McLaren erwartet in der Türkei keine Wunder
Heikki Kovalainens Start in der Türkei ist noch nicht zu 100 Prozent gesichert und auch der McLaren MP4/23 hat noch einige noch zu behebende Baustellen
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Grand Prix von Spanien galten alle Augen natürlich Heikki Kovalainen. Der 26-Jährige war nach einem Reifenschaden fast ungebremst in einen Reifenstapel gerast und sein McLaren bohrte sich so tief in die Barriere, dass über der Rennstrecke von Barcelona bange Minuten herrschten. Doch der Finne überstand glücklicherweise den Unfall nahezu unverletzt und wird vorraussichtlich auch in der Türkei unverändert Gas geben.

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Lewis Hamilton möchte auch in Barcelona Champagner verspritzen, nicht trinken
"Mir geht es gut. Mein Nacken ist nicht mehr so steif und ich trainiere wieder", gab der McLaren-Pilot vor dem Großen Preis der Türkei zu Protokoll. "Ich reiste am Donnerstag von Spanien nach Finnland und arbeitete zusammen mit unserem Teamarzt in den dortigen Trainingseinrichtungen, damit ich zum Rennen in Istanbul wieder fit bin. Ich begann mit einem leichten Training, doch schon zum Wochenende nahm ich mein normales Programm wieder auf."#w1#
Training ist alles: "Lewis war ebenfalls dabei. Als Nächstes kommt der Fitnesstest der FIA am Donnerstag in der Türkei. Die Entscheidung, ob ich fahren kann, liegt nicht in meiner Hand, aber ich weiß, dass die FIA allein aus Sicherheitsgründen entscheidet." Angst vor dem Rennen fahren hat er wie alle Piloten im Feld selbst nach so einem Unfall nicht: "Überhaupt nicht. Ich will so schnell wie möglich wieder Rennen fahren, alleine darauf arbeite ich seit Barcelona hin."
Heikki Kovalainen hat den Unfall abgehakt

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Kovalainens Unfall hat die F1-Welt mal wieder aufschrecken lassen Zoom
"In der Formel 1, besonders seitens der FIA, wird alles für die Sicherheit der Fahrer getan, aber ganz lassen sich die Gefahren in unserem Sport nicht ausschließen. Als Fahrer bist du dir dessen bewusst, aber du denkst nicht daran. Wenn du dir darüber Gedanken machst, verlierst du die Konzentration. Ich denke, mir liegt das einfach nicht", macht Kovalainen klar, das auch ihn ihm ein Funke der berühmten finnischen Coolness schlummert.
Die wird er auch in der Türkei brauchen, besonders in der berüchtigten Kurve acht: "Kurve acht besteht eigentlich aus vier Kurven, eine nach der anderen, links, links, links und noch mal links. Du musst den ersten Scheitelpunkt genau treffen, dann lupfst du im richtigen Moment ein klein wenig, dann geht's mit Vollgas zum nächsten Scheitelpunkt. Du fährst fast alles voll und musst dabei exakt die richtige Linie treffen. Das ist eine Herausforderung, wie wir Fahrer sie lieben und wie sie uns Spaß macht. In der Mitte der Kurve gibt es eine kleine Kompression und das Auto setzt leicht auf. Die Zuschauer sehen dann etwas Staub aufsteigen."
"Es geht auf dieser Strecke mehrmals auf und ab, zudem sind manche Kurven 'blind', weil ihre Scheitelpunkte auf einer Kuppe liegen", beschrieb der McLarenpilot den Fahrspaß auf dem türkischen Kurs. "Andere Teile sind ganz flach. Bei der Abstimmung geht es also darum, den optimalen Kompromiss zu finden. Wichtig ist es, fahrerisch das Maximum herauszuholen, die Ideallinie exakt zu treffen und über die Kuppen immer im richtigen Moment aufs Gas zu gehen."
"Auf diesen Kuppen hast du das gleiche Gefühl im Magen wie mit einem Serienfahrzeug, aber im Laufe des Wochenendes gewöhnst du dich daran. Es gibt ein paar gute Stellen zum Überholen, immer wenn man die langsameren Kurven anbremst. Die beste Möglichkeit für Ausbremsmanöver bietet das Ende der langen Gegengeraden", so Kovalainen.
Hamilton möchte sich nach seinem dritten Platz steigern

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Mit einem Sieg soll für Lewis Hamilton die WM wieder ein Fundament erhalten Zoom
Sein Teamkollege Lewis Hamilton, der Senkrechtstarter der Formel 1 hat keine leichte Aufgabe vor sich. In der WM-Tabelle liegt der neue Liebling der Briten auf Platz zwei, doch wenn man bedenkt, dass die vergangenen drei Rennen von Ferrari beherrscht wurden, muss dem McLaren-Piloten in der Türkei der Wendepunkt gelingen, um zu zeigen, dass McLaren in der WM noch immer Ferraris Herausforderer Nummer 1 ist.
Der dritte Platz von Barcelona und damit die erste Podestplatzierung seit Australien waren zumindest ein Schritt in die richtige Richtung: "Im Qualifying ging es in Spanien sehr eng zu, sowohl im vorderen wie im mittleren Teil des Feldes. In der Türkei ist ein guter Startplatz wieder sehr wichtig, auch wenn man im Istanbul Speed Park vielleicht etwas besser überholen kann als in Barcelona."
"Unser Auto war in Spanien sehr gut ausbalanciert, das kommt uns auch bei den schnellen Kurven in der Türkei zu Gute. Beispielsweise in Kurve drei ist man nur schnell, wenn das Auto eine stabile Balance hat", erklärt Hamilton die Kniffe der Rennstrecke. "Das gilt auch für Kurve acht, wo man so die Reifen schonen kann und gleichzeitig viel Tempo mitnimmt, wenn das Auto gut liegt. Dabei kann man viel Zeit gewinnen."
"Das größte Problem für die Reifen ist Kurve acht, hier muss man aufpassen, dass man sie nicht zu sehr beansprucht", erklärt Hamilton die bereits angesprochene größte Herausforderung in Istanbul. "Das Fahren gegen den Uhrzeigersinn macht ihnen im Gegensatz zu uns Fahrern nichts aus. Bei uns Fahrern ist das etwas anders. Da die meisten Strecken im Uhrzeigersinn befahren werden, sind die rechten Nackenmuskeln etwas kräftiger ausgeprägt. Deshalb trainierte ich vor Istanbul besonders die linke Seite, um mich optimal vorzubereiten."
Der Brite liebt es, auf im Istanbul Speed Park Gas zu geben: "Das ist eine fantastische Strecke. Sie ist recht anspruchsvoll, besonders Kurve acht ist eine Herausforderung für jeden Fahrer. Ich freue mich auf das Rennen und möchte besser abschneiden als im letzten Jahr, als ich nach einem Reifenschaden Fünfter wurde. Hoffentlich ist auch Heikki wieder mit dabei. Ich weiß, dass er am Donnerstag an der Strecke untersucht wird, das müssen wir abwarten."
Kovalainens Unfallwagen wurde ausgiebig untersucht
Für McLaren sollte die Strecke unter einem guten Licht stehen, war es doch Kimi Räikkönen, damals im Dienste von McLaren, der auf der Rennstrecke im Jahr 2005 den ersten Großen Preis der Türkei gewinnen konnte. Martin Whitmarsh ist entsprechend optimistisch: "Die Rennstrecke hat einige besonders fordernde Kurven. Es ist deshalb gut zu wissen, dass der MP4-23 besonders in den Hochgeschwindigkeitskurven in Barcelona sehr gut lag."
"Wenn das Auto so gut ausbalanciert ist, geht es viel schonender mit den Reifen um. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass unsere Bridgestone-Reifen in Istanbul lange halten. Im Training geht es darum, die Streckenbedingungen zu verstehen. Zusammen mit Bridgestone werden wir sehr sorgfältig die Reifenabnutzung bei unterschiedlichen Tankfüllungen analysieren", gab Whitmarsh einen kleinen Einblick in das Arbeitsprogramm des Teams.
"Nach Barcelona sind wir besonders für die schnellen Kurven in Istanbul optimistisch. Hingegen waren die engen, kurvigen Streckenteile des Circuit de Catalunya so etwas wie unsere Achillesferse. Wir haben deshalb viel analysiert und untersucht, wie wir das Auto in diesem Bereich verbessern können", so Whitmarsh. Verbessert haben sollte sich auch Kovalainen, resp. seine Gesundheit.
Laut Whitmarsh habe das Team alles dafür getan, damit sich der Finne maximal auskuriere, gleichzeitig aber umfassend auf das Rennen vorbereiten kann: "Heikki arbeitet an seiner Fitness. Unser Teamarzt hat ihn zunächst in Spanien und dann im Kuortane Sportinstitut in Finnland unter Beobachtung. Es gibt keine Anzeichen für irgendwelche Folgeschäden, soweit läuft also alles bestens. Vor der Abreise nach Istanbul wird sich Heikki bei unseren Spezialisten in Finnland einer vollständigen neurologischen Untersuchung unterziehen."
"Am Donnerstag an der Rennstrecke wird ihn zudem die FIA untersuchen, dieser übliche neurologische und physiologische Test ist nach Unfällen mit Gehirnerschütterung vorgeschrieben. Wie bei jedem Grand Prix sind wir darauf vorbereitet, sollte Heikki nicht starten können. Er ist ein Racer, der es nicht erwarten kann, wieder Rennen zu fahren, aber wir werden die Entscheidung der Ärzte respektieren - sie sind die Spezialisten", macht McLarens Geschäftsführer klar, dass ein Rennstart nicht zu 100 Prozent gegeben ist.
Kovalainens Unfallwagen wurde inzwischen ausgiebig untersucht: "Heikkis Auto wurde von Spanien in das McLaren Technology Centre zurückgebracht und kam dort am Montagmittag nach dem Rennen an. Jedes Teil wurde isoliert und die Unfallursache wurde untersucht - die übliche Vorgehensweise. Manchmal können ein paar Teile weiter verwertet werden. Gleichzeitig wurde das Reservechassis vom Grand Prix in Barcelona komplettiert. Seine Freigabe vorausgesetzt, wird Heikki damit in der Türkei fahren."
"Diese Arbeit begann bereits in Spanien und wird an der Rennstrecke beendet. Der Austragungsort Istanbul ist eine Herausforderung für unser Team. Es ist kein klassisches europäisches Rennen, aber auch kein Überseerennen, zu dem wir per Flugzeug anreisen", erklärte Whitmarsh die logistischen Veränderungen. "Weil wir den größten Teil der Ausrüstung per Schiff in die Türkei transportieren, ist sie viel länger unterwegs. Die Ausrüstung des Rennteams einschließlich der Autos wurde direkt von Spanien in die Türkei gebracht, das gilt auch für das erwähnte Chassis. Aus Woking schicken wir ein neues Reservechassis in die Türkei."
Norbert Haug ist froh um die Sicherheit der modernen Formel 1
Norbert Haug, seines Zeichens Motorsportchef von Mercedes-Benz weiß, dass der Unfall von Kovalainen vor einigen Jahren noch ganz anders hätte ausgehen können: "Heikki hat großes Glück gehabt und wir natürlich auch. Die Sicherheitszelle des MP4-23 hat Schlimmeres verhindert, die Absicherung der Rennstrecke ebenso."
"Dieser Unfall hätte fatale Folgen haben können, ohne dass die FIA und die Teams in den letzten 14 Jahren so intensiv und kontinuierlich an verbesserten Sicherheitsstandards gearbeitet hätten. Die medizinischen Teams an der Rennstrecke wie im Krankenhaus haben vorbildlich gearbeitet, genauso wie die Streckenposten. Ihnen allen gilt Heikki' s und unser Dank", lobte Haug die Arbeit des Sicherheitspersonals.
"Heikki hatte keinerlei Verletzung, allerdings beklagte er Kopfschmerzen. Er wurde am Tag nach dem Unfall aus dem Krankenhaus in Barcelona entlassen, gönnte sich zunächst viel Ruhe und bereitet sich jetzt auf den nächsten Grand Prix in Istanbul vor. Vor diesem steht allerdings die medizinische Untersuchung der FIA. Es ist nicht wichtig, dass Heikki unbedingt das nächste Rennen fährt, wichtig ist, dass er dann startet, wenn er voll einsatzfähig ist", so Haug.
McLaren erkennt nach dem Grand Prix von Spanien, dessen Rennstrecke als gute Messlatte aller Autos gilt, an, dass man in Woking noch ein paar Scheite aufs Feuer werfen muss: "Barcelona als Auftakt der Europa-Saison ist mit seiner anspruchsvollen Streckenführung definitiv Maßstab für die folgenden Rennen. Uns fehlten im Qualifying knapp drei Zehntel auf die Pole Position, allerdings hatten wir etwas mehr Benzin und damit mehr Gewicht an Bord. Trotzdem, auch mit gleicher Spritmenge hätte es nicht ganz gereicht. Ferrari hat derzeit die Nase vorn. Unser Auto ist seit unserem Sieg beim Auftaktrennen in Melbourne sukzessive besser und damit deutlich schneller geworden."
Doch nicht nur die nackte Performance sorgte für McLarens Rückstand, auch eigene Fehler sorgten dafür, dass die deutsch-britische Allianz ins Hintertreffen geriet: "Leider haben wir weder in Melbourne noch in Malaysia, Bahrain und Barcelona - meist wegen selbstverursachten Fehlern - alle Punkt geholt, die möglich waren und dies macht, nachdem Ferrari in Melbourne nur einen Punkt einfuhr, unser Defizit zur Tabellenspitze aus. Unser Ziel ist, uns weiter zu steigern, wobei der Grand Prix in Istanbul wohl eher ein schwieriges Rennen für uns werden wird."
"In der Vergangenheit haben wir hier aus verschiedenen Gründen nicht gerade brilliert und auch dieses Mal sind wir nicht die aktuelle Meßlatte. Wir wollen so hoch wie möglich punkten, wobei Ferrari nach drei Siegen in Folge natürlich in der Favoritenrolle anreist", lautete Haugs Einschätzung zu dem bevorstehenden Rennen.

