Marussia-Virgin: Große Sorgen, kleine Erfolge
Beide Virgin-Piloten haben den Sprung über die 107-Prozent-Marke geschafft, aber dennoch ist niemand glücklich: Auto "einigermaßen fahrbar"
(Motorsport-Total.com) - Bei Marussia-Virgin hatte man am Freitagabend nach den Freien Trainings größte Sorge, dass man sich möglicherweise für den ersten Grand Prix des Jahres nicht qualifizieren könnte. Der neue Marussia-Virgin MVR-02 hält längst nicht das, was Technikchef Nick Wirth den Fahrern vor Jahresbeginn versprochen hatte. Man fährt deutlich hinterher, hat rund drei Sekunden Abstand zum Mittelfeld.

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Timo Glock kämpfte sich mit dem Marussia-Virgin in die Startaufstellung
"Wir haben endlich das Auto so hinbekommen, sodass es recht gut fahrbar ist. Bezüglich Speed sind wir aber weit zurück. Das ist sehr enttäuschend", sagt Teamchef John Booth. Der Brite erklärt: "Die Zuverlässigkeit stimmt, das Team arbeitet gut. Darauf müssen wir nun aufbauen und an Tempo zulegen. Bezüglich der grundsätzlichen Qualität des Autos haben wir einen Schritt gemacht, bezüglich der Performance leider nicht."
Timo Glock setzte den Wagen im Qualifying immerhin in 1:29.858 Minuten auf Rang 21, sein Teamkollege Jerome D'Ambrosio war fast eine Sekunde langsamer, aber dennoch noch unterhalb der 107-Prozent-Marke. Nach Aussage des Deutschen war der MVR-02 am Samstag "wenigstens einigermaßen fahrbar", nachdem man wichtige Umbauten vorgenommen hatte.
"Wir müssen es nicht schönreden. Wir sind nicht dort, wo wir sein sollten", nimmt Glock kein Blatt vor den Mund. Der erfahrene Hesse sagt ganz deutlich: "Das Team muss sich Gedanken machen, denn so kann es nicht weiter gehen. Ich habe meine Meinung gesagt. Die müssen sich nun überlegen, wie wir in der nächsten Zeit vorgehen, um das Auto nach vorne zu bringen."
Warten auf das wichtige Update
Glock hat intern sicherlich schon Windkanalversuche gefordert. Der von Designchef Nick Wirth konsequent beschrittene CFD-Weg wird nicht mehr von allen als großes Glück betrachtet. Erst für den vierten Saisonlauf des Jahres in der Türkei hat man ein umfassendes Update in Aussicht. Die Fortschritte beschleunigen und einen kurzfristigen Sprung wie McLaren hinlegen, das ist nicht drin.
"Dafür sind wir als Team nicht groß und stark genug dafür. Bei Toyota hätte man so etwas vielleicht hinbekommen, aber wir kriegen das nicht hin", erklärt Glock. "Bezüglich der Teamstruktur haben wir uns nach vorne entwickelt. Sportlich haben wir uns vielleicht nicht rückwärts bewegt, aber die anderen haben erhebliche Schritte gemacht, die wir nicht mitgegangen sind."
"Die größten Sorgen habe ich, dass die Topteams erheblich nachlegen und unser Schritt mal wieder nicht so toll wird", meint der 29-Jährige. "Red Bull hat zu jedem Rennen irgendwelche neuen Teile. Vielleicht muss man mal darüber nachdenken, dass man die 107 Prozent erst auf Grundlage des zweitschnellsten Teams berechnet, weil Red Bull so stark ist", lacht er.
"Wenn irgendwann mal die weichen Reifen bei Red Bull im Rennen nicht über die Distanz gehen, dann hauen sie diese Reifen schon im ersten Qualifyingabschnitt raus. Dann sind wir am A....", fasst Glock die Situation realistisch zusammen. Man schaffte den Sprung ins Starterfeld zwar scheinbar locker, aber die Situation könnte in Malaysia und China schon ganz anders aussehen.
Lotus stärker als es scheint
Auch der vermeintlich geringe Abstand zum direkten Vorjahreskonkurrenten Lotus stuft Glock höher ein als er aufgrund des Qualifyings in Melbourne erscheint. "Die haben hier offensichtlich ein Problem. Ich bin kurz mal hinter Kovalainen gefahren und habe erkannt, dass die ihre Reifen nicht zum Arbeiten bringen", sagt der Deutsche. "Wenn die im warmen Malaysia fahren, dann bin ich mir sicher, dass die besser zurechtkommen."

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Timo Glock will seinen Namen wieter oben auf den Zeitenlisten sehen Zoom
Glock wird den ersten Grand Prix des Jahres direkt hinter den beiden Lotus-Renault von Heikki Kovalainen und Jarno Trulli aufnehmen. "Für uns ist es gut, damit ich am Sonntag nicht nur um die goldene Ananas fahre. Vielleicht kann ich ein bisschen kämpfen und mit denen mithalten", macht sich der Wersauer Mut für das anstehende Rennen im Albert Park.
"Das Auto ist schwierig zu fahren, aber so ist ein Formel-1-Auto nun einmal. Seit Barcelona haben wir aber große Fortschritte gemacht", sieht der neue Glock-Teamkollege Jerome D'Ambrosio die Situation gelassen. "Ich kann nur im Auto mein Bestes geben. Es ist nicht einfach, für mich ist alles noch neu", sagt der Rookie, der im Qualifying fast eine Sekunde auf den teaminternen Konkurrenten verlor.
Auch nach OP: Bauchschmerzen bei Glock
"Solch ein Qualifying in der Formel 1 ist etwas komplizierter als in der GP2, allein schon der Verkehr. Die Geschwindigkeitsunterschiede sind viel größer", erklärt der Belgier seine Probleme. "Wenigstens habe ich die 107-Prozent-Hürde genommen. Nun habe ich eine Basis, von der aus ich ins Rennen gehen darf. Ich freue mich sehr auf mein Debüt, möchte unbedingt die Zielflagge sehen."

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Jerome D'Ambrosio wird am Sonntag sein erstens Formel-1-Rennen bestreiten Zoom
"Ich muss in Malaysia im Qualifying dafür sorgen, dass ich saubere Runden ohne Probleme im Verkehr fahren kann. Das liegt an mir und meinem Ingenieur. Hier in Melbourne habe ich mit dem ersten Reifensatz ganz gut fahren können, mit dem zweiten hatte ich keine einzige freie Runde", schildert D'Ambrosio mit Blick auf die zweite Station des Jahres. "Ich muss einfach schauen, wo ich als Fahrer noch besser agieren kann."
Für Timo Glock steht zwischen Melbourne und Sepang Fitnessarbeit auf dem Programm, die er aufgrund seiner Blinddarm-Operation hatte unterbrechen müssen. "Von der Verletzung spüre ich gar nichts. Ich merke nur, dass ich drei Wochen lang kein richtiges Training machen konnte", sagt der 29-Jährige. "Malaysia wird kein Problem. Ich kann endlich wieder normal trainieren." Bauchschmerzen dürfte Glock dennoch haben. Nicht mehr wegen des Blinddarms, sondern wegen seines Autos.

