• 09.10.2008 13:01

Massa: "Wir sind ein Team und nur das zählt"

Ferrari-Pilot Felipe Massa im Interview über das schwierige Rennen in Singapur, die Probleme beim Boxenstopp und die Aussichten für den WM-Fight

(Motorsport-Total.com) - Aufgrund einer großen Panne beim Pitstop in Singapur verlor WM-Kandidat Felipe Massa reichlich an Boden auf McLaren-Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. Wieder war der Brasilianer in Führung liegend das Opfer von Pannen geworden, auch wenn Massa in diesem Fall nicht ganz aufgeben musste. Das Nachtrennen war jedenfalls futsch - und Hamilton konnte seine Führung in der Weltmeisterschaft weiter ausbauen. Im Interview nahm Massa ausführlich zu diesen Vorfällen Stellung und gab seine Sicht der Dinge preis.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Felipe Massa will im Saisonendspurt noch einmal alle Kräfte mobilisieren

Frage: "Felipe, was denkst du nach den Vorfällen von Singapur über die Meisterschaft?"
Felipe Massa: "Ich werde versuchen, genau diese Leistung erneut zu bringen. Ich möchte ein gutes Qualifying hinlegen, dann einen prima ersten Stint und anschließend sogar noch bessere zweite und dritte Stints. Leider haben wir den zweiten Rennabschnitt in Singapur aus verschiedenen Gründen nicht hinbekommen, aber das gehört zum Leben nun einmal dazu. Jetzt liegen wir also sieben Punkte zurück, haben aber noch immer eine Chance. Die ist zwar geringer, als wir uns das erwartet hätten, doch noch haben wir ja einige Möglichkeiten. Das ist momentan das Wichtigste."#w1#

Vom Tankschlauch überrascht worden...

"Wenn wir gewinnen oder verlieren, dann tun wir das als Team. Ich bin nicht der Typ, der jetzt hingeht und sagt: 'Das ist die Schuld von diesem oder jenem.' Wir sind ein Team und nur das zählt. Wir sind stark, wir können gewinnen - aber manchmal kommen solche Dinge eben vor. Leider ist in dieser Saison schon einiges passiert, wobei wir wichtige Punkte verloren haben. Wir arbeiten gut zusammen und versuchen sehr, wieder auf die Siegerstraße zurück zu kommen und die Meisterschaft zu gewinnen."

Frage: "Hast du beim Boxenstopp den Tankschlauch gespürt?"
Massa: "Ich hatte nicht mal beim Wegfahren ein seltsames Gefühl. Bei einem Zwischenfall merkt man für gewöhnlich, wenn solche Dinge passieren - dieses Mal war da gar nichts und es hat sich angefühlt wie immer. Nachdem mein Ingenieur mich angefunkt und ich einen Blick in den Spiegel geworfen hatte, war ich sehr überrascht, denn ich fühlte rein gar nichts. Ich habe sogar das rote Licht hinterher gar nicht mehr bemerkt, denn zu diesem Zeitpunkt habe ich schon gar nicht mehr auf die Ampel geschaut. Das war leider ein Fehler."

Frage: "Was hälst du von der Entscheidung, wieder zum Lollipop zurückzukehren?"
Massa: "In meinen Augen ist das die richtige Entscheidung. Wir hatten im vergangenen Rennen ein Problem damit und es macht ehrlich gesagt schon einen Unterschied aus, ob man bei einem Problem mit einem Lollipop agiert oder nicht. Sollte ein Fehler vorkommen, dann kann mir der Lollipop-Mann mit seinem Instrument ein Zeichen geben - und dann bremst du auch. Das ist der einzige Unterschied. Was die Performance angeht, so ist die Ampel schneller. Wir versuchen immer, in jedem Bereich die schnellste Lösung zu finden. Bei einem Problem nutzt dir das leider alles nichts. Das ist der einzige Grund, warum wir wieder zum Lollipop zurückkehren."

Massa befürwortet Rückkehr zum Lollipop

Frage: "Wärst du zufrieden damit gewesen, weiterhin die Ampel zu benutzen?"
Massa: "Mit der Ampel kam ich prima zurrecht. In Singapur hatten wir erstmals ein Problem mit der Ampel und leider ist es genau zur falschen Zeit und im falschen Moment aufgetreten. Es macht doch einen großen Unterschied, wenn diese Dinge gerade dann vorfallen, wenn du das Rennen anführst. Bist du Neunter und so etwas passiert, dann kratzt es niemanden. Führst du den Grand Prix an, dann werden solche Zwischenfälle plötzlich wichtig. So gehen wir also wieder zum Lollipop zurück."

Frage: "Gibt es im Endspurt um den Titel noch weitere Veränderungen im Team?"
Massa: "Wir haben beim Auto einen kleinen aerodynamischen Schritt gemacht, was uns im Vergleich zum vergangenen Rennen ein kleines Plus bringen sollte. Dann haben wir noch den Lollipop, aber das ist es dann auch schon. Das Team bleibt das gleiche und wir versuchen, Rennen und dann die WM zu gewinnen. Nichts anderes haben wir momentan im Kopf und jeder gibt 100 Prozent, damit wir unsere Ziele erreichen."

"Daher ist es sehr schade. Ich mag es nicht, zurückzublicken und zu sagen: 'Wir haben hier Punkte verloren und dort WM-Zähler eingebüßt, wir sollten 40 Punkte mehr auf dem Konto haben und dann hätten wir die WM schon gewonnen.' So will ich nicht sein und so bin ich auch nicht. Wir gewinnen als Team und verlieren als Team. Nur das zählt."

Frage: "Wird derjenige die Meisterschaft gewinnen, der weniger Fehler macht?"
Massa: "Keine Ahnung. Wie ich schon sagte, man muss es einfach zu 100 Prozent richtig machen und ein schnelles Auto haben. Das sind die wichtigen Faktoren, die dich ein Rennen gewinnen oder mehr Punkte machen lassen als die Konkurrenz. Natürlich sind Fehler bei drei noch ausstehenden Rennen keine besonders gute Sache, also muss ab jetzt alles passen."

Brasilianische Leidenschaft im WM-Endspurt

Frage: "Was hälst du von Lewis Hamilton als Rivale?"
Massa: "Ich halte ihn für einen sehr starken Fahrer. Er ist sehr gut und es wird richtig schwierig werden, mit ihm zu kämpfen - wie schon in so vielen Rennen in dieser Saison. Wir sind allerdings auch sehr stark. Wir haben gute Fahrleistungen gezeigt und haben ein prima Auto. Darauf kommt es in den noch ausstehenden Rennen an. Natürlich tut man sich immer etwas schwer, zu sagen, dass man die restlichen Rennen alle gewinnen wird."

"Man weiß ja nie, was noch alles geschehen wird, aber wir haben eine gute Chance. Daran müssen wir als Team einfach glauben. Wir müssen unser Bestes geben und vor unseren Hauptkonkurrenten ins Ziel kommen, so viele Punkte wie möglich machen und dann sehen, wer am Ende der Saison mehr Glück hatte und schneller war. Aber das bedeutet nichts. Wer die meisten Punkte hat, der ist Meister. So läuft der Hase."

Frage: "Er sagt, dass er gerne gegen dich fährt, weil du als Brasilianer mit Leidenschaft zu Werke gehst..."
Massa: "Ja, ich bin mit Feuereifer dabei. Ich habe jedenfalls keinerlei Probleme damit, es mit jedem aufzunehmen. Ich kann verlieren, denn ich weiß, wie das ist. Wir hatten schon so tolle Ergebnisse, daher kenne ich beide Seiten der Medaille. Wenn du verlierst, weil dein Gegenüber einen besseren Job gemacht hat, dann musst du das wohl oder übel akzeptieren. Wenn du aber aufgrund eines Problems den Kürzeren ziehst, dann ist das nur schwer zu verdauen. Aber so läuft das nun einmal. Ich habe jedenfalls nur den einen Gedanken und der lautet, die Meisterschaft zu gewinnen. Sollte das nicht klappen, dann starten wir im kommenden Jahr einen neuen Anlauf."

Frage: "Wenn man sich die Lage in der Gesamtwertung ansieht - wie wichtig ist die Rolle von Kimi Räikkönen?"
Massa: "Jeder im Team hat einen wichtigen Job zu erledigen. Ich, Kimi, die Mechaniker und die Ingenieure - einfach alle. Jeder spielt eine wichtige Rolle im Saisonendspurt. Versuchen wir einfach, alles richtig zu machen."

Frage: "Kannst du dein Verhältnis zu Lewis charakterisieren?"
Massa: "Ich denke, wir respektieren einander und das ist sehr wichtig. Er hat mich in diesem Jahr schon oft überholt und ich habe meinerseits auch schon einige tolle Manöver gegen ihn vorgetragen. Das verschafft einem auf der Strecke viel Respekt. Rein vom Fahrerischen muss ich mir da also keinerlei Sorgen machen. Ich mache einen guten Job und denke, dass wir uns auf einem guten Niveau befinden. Lewis spielt auch in der Topkategorie und wir müssen ihn als Gegner und Fahrer respektieren. Dennoch müssen wir ihn schlagen."

Massa wägt die Risiken ab

Frage: "Konzentrierst du dich jetzt auf dein eigenes Ding und gehst ihm aus dem Weg?"
Massa: "Das wird man mit mir nicht erleben. Ich werde ihn gewiss noch grüßen, auch wenn ich mit ihm um den Titel kämpfe. Aber unser Fight findet auf der Rennstrecke statt. Ich kann nicht sagen, dass er abseits davon mein bester Freund wäre. Wir gehen nicht gemeinsam essen oder so, aber wir pflegen einen freundlichen Umgang wie andere Leute auch."

Frage: "Lewis hat angekündigt, dass er eher konservativ zu Werke gehen wird und nicht unbedingt auf Sieg fährt, weil er an die WM denkt. Gibt dir das einen mentalen Vorteil in den Rennen?"
Massa: "Das kann man nicht sagen. Momentan ist es sicherlich Lewis, der einen Vorteil hat, denn er hat sieben Punkte Vorsprung auf mich. Vielleicht sehen die Dinge beim nächsten Rennen aber schon wieder ganz anders aus - oder sind möglicherweise noch kniffliger. Das kann man nur schwer vorhersehen, aber man benutzt natürlich immer die Herangehensweise, die man braucht. Das kommt immer darauf an, wie das Rennen läuft und wie es begonnen hat."

"Befindest du dich in einer Position, wo du mehr Punkte machen kannst, als dein direkter Konkurrent, dann solltest du wohl auf die WM-Zähler schauen und nichts riskieren. Wenn du aber nichts zu verlieren hast, dann kannst du auch aufs Ganze gehen. So ist das. Es gab bislang viele Rennen, wo ich mit meinen Punkten zufrieden war und ich hätte die Grands Prix nur zu Ende fahren müssen."

"In manchen Rennen habe ich etwas riskieren müssen und das hat sich bezahlt gemacht. Manchmal kann das aber auch in die Hose gehen. Vielleicht müssen wir in den kommenden drei Rennen ein paar Risiken eingehen, aber das kommt immer auf die Position an. Vielleicht wird es nicht soweit kommen, möglicherweise müssen wir nur ankommen. Mit der Zeit entwickelt man eine solche Sichtweise auf die Dinge."