Massa im Aufwind: Vertrag nur noch Formsache?

Schnell, Teamplayer par excellence, neuer Vertrag schon fast in der Tasche: Felipe Massa lieferte auch in Südkorea ein starkes Empfehlungsschreiben ab

(Motorsport-Total.com) - Felipe Massa sollte sich die WM-Tabelle der vergangenen fünf Rennen einrahmen lassen: Nach der völlig verkorksten ersten Saisonhälfte liegt der Ferrari-Pilot in der "Massa-Tabelle" (gezählt werden nur Ergebnisse ab Spa-Francorchamps) an zweiter Stelle - vor Teamkollege Fernando Alonso, geschlagen nur von Sebastian Vettel. Massa kommt in diesem Zeitraum auf 56 Punkte, der seit heute neue WM-Leader auf 93.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Schon am Dienstag könnte Felipe Massa offiziell für 2013 bestätigt werden Zoom

Bei der Abreise aus Singapur soll ihm Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo noch den "Doppelpack" in Japan und Südkorea gegeben haben, um sich für 2013 zu empfehlen, und das ist dem 31-Jährigen eindrucksvoll gelungen: Vor einer Woche schaffte er seinen ersten Podestplatz seit fast zwei Jahren - und auch heute hätte er wohl auf das Podium fahren können. "Es wäre möglich gewesen, ja", bestätigt Massa - allerdings wurde er vom Team eingebremst.

In der 38. Runde - sein Tempo war sichtlich höher als jenes von Alonso - meldete sich Renningenieur Rob Smedley am Funk: "Du bist ein bisschen zu nahe an Fernando dran, ein bisschen zu nahe an Fernando. Ich denke, du kannst dich um mindestens eine weitere Sekunde zurückfallen lassen. Dann bleib einfach zweieinhalb, drei Sekunden dahinter. Kein Problem." Massa hielt sich an diese Order, zeigte dem Team aber immer wieder mit schnellen Sektorenzeiten an, wie schnell er wäre.

Stallorder bedingungslos akzeptiert

"Dass er Alonso nicht angreift, das war glaube ich klar", sagt Experte Marc Surer. "Aber dass er nicht einmal dicht aufschließen darf, um Alonso nicht nervös zu machen, das ist schon hart. Trotzdem: Massa hat alles richtig gemacht - und ich bin sicher, er wird mit den beiden Rennen, die er jetzt geliefert hat, bei Ferrari bleiben. Massa ist ein tadelloses Rennen gefahren und hat gezeigt, dass der Ferrari siegfähig wäre, wenn alles passt. Das gibt dem Team sicherlich Hoffnung."

Einen Podestplatz verschenken zu müssen, sei "nicht so tragisch", glaubt der ehemalige Grand-Prix-Pilot aus der Schweiz. "Aber die ganze Welt hat mitgehört. Wenn er sich so brav dran hält, müssen sie ihm auch einen Vertrag geben. Darum geht's ihm ja schließlich." Massa selbst ist "sehr glücklich darüber, was ich aus dem Auto herausgeholt habe. Ich weiß, dass ich das Beste daraus gemacht habe - vielleicht sogar noch mehr."

Und, im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen besonders wichtig: Er hat die Stallorder ohne Murren akzeptiert und sich damit als perfekter Teamplayer für Alonso in die Auslage gestellt. "Ich weiß, wie wichtig jeder einzelne Punkt für Fernando sein kann", so der Ferrari-Pilot. "Das gesamte Team gibt alles, um Fernando zu helfen, und ich bin für ihn da, genau wie der Rest des Teams. Es war auch für mich da, als ich in der gleichen Situation war."

Vertrag schon unter Dach und Fach?

Was die Frage aufwirft: Was mehr kann Ferrari jetzt noch von ihm verlangen? "Nichts", entgegnet Massa selbstbewusst. Laut brasilianischen Medienberichten soll er den Vertrag ohnehin schon in der Tasche haben, bereits am Dienstag die offizielle Bekanntgabe erfolgen. Aber der Beinahe-Weltmeister von 2008 winkt noch ab: "Warten wir ab, bis ich das Okay von beiden Seiten habe. Erst dann kann ich mir sicher sein. Ich denke, das wird sehr bald der Fall sein."


Fotos: Felipe Massa, Großer Preis von Südkorea, Sonntag


Die Scuderia bestätigt den Vertrag ebenfalls noch nicht, ist aber "sehr glücklich" über die heutige Leistung: "Er ist ein exzellentes Rennen gefahren, auch ein exzellentes Qualifying", lobt Teamchef Stefano Domenicali. "Ich muss sagen, dass er seit einigen Rennen sehr gute Arbeit leistet. Das ist sehr vielversprechend für das Ende der Saison. Und ich beuge gleich der nächsten Frage vor, die sicher irgendjemand stellen wird: Sie werden unsere Position in dieser Frage sehr bald erfahren."

Verständnis der Reifen der Schlüssel?

Warum Massa plötzlich wieder konkurrenzfähig ist, konnte bisher noch niemand schlüssig erklären. Domenicali versucht es: "Er versteht das Auto und die Reifen besser. Wir haben nie daran gezweifelt, dass Felipe ein sehr starker Fahrer ist - sonst hätten wir schon längst eine andere Entscheidung getroffen. Ich habe das Gefühl, dass Felipe das Auto und die Reifen jetzt im Griff hat und auf dem Niveau fährt, auf dem er fahren sollte."

Felipe Massa und Rob Smedley

Renningenieur Rob Smedley musste Felipe Massa heute sogar einbremsen Zoom

Massa nickt: "Ich fühle mich gerade sehr stark. Das Fahren kommt automatisch und ich bin viel glücklicher. Wenn alles zusammenpasst, macht es einfach Spaß - und das ist das Wichtigste, wenn man ins Auto einsteigt. Wenn ich keinen Spaß habe und nicht glücklich bin, ist selbst der beste Job der Welt nicht schön. Wenn du nicht glücklich bist, kannst du nicht perfekt arbeiten. Das ist jetzt viel besser. So muss es sein", unterstreicht er.

Dass auch der Druck von außen belastend war, streitet er gar nicht erst ab: "Vielleicht gab es in Bezug auf meine Zukunft auch etwas Druck, der ins Spiel kam. Aber an einem bestimmten Punkt habe ich mir gesagt, dass ich nicht mehr zu viel nachdenken sollte. Vielleicht hat diese Herangehensweise geholfen. Nun fühle ich mich stärker - und wenn man genießt, was man macht, ist das am besten", freut sich Massa über seine wiederentdeckte Unbekümmertheit.

Massa 2.0: So stark wie 2008?

Fahrerisch sieht er sich immer noch auf dem gleichen Niveau wie 2008: "Ich weiß immer noch, wie man schnell fährt und mit dem Auto arbeitet. Wenn nicht alles zusammenpasst, verstehst du nicht, warum das Auto dies und jenes macht, und du fängst an, über alles nachzudenken. Das ist nicht gut. Wenn du das Auto und die Reifen verstehst, geht alles leichter von der Hand", bestätigt der Ferrari-Pilot, dass er hofft, 2013 von Anfang an konkurrenzfähig zu sein.

Felipe Massa

Felipe Massa durfte Fernando Alonso ein bisschen jagen, aber nicht überholen Zoom

Von Anfang an vorne zu sein, hilft auch 2012 in jedem Rennverlauf. Massa hofft daher, dass die geplanten Ferrari-Updates nicht nur Alonso, sondern auch ihm in den Qualifyings helfen werden: "Nach dem Start in einer besseren Position zu sein, hilft enorm", weiß der elffache Grand-Prix-Sieger. "Unser größtes Problem ist das Qualifying - das müssen wir verbessern. Wenn wir da ein besseres Auto haben, würde uns das in den Rennen definitiv sehr helfen."

"In Suzuka", fährt er fort, "war mein Qualifying nicht großartig, aber nach zwei Kurven war ich Vierter. Dadurch konnte ich mein eigenes Tempo gehen und ich hatte niemanden vor mir, der mir Probleme bereitet hätte. Wenn du nach den ersten paar Kurven unter den besten Fünf bist, ist das ganze Rennen viel einfacher. Das ist die Realität. Wenn ich vorne starte, erreiche ich auch ein gutes Ergebnis. Unsere Pace im Rennen ist sowieso meistens besser als im Qualifying."

Endlich wieder unter den Topfahrern

Heute startete er vom sechsten Startplatz. Noch in der ersten Runde ging er an Ex-Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen vorbei, später auch an Lewis Hamilton, dem WM-Gegner von 2008. Und hätte er seinen Teamkollegen überholen dürfen, wäre möglicherweise sogar der zweitplatzierte Mark Webber in Reichweite gelegen, auf dem ihm am Ende gerade mal 11,9 Sekunden fehlten. Massa spielt wieder im Konzert der Großen mit.

Felipe Massa, Fernando Alonso

Fernando Alonso wünscht sich, dass Felipe Massa sein Teamkollege bleibt Zoom

Hättest du Webber wirklich noch überholen können, Felipe? "Vielleicht ja", sagt er selbstbewusst - auch das ist neu an Ferraris seit einigen Wochen deutlich verbesserter Nummer zwei. Es sei "schwer zu sagen", ob eine Attacke realistisch möglich gewesen wäre, "aber vielleicht ja, wenn man sich mein Tempo anschaut. Als ich nach Webbers Rundenzeit gefragt habe, fuhr er 1:44. Ich konnte sofort 1:42 fahren. Es wäre vielleicht gegangen."

Frage an Teamchef Domenicali: Habt ihr in Betracht gezogen, Massa überholen zu lassen, um die Red Bulls zu jagen? "Ja", lautet die überraschende Antwort des Italieners. Allerdings habe man sich dagegen entschieden: "Darüber haben wir nachgedacht, aber es hätte alles komplizierter gemacht, wenn er nach vorne gekommen wäre, wenn man sich die Punkte anschaut. Es wäre dann viel schwieriger geworden, die Situation zu managen."