• 26.03.2011 14:25

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

McLaren bestätigt Ruf als Entwicklerteam

Da werden Erinnerungen an 2009 wach: Binnen zwei Wochen hat McLaren rund eine Sekunde und den Anschluss zur Spitze gefunden

(Motorsport-Total.com) - Nach den Testfahrten in Barcelona hatte noch kaum einer der Experten McLaren auf der Rechnung. Im Freitagstraining in Melbourne landeten Jenson Button und Lewis Hamilton dann auf den Plätzen eins und zwei, doch das wurde als nicht repräsentativ abgetan. Dann die Bestätigung im heutigen Qualifying: Hamilton trotz KERS-Problem Zweiter, Button ohne ideale Reifentemperatur Vierter!

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button hatte im Qualifying Verkehr, wurde aber trotzdem Vierter

Für das kleine Wunder verantwortlich ist ein neues Auspuffsystem. Jenes, das nach Renault-Vorbild konzipiert wurde und den Unterboden von vorne nach hinten anströmen sollte, erwies sich als zu komplex. Also entschied man sich in Woking nach dem Barcelona-Test dazu, im Handumdrehen ein konventionelleres System zu entwickeln. Dieses konnte vor Melbourne aber nur auf dem Prüfstand und nicht auf der Strecke getestet werden.

Risiko macht sich bezahlt

Ein Risiko, das sich gelohnt hat. "Wir sind gestern erstmals mit diesem Auto gefahren", grinst Martin Whitmarsh, dem bewusst ist, dass der Schuss auch nach hinten hätte losgehen können: "Dann hätten an diesem Wochenende viele Leute viel Arbeit gehabt." Doch der neue auspuffangeströmte Unterboden scheint auf Anhieb zu funktionieren. Das war nicht immer so: In Silverstone 2010 verursachte ein vergleichbares Design mehr Probleme, als es löste.

¿pbvin|512|3553||0|1pb¿Whitmarsh steht grundsätzlich hinter dem Ansatz, es mit radikalen Ideen zu probieren, auch wenn es diesmal schiefgegangen ist: "Dieses Jahr gibt es im Bereich der auspuffangeströmten Unterböden in vielen Teams sehr kreative Ideen. Das liegt vor allem daran, dass der Heckdiffusor durch das Reglement beschnitten wurde. Es ist innerhalb dieses Reglements sehr schwierig, über den Diffusor Zeit zu finden. Also konzentriert man sich auf den Auspuff", erläutert er.

"Unseren Jungs hat es mit Sicherheit nicht an Kreativität gemangelt, aber unsere Lösungen waren sehr komplex und technisch sehr schwierig umzusetzen. Vielleicht haben sie sich da zu viel vorgenommen", gibt der Brite zu. "Dann haben wir uns für eine simplere Lösung entschieden. Innerhalb dieser kurzen Zeit ist es unwahrscheinlich, dass wir die neue Lösung schon optimiert haben, insofern erwarte ich mir da weitere Fortschritte."

Noch viel Potenzial im MP4-26?

Darauf hofft auch Button: "Es ist im Vergleich zu den anderen Teams, die schon viel getestet haben, noch ein sehr junges Auto", sagt der McLaren-Pilot über den MP4-26. "Wir lernen auch an diesem Wochenende noch viel dazu und schaffen Verbesserungen. Es ist großartig, nach diesem Winter in so einer Position zu sein. Ich weiß, dass da noch viel mehr kommt." Und er fügt an: "Die Verbesserungen, die McLaren 2009 geschafft hat, waren unglaublich. Das jetzt ist ähnlich."

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton fuhr heute trotz eines Problems mit KERS in die erste Reihe Zoom

"Wir sind immer optimistisch und beten, dass die Jungs im Windkanal doch noch etwas finden", wirft Teamkollege Hamilton ein, "aber in Barcelona hatten wir immer noch Zuverlässigkeitsprobleme und wir konnten das Potenzial des Auspuffs, den wir damals noch hatten, nicht maximieren. Als mich Martin angerufen hat, um mir zu sagen, dass wir eine Alternative gefunden haben, die so und so viel bringen soll, habe ich mich bemüht, mir nicht zu viel davon zu versprechen."

Whitmarsh hatte angekündigt, dass das Auto um eine Sekunde schneller werden soll. Solchen Ankündigungen folgten 2010 nicht immer Taten, diesmal aber schon. Hamilton: "Im Vorjahr waren für Silverstone auch acht Zehntel angekündigt, aber wir konnten das System erst ein paar Rennen später optimieren. Ich habe gehofft, dass es funktionieren würde, und heute fühlte sich das Auto fantastisch an. Es ist ein riesiger Schritt."

Lob für die beiden Fahrer

Und zwar genau zur richtigen Zeit, denn ein schlechter Saisonauftakt hätte möglicherweise die Moral der Fahrer brechen können: "In ihrem Kopf setzt sich automatisch der Gedanke einer katastrophalen Saison fest, denn niemand von uns hat Freude daran, Rennen zu fahren, die er nicht gewinnen kann", erinnert sich Whitmarsh an Barcelona. "Unsere Fahrer haben sich aber bewundernswert verhalten und ihre Moral und ihren Fokus aufrechterhalten."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Australien, Samstag


Button war dann der Erste, der die neue Variante zumindest virtuell testen durfte. "Wenn du im Simulator fährst und viel schneller bist", erzählt er, "dann hast du ein Lächeln im Gesicht, aber du bist auch vorsichtig. Ich fahre schon lange genug, um zu wissen, dass man sich nie ganz sicher sein kann, ob sich die Erkenntnisse aus der Theorie wirklich in die Praxis umsetzen lassen. Martin hat gesagt, dass es eine Sekunde sein würde. Ich glaube, es war sogar mehr."

"Aber es ist nicht nur die Rundenzeit, sondern das ganze Feeling. Das Auto fährt sich einfach großartig", lobt der Weltmeister von 2009. Whitmarsh: "Wir sind daran gewöhnt, uns aus schwierigen Situationen herauszukämpfen. Natürlich wurde 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche gearbeitet. Wir haben ein Spezialteam zusammengestellt, um möglichst rasch herauszufinden, welche Bereiche wir neu designen müssen." Offenbar mit Erfolg.