• 12.02.2002 12:24

  • von Fabian Hust

Marcel Laseé: "Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich"

Im Exklusiv-Interview schwärmt Nachwuchstalent Marcel Laseé von seiner mehr als erfolgreichen Jungfernfahrt in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Er ist jung, sieht gut aus und ist verdammt schnell ? die Rede ist von Marcel Laseé. Der amtierende Champion der Deutschen Formel-Renault-Meisterschaft durfte Ende Januar das erste Mal in einem Formel-1-Boliden Platz nehmen, als er in Barcelona für Jordan-Honda zwei volle Tage lang testete. Der erst 20-jährige Düsseldorfer nutzte die Gunst der Stunde und hinterließ dank schneller Runden - die zudem noch frei von größeren Ausrutschern waren - einen hervorragenden Eindruck. Er war sogar so schnell und so präzise in seinen Aussagen über das Fahrverhalten des Jordan EJ11, dass Teamchef Eddie Jordan ihn Anfang dieser Woche wieder zum Testen des neuen EJ12 einlud, als Giancarlo Fisichella wegen Krankheit ausfiel.

Titel-Bild zur News: Marcel Laseé

Marcel Laseé: Volle Konzentration am Montag in Barcelona

Der 1,74 Meter große Deutsche Kartmeister von 1998, Deutsche Formel-Ford-Champion von 1999 und amtierende Formel-Renault-Champion hat bei den Experten mit seiner ersten Ausfahrt im Jordan-Honda EJ11 des Vorjahres einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Testvertrag wäre nun der zweite Schritt in Richtung Formel 1, wo sich die Deutschen dank Michael und Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Nick Heidfeld aber auch André Lotterer längst einen guten Namen gemacht haben.

F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust hatte die Gelegenheit, sich nach dem durch seine Zieheltern beobachteten Test in Spanien mit Nachwuchstalent Marcel Laseé zu unterhalten, der übrigens vor seinem Test auf F1Total.com aufmerksam die Testergebnisse studierte, um sich auf seinen großen Auftritt vorzubereiten.

Frage: "Ich habe von deinem Manager gehört, dass du gerade von einem Trainingscamp zurückgekommen bist. Was habt ihr dort gemacht und wie viel Zeit in der Woche investierst du in Fitnesstraining?"
Marcel Laseé: "Ich war am Tegernsee mit Axel Naumacher, der auch schon einmal Ralf Schumacher betreut hat. Wir haben dort zunächst einmal geschaut, wo ich in Sachen Kondition und Fitness denn überhaupt stehe und ich muss sagen, dass es gar nicht so schlecht aussieht. Man hat mir dort erklärt, wie man am besten Kondition aufbaut, da ich bisher nur allein für mich ohne Trainer trainiert habe. Normalerweise trainiere ich fünf bis sieben Mal in der Woche, also eigentlich jeden Tag. Ich laufe, fahre Rad, boxe und natürlich gehe ich auch ins Fitness-Center."

"Wie Achterbahnfahren hoch 10"

Frage: "Du durftest Ende Januar das erste Mal einen Formel-1-Boliden fahren. Was ist es für ein Gefühl, von 180 auf über 800 PS umzusteigen?"
Laseé: "Das Gefühl ist unbeschreiblich, man kann das gar nicht in Worte fassen. Es ist unvorstellbar, was diese 800 PS für eine Kraft aufbauen können. Man merkt in der Beschleunigung sehr deutlich, dass das Auto mehr PS hat, als es Kilo auf die Waage bringt. Zudem hat es ein ganz anderes Fahrverhalten als ein Formel Renault, der Grip ist höher und auch die Bremsen sind viel stärker. Die Kräfte, die auf den Fahrer wirken, sind unvergleichlich, das ist wie Achterbahnfahren hoch 10."

Frage: "Was war es für ein Gefühl, mit Fahrern wie Michael Schumacher auf einer Rennstrecke unterwegs zu sein?"
Laseé: "Ich habe von Michael Schumacher auf- und abseits der Strecke nicht viel mitbekommen. Es ist ja alles ziemlich abgeschottet und auf der Strecke sind wir uns nicht begegnet. Natürlich ist es eine schöne Sache, mit den ganzen anderen Formel-1-Piloten auf einer Strecke zu fahren, aber ich habe mich auf die Arbeit mit meinem Auto so sehr konzentriert, dass ich das ganze Drumherum gar nicht richtig mitbekommt habe. Es war aber auf jeden Fall schön."

"Dass ich so ruhig war, hat mich beunruhigt..."

Frage: "Wer war vor der ersten Ausfahrt aufgeregter ? deine Zieheltern oder du?"
Laseé: "(Lacht). Ich glaube, dass sie eher aufgeregter waren als ich. Ich war wie gesagt so sehr auf meine Sache konzentriert und ich glaube auch, dass man weniger aufgeregt ist, wenn man selbst im Auto sitzt als derjenige, der einem sehr nahe steht und nur zuschaut. Das einzige, was mich vorher beunruhigt hat, war, dass ich so ruhig war."

Frage: "Was nimmt sich ein Nachwuchstalent vor, wenn es die Chance hat, sich im Rampenlicht der Formel 1 zu empfehlen?"
Laseé: "Für den Test hatte ich mir natürlich vorgenommen, den Job so gut wie möglich zu machen, mit den Leuten zusammen zu arbeiten, zu lernen und so wenig Fehler wie möglich zu machen. Ich denke, dass mir dies ganz gut gelungen ist. Man wird jetzt noch ehrgeiziger, als man es sowieso schon ist und beginnt, noch härter zu trainieren und versucht alles perfekter zu machen."

Frage: "Was hat dich am Jordan EJ11 am meisten beeindruckt?"
Laseé: "Am Auto selbst hat mich vor allem die Technik und der Abtrieb beeindruckt, den das Auto in den Kurven generiert. Und natürlich auch die Bremsen und die Beschleunigung."

"Ich war auf jeden Fall zufrieden"

Frage: "Auf die Bestzeit von Rubens Barrichello fehlten dir nur 2,4 Sekunden und Giancarlo Fisichella war im EJ12 lediglich 0,4 Sekunden schneller als du. Das dürfte dich ziemlich zufrieden gestellt haben, oder?"
Laseé: "Ja, auf jeden Fall. Es war das erste Mal, dass ich in einem Formel-1-Auto gesessen bin und das erste Mal auf dieser Strecke. Ich bin in den zwei Tagen insgesamt 118 Runden gefahren und ich denke, dass ich dafür alles ziemlich schnell in den Griff bekommen habe. Ich war auf jeden Fall zufrieden."

Frage: "Noch haben die Engländer und sogar die Deutschen mit der Schreibweise deines Namen Laseé so ihre Schwierigkeiten. Glaubst Du, dass sich das ändern wird und du nach deinem ersten Test kein Unbekannter mehr bist?"
Laseé: "(Lacht). Da kann ich eine lustige Geschichte erzählen. Ich habe von Jordan einen Anzug angefertigt bekommen und die Leute haben drei Mal nachgefragt, wie der Name denn jetzt richtig geschrieben wird. Auf dem Anzug war der Name dann trotzdem falsch geschrieben (Lassè; d. Red.). Das liegt aber nicht an den Engländern, mit meinem Namen haben viele Probleme, aber ich hoffe, dass sich das in der nächsten Zeit legen wird."

Frage: "Gleich zwei Tage lang hat dich das Team von Eddie Jordan testen lassen, durftest du mit Setups, Reifenmischungen und Benzinmengen herumspielen?"
Laseé: "Ja, wir haben das Auto gezielt abgestimmt und alles ausgetestet. Was die Elektronik betrifft ? wo ich nicht ganz so viel Ahnung hatte ? haben mir die Ingenieure dann alles erklärt. Wir haben unter anderem Bremsen getestet und sie haben angefangen, richtig mit mir zu arbeiten."

Am Anfang bei 200 Meter gebremst, am Ende bei 50 Meter

Frage: "Viele Rennfahrer verlieren bei ihrem Debüt im Formel-1-Auto ja gerade auf der Bremse Zeit gegenüber den Stammfahrern?"
Laseé: "Meiner Meinung nach hatte ich den Vorteil, dass ich schon zwei Tage vorher an der Strecke war und mir bei den anderen Fahrern einiges abschauen konnte. Es funktioniert natürlich aber nicht, sich vorzunehmen, genau dort zu bremsen, wo die anderen bremsen. Ich habe am Anfang bei der Geraden am 200-Meter-Schild und am Ende von den zwei Testtagen knapp vor dem 50-Meter-Schild gebremst. Man tastet sich auf jeden Fall langsam heran ? ich zumindest."

Frage: "Automatikgetriebe und Traktionskontrolle sind dir aus der Formel Renault fremd. Hast du mit den elektronischen Hilfsmitteln getestet und was denkst du über sie?"
Laseé: "Mit der Traktionskontrolle habe ich selbstständig gearbeitet und sie auf meine Bedürfnisse hin abgestimmt. Die Traktionskontrolle ist eine gute Sache und es macht Spaß, mit ihr zu arbeiten. Ich habe sie ziemlich schnell in den Griff bekommen, es ist sehr einfach, mit ihr umzugehen."

"Bin mit vollen Tanks und alten Reifen gefahren"

Frage: "Innerhalb von zwei Tagen bist du rund 560 Kilometer gefahren - auch wenn du als äußerst fit giltst ist das wohl nicht ganz spurlos an dir vorbeigegangen, oder?"
Laseé: "Nein, auf keinen Fall. Ich habe bei mir ein paar Schwachpunkte erkannt, vor allem die Nackenmuskulatur schmerzte. Aber ich habe versucht, das auszumerzen und hart an mir gearbeitet, so dass ich bei meinem zweiten Test im neuen Jordan EJ 12 am Montag keine Schwierigkeiten mehr hatte. Es ist erneut toll gelaufen, auch wenn die Zeiten nicht so gut waren, denn ich bin immer mit vollem Tank und alten Reifen gefahren, weil es dem Team nicht auf Best-Zeiten ankam, sondern darauf aerodynamische Teile zu testen."

Frage: "Wie war das Feedback des Teams? War es mit deiner Arbeit zufrieden?"
Laseé: "Das Team ist echt super! Ich war völlig überrascht, dass die Leute dort alle völlig normal sind, ich habe es mir wirklich schwieriger vorgestellt, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Aber sie sind auf mich eingegangen und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit ihnen zu arbeiten. Man hat mich gelobt und es ist nicht so, dass man vollständig ernst ist. Klar ist es harte Arbeit aber es kam auch schon einmal Lob rüber und das hilft dem Fahrer, da es ihm mehr Selbstvertrauen gibt. Gefreut hat mich, dass Fisichella heute die gleichen Aussagen über das Auto gemacht hat wie ich gestern."

Frage: "Wie stehen die Chancen, dass du einen Testvertrag bei Jordan-Honda erhältst?"
Laseé: "Dazu kann ich noch nichts sagen. Ich hoffe natürlich, dass ich einen Testvertrag bekomme. Was da jetzt passiert wird alles über mein Management geregelt. Ich warte einfach einmal ab und mache mir nicht zu große Hoffnungen, damit die Enttäuschung nicht ganz so groß ist, wenn es nicht klappt. Die Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen."

"Ich kann mich auf den Punkt konzentrieren"

Frage: "Was würdest du in deiner Biographie für Stärken und Schwächen aufführen?"
Laseé: "Das ist eine gute Frage! Stärken und Schwächen? Da kann ich gar nicht viel darüber sagen, da ich mir da noch keine richtigen Gedanken gemacht habe. Eine meiner Stärken ist mit Sicherheit die Tatsache, dass ich sehr konstant fahren kann und mich auf den Punkt konzentrieren kann. Wenn ich also im Zeittraining nur noch zwei Runden habe, so kann ich in diesen mein Maximum geben. Was habe ich für Schwächen? Natürlich keine! (lacht) Da fällt mir jetzt auf Anhieb nichts ein?"

Frage: "Seit wann verfolgst du die Formel 1 und hast du Vorbilder?"
Laseé: "Die Formel 1 verfolge ich schon, seitdem ich mit dem Motorsport angefangen habe. Vorbilder habe ich eigentlich keine, was Michael Schumacher leistet ist natürlich sehr eindrucksvoll, absolut außergewöhnlich, so einen Fahrer gibt es nur alle 20 Jahre, und ich habe auf jeden Fall Respekt vor ihm. Es ist ein harter Job und man muss sich anstrengen; aus diesem Grund habe ich vor allen Respekt, die dort in der Formel 1 mitfahren."

Frage: "Wie bist du überhaupt zum Motorsport gekommen?"
Laseé: "Mein Vater ist früher AutoSpeedWay gefahren und war ebenfalls motorsportbegeistert. Eines Tages bin ich mit ihm auf einer Kartbahn gefahren, wo er mich in einem Doppelsitzerkart mitnahm. Das hat mir Spaß gemacht, da habe ich zu ihm gemeint 'Papa, ich möchte ein eigenes Kart haben'. Ein Jahr später hatte ich es dann. Ich begann zu trainieren und ein Jahr danach fuhr ich die ersten Rennen."

"Man hat nie genügend Sponsoren"

Frage: "Wie kamst du in deiner Karriere bisher mit den enorm hohen finanziellen Anforderungen zu Recht? Hast du ausreichend Sponsoren?"
Laseé: "Man hat nie genügend Sponsoren. Was das Budget betrifft, bekomme ich nicht sehr viel mit, weil das alles mein Management regelt, so kann ich mich ganz aufs Fahren konzentrieren, denn das ist das Wichtigste."

Frage: "Gehörst du zu jenen Fahrern, die gezielt auf die Formel 1 hin arbeiten oder kannst du dir auch eine Zukunft beispielsweise im Tourenwagensport vorstellen?"
Laseé: "Das Ziel eines jeden jungen Fahrers ist wohl die Formel 1. Ich will natürlich auch dahin. Mein Hauptziel ist es aber, im Motorsport mein Geld zu verdienen."

Frage: "Strebst du den klassischen Weg über die Formel 3000 an?"
Laseé: "Soweit habe ich noch gar nicht gedacht. Es gibt ja mittlerweile keine festen Wege mehr, die man einschlagen muss, um in die Formel 1 zu kommen. Ein Massa und ein Räikkönen, die kommen direkt aus der Formel Renault und es gibt einen Nick Heidfeld, der aus der Formel 3000 in die Formel 1 gewechselt ist. Man kann die Route nicht mehr fix vorgeben und man muss aus diesem Grund einfach immer sein Bestes geben und hoffen, dass alles passt."

Frage: "Wie sieht dein Plan für die kommende Saison aus?"
Laseé: "Im Moment steht noch nichts fest, das wird sich alles in den nächsten Wochen entscheiden. Vorgesehen ist, dass ich die Formel Renault Europameisterschaft fahre."