vorteil erhält. Das Team wollte nicht, dass beide Fahrer ihren Boxenstopp in der gleichen Runde machen, also hatten wir stets zwei Runden Unterschied beim Sprit, was einen Unterschied von 0,2 bis 0,3 Sekunden pro Runde ausmachte. Lewis lag in der WM vor mir und wurde daher im Qualifying bevorzugt behandelt, auch wenn ich im Training schneller war."
"Daher kam es am Freitagabend nach dem Training zum Grand Prix von Großbritannien zu einem Streit. Flavio Briatore (Kovalainens Manager; Anm. d. Red.) lief bei McLaren heiß und meinte, dass ich bevorzugt behandelt werden sollte. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass es diesmal eine Ausnahme gibt, und ich startete von der Pole. Das war das einzige Mal in jenem Jahr, dass ich diese Behandlung erhielt. Ich kam mit Lewis aber sehr gut aus. Das hat für das Team gut funktioniert, auch wenn es für mich nicht sehr gut lief."